Einzelne Makrodaten-Reihen sagen nicht viel über den Zustand der Realwirtschaft aus. Aus diesem Grunde gibt es seit Jahr und Tag Bestrebungen, unterschiedliche Makrodaten zu einem Indikator zusammenzufassen. Ziel ist dabei in der Regel, frühzeitig zu erkennen, wann sich Rezessionen herausbilden.
In diesem Sinne sind für mich folgende, monatlich aktualisierte Makrodaten (aus den USA) von besonderer Bedeutung (Kürzel – Titel):
- INDPRO – Industrial Production Index
- PAYEMS – Total Nonfarm Payrolls: All Employees (non-farm)
- DSPIC – Real Disposable Personal Income
- PSAVERT – Personal Saving Rate
- PCE – Personal Consumption Expenditures
- RSAFS – Retail and Food Services Sales
- CSXR – Case-Shiller Index (10 Cities)
Die Zeitreihen können auf der Internetseite der Fed von St. Louis abgerufen werden.
Im folgenden Chart wird in den oberen vier Diagrammen mit blauen Punkten (grüner Rand) dargestellt, wie sich diese Daten zusamengefasst zu den angegebenen Zeitpunkten darstellen:
Auf der x-Achse ist die zusammengefasste längerfristige Entwicklung der Zeitreihen dargestellt. Die Auswertung der einzelnen Zeitreihen liefert als Ergebnis jeweils „Trend Lo“, „Neutral“, „Trend Hi“, je nachdem, ob sich der Wert über einem längerfristigen Trend entwickelt oder eben nicht. Auf der y-Achse ist die zusammengefasste kurzfristige Richtung der Zeitreihen dargestellt. Die Auswertung der einzelnen Zeitreihen liefert als Ergebnis jeweils „-“, „0“, „+“, je nachdem, ob der Wert kurzfristig steigt oder eben nicht.
Die Quadranten der punktuellen Charts können damit in Uhrzeiger-Richtung als Verlauf im Konjunkturzyklus interpretiert werden. Links unten liegt der „Bust“-Quadrant (Rezession), es folgt der Aufschwung-Quadrant, dann kommt der „Boom“-Quadrant, der Abschwung-Quadrant liegt rechts unten.
Aktuell, und diese Situation hält schon etliche Wochen an, sehen wir die Makro-Lage im „Boom“.
Der grüne Punkt stellt die Zusammenfassung von verschiedenen Sentiment-Indikatoren dar. Deren Auswertung und Zusammenfassung erfolgt genauso wie bei den Makro-Indikatoren. Es handelt sich im einzelnen um:
- CCI – Consumer Confidence Index
- UMCSENT – Consumer Sentiment (Universität Michigan)
- ISM – ISM-Index (früher NAPM)
- NFIB – Small Business Confidence
Aktuell, seit mehr als fünf Wochen, liegt die „Stimmung“ im Abschwung-Quadranten. Sie läuft in der Regel vor, so dass sich momentan sagen lässt, dass die Stimmung die Makro-Lage „nach unten“ zieht. Dies prägt sich gegenwärtig im per rotem Kreis dargestellten Mittelwert so aus, dass dieser nahe der Grenze zwischen Boom und Abschwung liegt. Kurzfristig hat sich das Stimmungsbild mit Veröffentlichung des Verbrauchersentiments am zurückliegenden Freitag wieder etwas verbessert.
In der unteren Hälfte des Bildes „How Macro is doing“ sind drei Indikatoren abgebildet, die die Wahrscheinlichkeit einer Rezession zeigen sollen.
In rot verläuft ein Diffusionsindex, der aus INDPRO, PAYEMS, DSPIC, PCE gebildet wird. Es zeigt sich eine recht gute Übereinstimmung mit Rezessionsphasen, die durch vertikale, gestrichelte Linien eingegrenzt werden. Auch zeigt sich, dass sich der Indikator oft schon einige Zeit vor einer Rezession abwärts zu bewegen beginnt. Dies war insbesondere vor den beiden jüngsten Rezessionen der Fall. So hatte der Indikator im November 2006, bzw. im Januar 2019 sein jüngstes lokales Hoch markiert.
In gelb verläuft das Ergebnis einer Auswertung des viel beachteten CFNAI (Chicago Fed National Activity Index). Auch hier ist eine gute Übereinstimmung mit Rezessionen zu sehen, teilweise mit einem gewissen Vorlauf.
In blau verläuft das Ergebnis von Korrelationen in einem gleitenden 12-Monats-Fenster. Auch hier werden die Makro-Indikatoren INDPRO, PAYEMS, DSPIC, PCE verwendet. Die Idee dahinter ist: Wenn die Zeitreihen über eine gewisse Anzahl von Monaten nicht mehr synchron laufen, dürfte das auf „Reibungsverluste“ in der Realwirtschaft hindeuten. Werden diese Reibungsverluste größer, stegt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Die Übereinstimmung mit Rezessions-Phasen ist gut zu erkennen. Teilweise gibt es auch einen deutlichen Vorlauf, so z.B. ab April 2019.
Von 1994 an zeigten die drei Indikatoren ein durchgängig positives Bild von Expansion. Im Dezember 2001 schaltete der CFNAI-Indikator auf neutral, im Februar 2001 kippte zunächst der Korrelationsindikator in Kontraktion, im Mai 2001 folgte der Diffusionsindikator. Der CFNAI-Indikator schaltete im Januar 2002 wieder zurück in Expansion, die beiden anderen folgten einige Monate später.
Im Dezember 2007 schaltete der CFNAI-Indikator von Expansion in neutral und im April 2008 in Kontraktion. Der Korrelationsindikator ging im Mai 2008, der Diffusionsindex ging im Juli 2008 in Kontraktion. Der CFNAI-Indikator gab im August 2009 Entwarnung, der Korrelationindikator folgte nach einem Zwischenspiel von Januar bis April 2009 im Juni 2010, der Diffusionsindikator im Juli 2010.
Im April 2019 schaltete der Korrelationsindikator in Kontraktion, der Diffusionsindikator folgte im Oktober 2019. Der CFNAI-Indikator ging im März 2020 auf neutral, dann auf Kontraktion, er schaltete im Juli 2020 zurück in Expansion; im März 2021 folgten der Korrelationsindikator und der Diffusionsindikator.
Bemerkenswert ist die Zeit zwischen 2015 und 2016, im November wurde Trump zum US-Präsidenten gewählt. Im Mai 2015 kippte der Korrelationsindikator in Kontraktion, im November 2015 folgte für zwei Monate der Diffusionsindikator (nochmals im Oktober 2016). Im Mai 2016 kippte der CFNAI-Indikator für einen Monat aus Expansion. Der Korrelationsindikator schaltete erst im Dezember 2016 zurück in Expansion.
Die drei Rezessionsindikatoren weisen ein leicht unterschiedliches Verhalten im Timing auf. Mit der violetten Linie am oberen Rand des Charts wird ein kumulativer Rezessionsindikator mit den Warn-Pegeln "0" (keine Rezession in Sicht), "1", "2" und "3" gezeigt.
Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession wird nicht zwangsläufig, bzw. nicht kurzfristig in entsprechende Reaktionen der Finanzmärkte, resp. bei Aktien umgesetzt. So war etwa über weite Strecken in 2015 und 2016 die Rezessionswahrscheinlichkeit erhöht. Der S&P 500 bewegte sich in dieser Zeit in einer relativ breiten Spanne zwischen 1860 und 2100 seitwärts und konsolidierte die vorherigen Anstiege. Aktionäre sahen erst wieder einen Anlass, Aktien zu kaufen, als Trump zum US-Präsidenten gewählt worden war. Seit April 2019 war die Rezessionswahrscheinlichkeit ebenfalls erhöht. Der S&P 500 hatte zuvor scharf korrigiert, stieg dann aber ab dem zweiten Quartal 2019 deutlich, wenn auch volatil an bis kurz vor dem Absturz Ende Februar 2020 – eine typische Blowoff-Situation.
Hier der Verlauf des S&P 500 seit Oktober 2007, dem seinerzeitigen Hoch:
Aktuell halten die betrachteten Indikatoren eine Rezession für unwahrscheinlich. Allenfalls der Korrelationsindikator zeigt sich nicht besonders überzeugt davon, dass es in der Realwirtschaft wirklich rund läuft. Das kurzfristige, „punktuelle“ Bild zeigt die Realwirtschaft im Boom, die Stimmung legt eher eine Abflachung der wirtschaftlichen Aktivitäten nahe.
Fazit: Die gezeigten Rezessionsindikatoren zeigen Kontraktionsprozesse in der Realwirtschaft zuverlässig an. Wenn die Wahrscheinlichkeit einer Rezession aus Sicht von Makrodaten der Realwirtschaft zunimmt, ist das zwar ein Warnzeichen für die Entwicklung von Assets aus dem Finanzbereich (insbesondere Aktien), der zeitliche Zusammenhang ist jedoch locker. Hinzu kommt, dass je nach Makro-Reihe bis zu sechs Wochen bis zur Veröffentlichung vergehen.
Der wöchentlich aktualisierte Chart „How Macro is doing“ ist im offenen Bereich der Web-Seite und im Rahmen der offenen Chart-Galerie zugänglich.
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