Die Fed hat am zurückliegenden Donnerstag ein neues Programm angekündigt, mit dem sie in etwa alles kaufen will, was es an den Finanzmärkten eben so zu kaufen gibt. Das Programm ist 2,3 Bill. Dollar schwer. Explizit fallen unter dieses Programm Kommunal-Anleihen, sowie ETFs mit Unternehmens-Anleihen. Dabei sollen kleine und mittlere Unternehmen besonders berücksichtigt werden.
Sogar Junkbonds sollen nun gekauft werden, angeblich von Firmen, die nach dem 22. März in den Junk-Status „erhoben“ wurden. Etwa 20% der Junk-Bonds stammen aus dem Ölgeschäft (Fracking). Am 23. März hatten der S&P 500 und der WTI-Ölpreis ihre jüngsten Tiefs ausgebildet.
Vor ihrem jüngsten Programm hatte die Fed bereits eine QE-Maßnahme ohne Limit gestartet, in dessen Rahmen sie Staatsanleihen und Papiere kauft – und das mit einer nie gewesenen Dynamik. Sie setzt damit die Ende September 2019 mit zweifelhafter Begründung begonnenen Aktivitäten auf dem Repo-Markt fort. Damals betrug die Bilanzsumme der Fed knapp 3,8 Bill. Dollar, Ende März waren es 5,8 Bill. Dollar. Der Wert dürfte einigermaßen zügig auf acht Bill. Dollar steigen.
Die Rendite der zweijährigen TNotes gilt als guter Indikator für die Geldpolitik der Fed. Ist sie größer als der effektive Leitzins gilt die Geldpolitik als expansiv; steigt sie an, wird davon ausgegangen, dass sie es wird. Sinkt sie, erst recht, wenn sie unter den effektiven Leitzins abtaucht, dann wird die Geldpolitik als kontraktiv erwartet, bzw. angesehen. Der folgende Chart zeigt den bemerkenswerten Gleichlauf zwischen der Renditedifferenz zwischen der Zinsdifferenz und dem S&P 500 (Chartquelle).
Es gibt zwei interessante Abweichungen von diesen Gleichlauf. Eine betrifft die Zeit von der Wahl Trumps zum US-Präsidenten bis weit in 2017 hinein. Hier war es eher die Erwartung einer kontraktiveren Ausrichtung in einem relativ expansiven geldpolitischen Umfeld. Die von Trump avisierten Steuersenkungen standen im Fokus.
Die andere betrifft die Zeit von Jahresende 2018 bis in das dritte Quartal 2019 hinein. Seinerzeit wurde mit einer kontraktiveren Ausrichtung in einem ohnehin als kontraktiv angesehenen Umfeld gerechnet, der S&P 500 stieg zunächst trotzdem an. Umso größer die „Freude“, als die Fed wie im Mai 2019 angekündigt dann nicht nur ihre Bilanzverkürzung aufgab, sondern auch noch mit Zinssenkungen und Repo-Geschäften für Liquidität sorgte. Aber als die Fed zu Jahresanfang begann, über ihre Repo-Aktivitäten Liquidität einzusammeln und keinen klaren Ausblick hinsichtlich Geldpolitik über den März hinaus gab, standen hochgehebelte Wetten zunehmend auf wackeligen Beinen.
Die besagte Renditedifferenz ist übrigens seit 18. März positiv, zuletzt lag sie bei 0,22%. Das jüngste lokale Maximum wurde am 20. März erreicht (0,29%), das jüngste lokale Minimum stammt vom fünften März (-0,88%). Die Zeit nach 2008 zeigt sehr deutlich, dass Phasen von Geldflut gut sind für Aktienkurse. Das dürfte übergeordnet auch jetzt so sein (h/t Tom McClellan).
Bei einer solch großen und weiter steigenden Bilanzsumme kann man nicht mehr davon sprechen, dass die Zentralbank aktiv im Markt interveniert, nein, sie ist jetzt der Markt. Damit setzt sich nur das fort, wofür Greenspan mit seiner Übernahme des Chef-Sessels der Fed 1987 den Grundstein gelegt hat und was seit 2008 neue Dimensionen angenommen hat: Jede Krise wird in Lquidität ertränkt, eine produktive Bereinigung findet nicht statt. Die Fed macht nach, was die BoJ ab 2012 vorgemacht hat – sie manipuliert nicht länger nur den wichtigsten Preis einer Finanzindustrie-orientierten Wirtschaft, den Zins, sondern sie tritt direkt als Marktteilnehmer auf.
Das „Fieberthermometer“ der Kreditmärkte, der Spread zwischen der Rendite für High-Yield-Bonds und der für zehnjährige Treasurys, zeigt gegenüber seinem Hoch aus 23. März (10,87%) leichte Entspannung bei gegenwärtig 7,98%. Der von mir als Alarmpegel angesehene Bereich bei 7,5% ist aber immer noch nicht unterschritten (Chartquelle).
Das Beispiel der BoJ zeigt, dass ein solch massiver Auftritt einer Zentralbank in den Finanzmärkten zwar Verwerfungen an den Kreditmärkten glätten und auch Aktienkurse beflügeln bis stützen kann. Aber von „Märkten“ im eigentlichen Wortsinne kann keine Rede mehr sein. Zunächst gilt sicher noch mehr als bisher schon der Martin Zweig zugeschriebene Spruch „Don’t fight the Fed.“
Fragt sich nur, wie lange. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle. Der eine hat mit Zutrauen in die Zentralbanken (und die Regierungen) zu tun in dem Sinne, dass sie in der Lage sein werden, die Situation im Griff zu behalten. Der zweite Punkt ist der: Hat die Corona-Krise in der Wahrnehmung der Akteure in den Finanzmärkten eher den Charakter eines exogenen Schocks oder ist sie lediglich verstärkender Faktor massiver zyklischer und struktureller Probleme der Wirtschaft (meine Meinung dazu finden Sie hier)? Die beiden Punkte wirken natürlich zusammen – geht man vom wirtschaftlichen Problemfall aus, dürften die Zweifel an der Allmacht der Zentralbanken größer sein als wenn man an den exogenen Schock glaubt.
In einem Blogbeitrag auf der Web-Seite der New York Fed „The Coronavirus Shock Looks More like a Natural Disaster than a Cyclical Downturn“ wird der Frage nachgegangen, ob die gegenwärtige Corona-Krise mehr einem externen Schock gleicht oder auf eine rezessive Entwicklung hindeutet. Die Verfasser untersuchen dazu die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und kommen zu dem Schluss, dass diese in etwa der Situation nach dem Hurrikan „Katrina“ gleicht. Auf Basis dieses Vergleichs rechnen die Verfasser bis Ende Mai mit 27 Millionen Corona-bedingten Arbeitslosen. Aber es gibt Unterschiede. „Katrina“ hat große Teile der Infrastruktur und der Produktionskapazitäten vernichtet. Das könnte bedeuten, dass eine Normalisierung nach Ende des Corona-Shutdown schneller vonstatten geht. Andererseits war das Ende der „Katrina“-Situation klar definiert, es konnte schnell mit dem Wiederaufbau begonnen werden. Bei Corona geht man von einer langsamen Lockerung des Shutdown aus, was die Erholungsgeschwindigkeit verlangsamt. Die Verfasser sehen eine weitere Parallele darin, dass der gesamte Freizeit- und Tourismus in beiden Fällen besonders stark betroffen war, bzw. ist.
Die Verfasser berücksichtigen aus meiner Sicht nicht den Nachholeffekt aus den Wiederaufbau der Infrastruktur und der Produktionskapazitäten (wie etwa nach „Katrina“ oder auch nach Kriegen). Genau dieser trägt aber zu einer besonders starken Nachfrage und somit Ankurbelung der Wirtschaft bei. Dieser Effekt kommt in der nach-Corona-Zeit nicht zum Zuge.
Ich gehe davon aus, dass sich das wirtschaftliche Leben in der nach-Corona-Zeit zwar relativ schnell normalisiert. Da es aber nur geringe Nachholeffekte gibt, wird es deutlich länger dauern, bis die BIP-Entwicklung wieder in normaleren Bahnen verläuft. Nach einem gravierenden Einbruch im ersten und zweiten Quartal wird es aus meiner Sicht zu stärkeren M&A-Aktivitäten kommen. Das mag zwar zeitweilig für Phantasie bei den Aktienkursen sorgen, führt aber nicht zu stabileren, leistungsfähigeren, innovativeren Unternehmen. Die Gefahr ist groß, dass kleine und mittlere Unternehmen immer weiter ins Hintertreffen geraten, dabei sind sie im Allgemeinen der innovative Motor. Die Informationstechnologie, insbesondere aber die großen digitalen Konzerne wie u.a. Google, Amazon, Microsoft, sowie einige Unternehmen aus dem Telekommunikationsbereich („5G“) werden besonders profitieren. Pharma-Unternehmen sollten sich die von den Regierungen induzierte Angst vor Krankheit zunutze machen können, der Run um einen Corona-Impfstoff hat längst begonnen, ein bereits laut diskutierter Impfzwang sichert die Nachfrage.
Um auf die obige Frage „Fragt sich nur, wie lange“ zurück zu kommen: Das Szenario einer V-förmigen Erholung nach einem exogenen Schock dürfte noch eine zeitlang gespielt werden, Aktien dürften davon profitieren. Wenn die Diskrepanz zwischen den Aktienkursen und der Gewinnsituation der Unternehmen aber zu groß wird, kommt der Punkt, wo dieses Szenario in Zweifel gezogen wird.
Das ist der Punkt, an dem die Weichen dann längerfristig gestellt werden. Zwar sind V-förmige Erholungen nach Epidemien nicht ungewöhnlich, aber der bisher nie dagewesene lange Shutdown macht historische Vergleiche schwierig. Aus meiner Sicht wäre Stagflation eine wahrscheinliche längerfristige Perspektive – angesichts der Geldflut, die die Realwirtschaft mit den von Fed und Regierung angestoßenen Programmen direkt erreicht. Aktien wären dabei kein schlechter Inflationsschutz, Edelmetalle ebenso.
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