Am 20. Januar wird Trump offiziell zum 45. Präsident der USA gekürt. Die Finanz-, resp. die Aktienmärkte haben ihren Salut längst abgeschossen. Seit der Wahl von Trump am 8. November sind die Kurse im Finanzsektor um etwa 17% gestiegen, der S&P 500 um rund 6%. Gewettet wird auf die einfache Gleichung Trump=Infrastrukturinvestionen+Steuersenkungen+Banken-Deregulierung.
Die Stimmungsindikatoren in der US-Wirtschaft haben sich deutlich aufgehellt. Besonders hoch fliegend zeigen sich die Erwartungen im „Small Business Optimism Index“, der im Dezember so hoch stieg wie zuletzt 2004. Hier dürften sich auch die Tiraden von Trump gegen den „Freihandel“ niederschlagen.
Der ISM-Index der Stimmung in der Fertigungsindustrie hatte für Dezember einen Anstieg auf ein Niveau gezeigt, das zuletzt Mitte 2014 gesehen wurde. Besonders deutlich sind dabei die Erwartungen für die Industriepreise angestiegen.
Auch die Verbraucherstimmung hat sich deutlich aufgehellt. Der Index des Verbrauchersentiments der Universität Michigan notiert an einem 12-Jahres-Hoch. In der Befragung bezogen sich überraschend viele Konsumenten auf die zu erwartenden günstigen Effekte einer Wirtschaftspolitik unter Trump.
Selbst wenn die Trump-Administration ihre Vorhaben schnell auf den Weg bringt, werden erste Ergebnisse auf sich warten lassen. Möglicherweise sehen wir Mitte des Jahres erste Spuren in den „harten“ Daten. Bis dahin wird weiter spekuliert und debattiert. Was sagt wirtschaftliche Logik, was ist politisch getriebener Hype?
Gewöhnlich wird den Bond-Märkten eine zuverlässigere Zeigerfunktion für das zugemessen, was wirtschaftlich kommt. Aus meiner Sicht war das wohl mal so – vor der Finanzkrise 2008. Mittlerweile sind die Zinsen durch die Geldflutpolitik der Zentralbanken genauso „gestört“ wie viele andere Preise.
Die US-Renditen haben mit der Trump-Wahl einen gewaltigen Satz nach oben gemacht. Nicht übersehen werden sollte allerdings, dass sie bereits Mitte 2016 einen Boden gefunden hatten und bis dahin schon etwa die Hälfte des Weges bis zum heutigen Stand zurück gelegt hatten.
Vor 2008 konnte man zuverlässig davon ausgehen, dass eine statistisch relevante Abflachung der Zinsstruktur einer Rezession etwa vier bis sechs Quartale vorausläuft. Vor 2008 entwickelten sich die Spreads zwischen den drei analysierten Renditen, die der 13-wöchigen TBills, den zehn-jährigen TNotes und den 30-jährigen TBonds, relativ gut synchron zueinander. Seitdem ist das eher weniger der Fall, der lange Spread (orange Linie im Chart) tanzt über weite Strecken aus der Reihe, hier dürfte sich die Fed-Politik niederschlagen, die darauf abzielt, die Zinsen am langen Ende zu drücken.
Die aktuelle Situation ist in etwa mit dem Spätjahr 2012 vergleichbar, damals hatte die Rezessionswahrscheinlichkeit von der Zinsseite ein lokales Maximum erreicht, jüngst im Oktober 2016 wurde sogar ein höheres Hoch markiert. Im Unterschied zu damals ist der Spread am langen Ende aktuell deutlich geringer. Ein statistisch relevantes Signal gab und gibt es jedoch nicht und es sieht aktuell so aus, dass die von der Zinsseite abgeleitete Wahrscheinlichkeit einer Rezession wieder abnimmt. (Überlegungen hinter dem Chart siehe hier!)
Ich will nicht zu viel in die Verläufe von Stimmungsindikatoren und Zinsspreads hinein interpretieren. Aber es hat den Anschein, als dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal 2016 auf dem Weg in eine Rezession war. Umso willkommener war Trump mit seiner schuldenfinanzierten Ausgabenpolitik und seiner Bankenderegulierung. Er wird zumindest ein konjunkturelles Aufflackern erreichen. Vielleicht mehr, vielleicht aber auch nicht…
Ein weiterer Beleg dafür, wie kurz die US-Wirtschaft vor einer Rezession stand (und noch steht?), ergibt sich aus dem Verlauf der Steuereinnahmen in den USA. Die Zahlen werden quartalsweise erhoben, für das vierte Quartal 2016 liegen noch keine Daten vor.
Die beiden folgenden Charts zeigen die prozentualen jährlichen Veränderungen der Steuereinnahmen der Bundesregierung alleine und die zusammen mit den lokalen Regierungen (Chartquelle, Chartquelle). So lange es keine gravierenden Änderungen im Steuersystem gibt, ist der Verlauf der Steuereinnahmen ein recht zuverlässiges Indiz für die Verfassung der Wirtschaft. Gehen sie zurück (oder steigen immer weniger), zeigt das, die die zu besteuernden Wirtschaftseinheiten weniger verdienen. Wenn diese weniger verdienen, weist das auf eine schwächer werdende Wirtschaftstätigkeit und damit auf eine möglicherweise heraufziehende wirtschaftliche Kontraktion hin.
Aus beiden Verläufen ergibt sich eine seit den 1970er Jahren etablierte Tendenz abnehmender Zuwächse. 1971 – das war das Ende des Währungs-Regimes von Bretton Woods und der Beginn der Finanzsystem-gesteuerten Globalisierung. Ich habe in beide Charts eine rote Linie eingezeichnet, die die Mehrheit der Eintrittspunkte in jeweilige Rezessionen verbindet. Sie deckt sich auch relativ gut mit der linearen Interpolationsgeraden durch die Daten seit 1970. Für die Situation Stand Ende September 2016 ergibt sich, dass sie auch von Aspekt der Steuereinnahmen Rezessions-verdächtig war. In Q1/2016 sanken die Steuereinnahmen des Bundes sogar absolut.
Es gibt eine ganze Reihe weiterer Makro-Datenreihen, die in 2016 Schwäche zeigten. Ich bilde aus dem Index der Industrieproduktion, der Zahl der Arbeitsplätze, dem verfügbaren Einkommen und den Konsumausgaben einen Diffusionsindex, der das gesamte Jahr 2016 über Schwäche zeigte, ebenso wie die Auswertung des „Chicago National Activity Index“ im Mai/Juni 2016. Der Chart wird monatlich hier aktualisiert.
Es hängt nach wie vor (fast) alles an der Preisentwicklung. Der US-PPI weist für Dezember eine Inflationsrate von 1,9% auf. Hier dürften sich die gestiegenden Ölpreise besonders auswirken, aber auch andere Rohstoffe haben sich in 2016 deutlich verteuert. Der PPI entwickelte sich seit Anfang 2015 (noch) schwächer als sein (abwärts gerichteter) Trend, jetzt zeichnet sich eine Stabilisierung ab (rote Signallinie am oberen Rand des Charts).
Der US-Einzelhandelsumsatz ist im Dezember um 4,1% p.a. gestiegen, das ist das zweitbeste Ergebnis für 2016. Besonders fiel allerdings der starke Zuwachs beim Kfz-Umsatz ins Gewicht – möglicherweise ein Einmal-Ereignis, wer kauft schon jeden Monat ein Auto? Die Mehrheit der Analysten kommt zu dem Schluss, dass sich der Anstieg im Verbrauchervertrauen in den tatsächlichen Konsumausgaben noch nicht niedergeschlagen hat. Denn ohne Auto-Verkäufe lag der jährliche Zuwachs lediglich bei 3,4%, in den beiden Monaten zuvor lag er höher, nämlich bei 4%. Nicht Fisch, nicht Fleisch…
Fed-Chefin (wie lange noch?) Yellen sagte in der zurückliegenden Woche, sie sehe kurzfristig keine ernsthaften Stolpersteine – die Wirtschaft laufe ganz gut. Chicago-Fed- Präsident Evans ist optimistischer, die US-Wirtschaft könnte für ein, zwei Jahre auf vier Prozent Wachstum kommen. Die Weltbank meint, das US-Wachstum könnte sich in 2017 auf bis zu 2,5% beschleunigen und 2018 sogar 2,9% erreichen, wenn die Trump-Administration die Unternehmenssteuern von 35% auf 15% senkt und die Einkommensteuern reduziert.
Also Optimismus überall – weiche Stimmungs-Daten unterlegen das, harte Daten zeigen zumindest keine Verschlechterung, sondern eher eine Stabilisierung an. Im Auge behalten muss man jedoch weiterhin die US-Arbeitsmarktdaten.
Der mittelfristige Ausblick auf die Entwicklung der Aktienkurse ist nicht negativ (siehe hier!). Für das kurzfristige Schicksal des S&P 500 (und danit der Aktienkurse weltweit) dürfte entscheidend sein, ob die Inthronisierung von „King Donald II“ am Freitag der kommenden Woche als ein „sell the news“-Ereignis wahrgenommen wird.
Der Verlauf des VIX könnte darauf hindeuten – er befindet sich im Bereich weitreichender Tiefs, so tief wie im zweiten Halbjahr 2014. Damit wird angezeigt, dass nur wenige Akteure mit einem deutlichen Anstieg der Volatilität (und damit in der Regel fallenden Kursen) rechnen. Der „Angst-Index“ ist jedoch im Tages- und Wochenchart so deutlich überkauft, dass zumindest ein weiterer markanter Anstieg der Aktienkurse erst einmal unwahrscheinlich ist. Entweder wird die Situation durch eine volatile Seitwärtsphase abgebaut oder es werden deutliche Gewinne bei Aktien vom Tisch genommen.
Die zweite Alternative erscheint mir wahrscheinlicher. Die Schere zwischen der Entwicklung des S&P 500 und der inversen zehnjährigen TNote-Rendite (als Proxy für Bond-Kurse) ist extrem weit aufgerissen. Wir hatten Ende Juni 2016 und auch Anfang Februar schon einmal erhebliche Spreads zwischen beiden Verläufen, seinerzeit allerdings in die andere Richtung – die Bond-Kurse hatten sich so stark entwickelt, dass sie teuer wurden im Vergleich zu Aktien. In beiden Fällen stiegen Aktien schnell wieder an, die Bond-Renditen stiegen ebenfalls (die Anleihe-Kurse fielen), ein neues Gleichgewicht entstand.
Der aktuelle Spread ist noch größer als bei den beiden vorangegangenen Ereignissen – eine Angleichung der beiden Zeitreihen liegt in der Luft. Die türkisen Linien im folgenden Chart zeigen jeweils „Gleichgewichts-Pfade“. Mag sein, dass die Hauptlast der Angleichung jetzt von den Bonds getragen wird in der Form, dass die Renditen überproportional stärker sinken (Bond-Kurse steigen) als Aktien fallen. Also vielleicht so, wie es die gelbe Fragezeichen-Linie andeutet. Das würde ein Korrektur-Niveau beim S&P 500 von etwas unter 2200 nahelegen, das ist so in etwa auch das Ausbruchsniveau nach der Trump-Wahl. Optimisten könnten aus einer solchen Entwicklung ableiten, dass die Bond-Blase noch lange nicht platzt – das würde den Aktienbullen bald wieder auf die Sprünge helfen.
Eine kleine Anekdote zum Schluss: Paul Craig Roberts, in der Reagan-Administration für Wirtschaftspolitik mitverantwortlich, schreibt, bei Obama hätten sehr viele seine Amtseinführung mit großen Hoffnungen begleitet. Bald danach habe sich aber herausgestellt, dass von den versprochenen Änderungen („Change? Yes, we can“) nicht viel übrig bleiben würde. Bei Trump müsste man schon vor dessen Inthronisierung das Vertrauen verlieren. Und wenn nicht in ihn, dann in die, die seine Regierung bilden. Roberts hatte Trump bisher als DIE Hoffnung für die USA und die Welt ausstaffiert, jetzt seien dessen künftige Kabinettsmitglieder drauf und dran, alles kaputt machen… (siehe hier, hier und hier (deutsch)!). Alter schützt vor Torheit nicht.
Die US-Wirtschaft dürfte in 2016 knapp an einer Rezession vorbei geschrammt sein. Die Mehrheit der Beobachter sieht mit der geplanten Wirtschaftspolitik von Trump Wachstumschancen. Es wird einige Zeit vergehen, bis sich zeigt, ob harte Daten das halten, was weiche Stimmungsdaten heute versprechen. Kurz vor Inthronisierung des 45. Präsidenten der USA sind Aktien heiß gelaufen. Die Schere zwischen Bond- und Aktien-Kursen ist extrem weit aufgerissen. Kurzfristig erscheinen Gewinnmitnahmen im S&P 500 bis unter 2200 und sinkende Renditen wahrscheinlich.
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