Das Gezerre um eine Lösung im Handelsstreit USA-VR China hält die Akteure an den Finanzmärkten beschäftigt. Mal wird aus dem Weißen Haus gezwitschert, es ginge trotz der mittlerweile verschärften Rhetorik weiter voran, dann gibt es wieder Nadelstiche. So wurde in den USA beschlossen, das chinesische Telekommunikations-Flaggschiff Huawei „auf den Index“ zu setzen, woraufhin das chinesische Fernsehen in Abänderung des regulären Programms in Filmen aus dem Korea-Krieg zeigte, wie die „ruhmreiche“ chinesische Armee gegen die der USA ankämpfte.
Bei all diesem Gezackere wurde kaum bemerkt, dass in der zurückliegenden Woche der Rendite-Spread zwischen den zehnjährigen und den einjährigen Treasurys kurz negativ wurde. Solche kurzen Episoden gab es auch in der jüngeren Vergangenheit schon. Bisher kam es nicht zu einer ausgeprägten Inversion der Zinsstruktur.
Aber auf der Rendite-Seite hat sich mittlerweile grundlegendes geändert. Der Spread zwischen den zehnjährigen TNotes und den 13-wöchigen TBills ist Anfang Dezember 2018 unter den Warnpegel von 0,5% gesunken und hat Ende März, sowie aktuell wieder die Nulllinie erreicht. Dieser Spread am kurzen Ende der Zinsstruktur ist insofern von besonderer Bedeutung, als ein niedriger Spread das Standard-Geschäft der Banken tangiert. Ein niedriger Spread macht die Refinanzierung von Krediten weniger attraktiv, weshalb die Bereitschaft abnimmt, Kredite zu vergeben. Ein ungünstiges Zeichen in unserer Kredit-getriebenen Wirtschaft…
Eine zusätzliche Warnung sendet der Rendite-Spread zwischen den 30-jährigen TBonds und den 13-wöchigen TBills. Er touchierte Anfang Dezember 2018 den Warnpegel bei 0,5%, setzte sich anschließend aber wieder nach oben ab. Ende März kam es erneut zu einer Berührung, die Gegenreaktion fiel schwächer aus als zuvor und seit einigen Tagen kraucht dieser Spread wieder an der Marke von 0,5% dahin. Sinkt er darunter, wäre das die zweite Warnstufe vor einer vollständigen Inversion.
Dass US-Staatsanleihen die Entwicklung der Aktienkurse seit Anfang Dezember 2018 nicht mehr stützen, wird auch aus dem folgenden Chart klar. Hier wird der Verlauf des S&P 500 dem Verlauf des Kehrwerts der 10-jährigen TNotes, der Rendite-Benchmark, gegenübergestellt. Dieser Kehrwert dient als Proxy für die Bond-Kurse und stellt nach Fed-Modell das sogenannte faire KGV dar. Je höher dieses ist (je niedriger die Rendite), je eher wird der Ertrags-hungrige Anleger zu anderen Anlageformen, etwa Aktien, greifen.
Das Spiel kann aber nicht unendlich weit getrieben werden, eine zu starke Überbewertung von Aktien ruft irgendwann Gegenreaktionen hervor. Das faire KGV liegt aktuell bei fast 42, das KGV im S&P 500 nach Shiller („CAPE“-zyklisch Inflations-adjustiert) kommt auf 30. Der Wert ist historisch hoch und angesichts der Aufwärtsbewegung seit Jahresbeginn, der Unsicherheit hinsichtlich der Perspektive des aktuellen Konjunkturzyklus, sowie der Sicherheit, die Staatsanleihen versprechen, wird die Luft hier dünn.
Die Auswertung hinter dem Chart setzt S&P 500 und den Kehrwert der 10-jährigen TNotes in Beziehung und berücksichtigt auch die Höhe des Gleichgewichtspunktes (Mittelwert) beider Zeitreihen. Dieser hat ein historisch hohes Niveau erreicht, dementsprechend labil ist das Geschehen anzusehen. Im Ergebnis stützt der Verlauf der TNote-Rendite den Verlauf des S&P 500 seit Anfang Dezember 2018 nicht mehr (rote Status-Linie am oberen Chartrand). Er ist mittlerweile auch nicht mehr weit weg von dem Punkt, wo der „Status“ (rote Linie am oberen Chart-Rand) von „neutral“ auf „bearish“ kippt.
Das Resümee aus den diskutierten Aspekten der Renditeentwicklung ist meiner Meinung nach folgendes: Es gibt eine nachhaltige Bewegung in Richtung der „Sicherheit“ von Staatsanleihen. Gleichzeitig signalisiert der Spread am kürzeren Ende mit schlechter werdenden Refinanzierungsbedingungen, dass das Kreditangebot wohl abnehmen wird. Die Zeit starker Kreditvergaben mit jährlichen Zuwächsen von fast 8% wie 2016 scheint vorbei, aktuell hat sich die Wachstumrate nahezu halbiert. Und die Zinsstruktur sendet seit Dezember 2018 deutliche Warnzeichen hinsichtlich Inversion.
Vom Eintreten einer vollen Inversion der Zinsstruktur bis zum Beginn einer Rezession vergehen erfahrungsgemäß mehrere Monate. Der folgende Chart wertet verschiedene Merkmale der Zinsstruktur schon vor einer vollen Inversion aus, er hat bereits vor einem Jahr eine Warnung vor einer Rezession generiert. Diese Warnung hat einen Vorlauf von vier bis sechs Quartalen. Da mittlerweile nicht mehr alle Kriterien rezessionsverdächtig sind, würde ich vermuten, dass mit einem längeren Vorlauf zu rechnen ist. Das würde auf ein Einsetzen einer Rezession etwa zum Jahresende oder früh in 2020 hindeuten.
Beobachter weisen darauf hin, dass im laufenden Konjunkturzyklus die Verschuldung der nicht-Finanz-Unternehmen besonders deutlich zugenommen hat. Im zweiten Quartal 2010 lag deren Schuldenquote (in Bezug auf das nominale BIP) bei 38,7%, im vierten Quartal 2018 kam sie auf 50,8%, insgesamt hat der Schuldensstand in dieser Zeit um 60% zugenommen. Seite Mitte 2011 verzeichnen die Unternehmensschulden durchgängig ein jährliches Wachstum deutlich über der BIP-Entwicklung.
Damit muss man kein Hellseher sein, um zu vermuten, dass es in der nächsten Rezession wahrscheinlich zu einem Blutbad im Unternehmenssektor kommen wird. Hohe Kreditausfälle verbunden mit Pleiten dürften auch die Kreditmärkte hart treffen. Das wiederum springt dann auf die Aktienmärkte über, zumal sie bewertungsseitig heiß gelaufen sind. Mancher Beobachter erwartet Indexabschläge von 40 bis 50%.
Mag sein, dass die nächste Rezession nicht so ernst werden wird wie die zurückliegende, aber sie dürfte sich länger hinziehen, weil die Möglichkeiten der Zentralbanken und der Regierungen gegenüber der Zeit vor 2008 deutlich eingeschränkt sind. Die Gesamtverschuldung hat seitdem deutlich zugenommen und die Geldflut der Zentralbanken kann nicht beliebig vervielfacht werden. Deutlich negative Zinsen, wie sie von einigen (u.a. Rogoff – siehe hier!) als Werkzeug im Kampf gegen die Auswirkungen einer nächsten Rezession ins Gespräch gebracht wurden, brauchen für ihre Wirksamkeit eine drastische Einschränkung des Bargeldumlaufs.
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