USA – Insel der Glückseligen?

Das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten scheint aktuell von der Stimmung getragen zu sein, bei uns zuhause läuft es ja nicht so gut, aber in den USA geht es dafür umso besser. Der optimistische Zufluss von Kapital dorthin hat (unter anderem) den Dollar und amerikanische Aktien erstarken lassen. Gleichzeitig zeichnen die Rohstoffpreise ein etwas realistischeres Bild der Lage. So kennen die Ölpreise nur einen Weg, den nach unten, wobei Optimisten derem Absturz noch die positive Seite abgewinnen, dass damit mehr Raum für den „normalen“ Konsum entsteht. Kupfer als wichtiger Indikator für industrielle Aktivität befindet sich weiterhin mit einem Preis von rund 6700 in der bereits hier dargestellten kritischen, unklaren Chartsituation.

Nun kann man angesichts der engen Verflechtung der nationalen Volkswirtschaften schon grundsätzlich daran zweifeln, ob sich ein Land dem globalen Einfluss dauerhaft wird entziehen können. Die ganz kleinen, wie auch die ganz großen Wirtschaftsräume, also etwa die USA, dürften hierbei vermutlich teilweise und zeitweise die besten Karten haben.

Der ifo-Index für die Weltwirtschaft ist im aktuellen Quartal um 10 auf 95 Punkte gesunken. Das ist der schlechteste Wert seit dem dritten Quartal 2013. Von der Eintrübung sind alle Regionen betroffen, wobei die Stimmung in Nordamerika trotz Rückgang weit über dem 15-Jahres-Durchschnitt liegt. Der ifo-Index für Europa ist nur leicht unter dem Durchschnitt. Am unteren Ende liegt das Wirtschaftsklima in den GUS-Staaten und in Lateinamerika, es ist so unterkühlt wie zuletzt vor fünf Jahren. Die Konjunkturerwartungen wurden stark nach unten korrigiert, der weltwirtschaftliche Aufschwung erhält einen Dämpfer, schreibt das ifo.

Das BIP der Eurozone ist im abgelaufenen Quartal sequentiell um 0,2% gestiegen, die USA verzeichnen einen Zuwachs von 3,5%. Im Jahresvergleich werden 0,8%, bzw. 2,3% erreicht. Gavyn Davies zeigt in seinem Blog bei FT, dass der Verlauf des kaufkraftgewichteten BIPs der G7-Länder seit fünf Jahrzehnten von ehemals 4,2% auf jetzt 1,7% absteigt. Der Einfluss der jüngsten Finanzkrise kommt dabei gar nicht vor. Als wichtige Faktoren diskutiert er das sinkende Bevölkerungswachstum und die abnehmende Arbeitsproduktivität.

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Die USA sind in dieser Situation der Einäugige unter den Blinden, also strömt auf der Jagd nach Rendite die von den Zentralbanken geschaffene Flut dorthin. Wir wollen die Frage diskutieren, wie stabil die wirtschaftliche Entwicklung dort eigentlich ist.

Zuletzt sind wieder die Arbeitsmarktdaten für Oktober gefeiert worden. Es wurden 214.000 neue Stellen geschaffen, die Arbeitslosenquote sank um 0,1% auf 5,8%. In den zurückliegenden zwölf Monaten gab es im Mittel jeden Monat 222.000 neue Jobs. 2011 waren es noch 174.000, seitdem hat sich die Lage stetig verbessert – von dem leichten Tempoverlust in den zurückliegenden drei Monaten einmal abgesehen. Das Verhältnis zwischen der Zahl derer in Arbeit und der Größe der Bevölkerung ist im Oktober von 59% auf 59,2% angestiegen. Nach der Finanzkrise war die Quote bis auf 58,2% abgesackt – von Ende 2006 erreichten 63,4% aus. Die gegenwärtige Entwicklung ist nur ein leichter Aufwärtstrend – immerhin.

Die sinkende Arbeitslosenquote führt aktuell nicht zu beschleunigten Lohnsteigerungen. Es bleibt bei denselben 2% pro Jahr wie schon seit seit Mitte 2009. Ob die Arbeitslosenquote bei 9% oder unter 6% liegt – der jährliche Lohnzuwachs zeigt sich davon wenig beeindruckt. Das Bestimmheitsmaß der beiden Zeitreihen zeigt 0,02, null signalisiert keinen, eins einen sehr engen Zusammenhang.

Das wird damit erklärt, dass es weiterhin ein hohes Maß an Schattenarbeitslosigkeit gibt. Viele Leute sind offiziell nicht arbeitslos, haben aber lediglich Teilzeitjobs, können keine Vollzeitstelle finden oder haben die Suche danach aufgegeben. Die Zahl der arbeitslosen Amerikaner hat sich seit Anfang 2010 mit 42% doppelt so stark vermindert wie die Zahl der aus den genannten Gründen Teilzeit-Beschäftigten mit 21%. Der Abstand der beiden Zeitreihen nimmt seit 20 Jahren ab und zeigt so auch das Bild hin zu immer "prekäreren" Beschäftigungsverhältnissen (Chart).

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Bricht man die „über alles“-Zahlen herunter, so hat es in den zurückliegenden Jahren sehr wohl deutliche Lohnsteigerungen gegeben, so z.B. in Bergbau und Energie. In Einzelhandel, Gaststättengewerbe und anderen verbrauchernahen Dienstleistungssektoren war das allerdings nicht der Fall und gerade hier wird seit Jahren die Hauptmasse an neuen Arbeitsplätzen geschaffen. Das klingt auf den ersten Blick widersinnig, ist aber so. Die Dienstleistungsbranche zahlt eben nur geringe Löhne und die Menschen brauchen Arbeit, die sie woanders nicht finden.

Der dritte Punkt hängt mit der Globalisierung zusammen. Die Arbeit wird in Ländern mit niedrigem Lohnniveau verrichtet, die hierdurch bewirkte Steigerung der Profitabilität der Unternehmen schlägt sich in steigenden Aktienkursen und gewaltigen Cashbeständen nieder, die wiederum zu Aktienrückkäufen genutzt werden und so die Kurse noch weiter treiben. Das Konsumpotenzial des amerikanischen Arbeiters bleibt begrenzt, die Schere zwischen Aktienkursen und dem tatsächlichen Zustand der Wirtschaft geht dadurch noch weiter auf. Investoren freuen sich, der Normalbürger hat davon wenig. Die Abkopplung zwischen Aktienkursen und Realwirtschaft wird in folgendem Chart deutlich.

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Die Lohnentwicklung ist weiterhin nicht inflationär, die Verbraucherpreise zeigen auch in den USA keinerlei Anzeichen, nach oben auszubrechen. Das ist natürlich eine gute Botschaft für alle, die vor einer baldigen Zinserhöhung Angst haben. Die Fed steht von dieser Seite her nicht unter Zugzwang – eine ähnliche Situation wie Mitte der 1990er Jahre. Damals sank die Arbeitslosenquote in einen Bereich, in dem viele dachten, dass nun Zeit zum Handeln sei, weil die Inflation anziehen würde. Unter jenen war auch eine gewisse Janet Yellen, heute Fed-Chefin, die im Mai 1996 mal sagte, man müsse nun sehr wachsam sein. Der damalige Fed-Chef Greenspan sah jedoch keine ernsthafte Inflationsgefahr, weil die Arbeitsproduktivität durch technischen Fortschritt so stark steigen würde, dass es keinen Preisdruck gäbe.

Goldman Sachs erwartet für 2015, dass die Unternehmen ihre Cash-Ausgaben um 12% auf 2,3 Bill. Dollar steigern werden. 49% davon sollen an die Aktionäre gehen u.a. in Form von Aktienrückkäufen und Dividenden. Die Investitionsquote soll von 8% in 2014 auf 6% zurückgehen. Hierin dürfte sich die relative private Nachfrageschäche wiederspiegeln. Außerdem drücken die sinkenden Energiepreise die Investionsbereitschaft – der Energiesektor steht im S&P 500 für rund ein Viertel der Ausgaben für Investitionen und F&E. Es wird geschätzt, dass die Unternehmen 2015 ihre Cash-Ausgaben für Akquisitionen um 37% steigern, was im allgemeinen zu Entlassungen und Konsolidierungen führt und damit nicht unbedingt konjunkturfördernd ist (Chart).

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Damit sieht es für die weitere Entwicklung der Unternehmensgewinne erst einmal weniger rosig aus. Seit 2009 hat sich der Umsatz pro Aktie um 32% gesteigert. Im gleichen Zeitraum sind die Gewinne je Aktie um 261% explodiert. Das wurde zu einem nicht unwesentlichen Teil dadurch erreicht, dass man mit Aktienrückkäufen den auf die sinkende Zahl ausstehender Aktien entfallenden Gewinn gesteigert hat und so künstliche Profitabilität vorspiegelt.

Kosteneinsparungen, auch durch Entlassungen, können die Gewinne steigern, aber das geht nicht unendlich. Die Grenzen sind mikroökonomisch da erreicht, wo ein Unternehmen vor Entscheidung steht, seine Kapazitäten zu reduzieren, wenn es den Sparkurs fortsetzt. Makroökonomisch müssen irgendwann Bedingungen für Umsatzwachstum her, sonst können sich die Gewinne nicht weiter entwickeln. Also kommt es dann besonders auf die Nachfrage der Konsumenten an. Wenn deren reale Lohnentwicklung aber weiter anemisch bleibt, sind Enttäuschungen bei der Entwicklung der Aktienkurse vorprogrammiert.

Das gilt insbesondere angesichts der extremen Erwartungen an die Entwicklung der Unternehmensgewinne. Hinzu kommt disinflationärer Druck in großen Teilen der Weltwirtschaft, denen sich die USA auf Dauer kaum entziehen können. Da braucht es keinen großen Schock, um massive Enttäuschungen auszulösen mit entsprechenden Konsequenzen für die Aktienkursentwicklung (Chart).

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Unternehmensgewinne gehören zu den Zeitreihen im Finanzwesen, die am deutlichsten um ihren Mittelwert oszillieren. Diese Erkenntnis von Jeremy Grantham hat auch heute Gültigkeit. Nur – das Gros der Analysten setzt derzeit auf weitere geradlinige Steigerungen. Der folgende Chart stellt dar, wie die realen Gewinnmargen in Bezug auf das reale BIP oszillieren. In der ausgeprägten Zyklik spiegelt sich einfach der Entscheidungsprozess der Unternehmenslenker wider, die auf die Entwicklung der Gesamtwirtschaft reagieren. Ihre Maßnahmen sind hierzu phasenverschoben, Rückkopplungsprozesse führen zu dem recht regelmäßigen zyklischen Verlauf (Chart).

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Die Karawane der in US-Assets ziehenden Investoren glaubt an risikoarme Rendite in einer „boomenden“ Volkswirtschaft. Man sollte besser von einer der wenigen Regionen auf der Welt mit halbwegs solidem Wachstum sprechen – mit Betonung auf „halbwegs“. Es ist die "verzweifelte" Suche nach rentabler Anlage, die die Augen davor verschließen lässt, dass die Wahrscheinlichkeit von herben Enttäuschungen auch in den USA zunimmt.

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