Wachstumsillusionen | Teil 3

Dieser Artikel setzt "Wachstumsillusionen | Teil 1" und "Wachstumsillusionen | Teil 2" fort. In diesem Teil sollen möglichst harte Zahlen Auskunft zum Wachstum geben. Da unsere Einheiten, Preise zu messen bzw. Werte zu quantifizieren, sehr weich sind, versuche ich, lieber mit Masseeinheiten (Tonnen, kg, Pfund) oder Volumeneinheiten (Barrel, Bushel) zu messen.

Im vierten Teil dieser Reihe soll ein Überblick über "Glücksforschung" erläutern, warum GDP-Raten ein Denken von gestern verkörpern und keine Antwort auf die "Frage nach dem guten Leben" liefern. Ungleichheit ist dem "Guten Leben" nicht behilflich, sondern schadet!

Ich beginne diesen dritten Teil der Reihe "Wachstumsillusionen" mit einer Darstellung der Entwicklung des Verhältnisses "Mensch zu Erde". Am Ende soll jedoch eine langfristige Darstellung der US-Dollar-Geldmenge M3 den Wahnsinn unendlichen exponentiellen Wachstums zusammenfassen und aufzeigen, warum das nur die Ungleichheit fördert und damit im Gegensatz zur Meinung von z.B. Janet Yellen, der künftigen Fed-Chefin, unsozial ist.

Am Anfang zwei "knackige" Zitate aus Veröffentlichungen der jüngsten Zeit:
Harald Welzer schreibt in "Selbst Denken: Eine Anleitung zum Widerstand" (S. Fischer Verlag), dass unser Kulturmodell ein expansives ist – bis dahin, dass eine Kategorie wie "Wachstum" inzwischen zivilreligiöse Qualität hat.

Naomi Klein sagt, "wir haben ein völlig unhaltbares Wirtschaftsmodell des Hyperkonsums globalisiert. Es verbreitet sich erfolgreich über die ganze Welt und tötet uns." (Interviewt von Jason Mark | der Freitag | Nr. 40 | 2. Oktober 2013)

3 Analyse aus der "Peak Man > Peak everything" Sicht in Anlehnung an die "Peak-Oil" These

Dass das 20. Jhd. in die mehr als hundertausend-jährige Geschichte des "Modernen Menschen" (nach Lewis Mumford "Mythos der Maschine") einmal als extrem außergewöhnlich eingehen wird, ist offensichtlich. Im 21. Jhd. wird der "Moderne Mensch" an ganz harte Grenzen stoßen – eine davon wird die 10-Milliarden-Grenze für die menschliche Population sein:

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In der folgenden Darstellung ist der gesamte Zeitraum dargestellt, über den Daten ermittelt oder geschätzt wurden. Der Graph zeigt, dass vor ca. 5.000 Jahren in der "Bronzezeit" das überdurchschnittliche Bevölkerungswachstum einsetzte, aber mit verträglichen Raten von 0,1% pro Jahr.

Interessanterweise ist dieser Zeitraum sowohl für den Anthropologen David Graeber ("Debt – the first 5.000 years") als auch für Bill Bonner ("The daily Reckoning") so etwas wie der Anfang der Zivilisation.

Im Betrachtungszeitraum 1800 bis zur Gegenwart stieg die Lebenserwartung für die Bewohner der ersten und zweiten Welt auf das Doppelte, nämlich von 40 auf 80 Jahre.

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[Quelle für beide Charts: Wikipedia]

Nach Harald Welzer hat die industrielle Entwicklung in den ersten 200 Jahren kapitalistischer Wachstumswirtschaft noch vergleichsweise wenig Schaden angerichtet – erst nach dem Zweiten Weltkrieg ging es richtig los, wie wir später an den Zahlen für den Extraktivismus sehen werden: "Extraktivismus: ein ungewohntes Wort, das aber ganz und gar nichts Abstraktes bezeichnet. Ihr Auto, Ihr Haus, Ihre Waschmaschine, Ihr iPhone, Ihre Kleidung, Ihre Möbel – alles besteht aus Material, das auf irgendeine Weise aus dem Boden, aus den Wäldern, aus dem Meer geholt wurde – sei es in Form von Öl, Seltenen Erden, Sand, Metall, Wasser, Holz, Baumwolle, Mineralien, was auch immer."

Und es geht nicht nur darum, dass immer mehr Menschen auf der Erde leben, sondern auch darum, dass pro Erdenbewohner immer mehr aus der Erde extrahiert wird!

3.1 Gold "Peak Gold"

Ich habe Gold ausgewählt, weil es wahrscheinlich das erste Metall war, das der Mensch aus der Erde extrahiert hat und weil es dafür eine lange Zahlenreihe gibt.

Dr. Jürgen Müller schreibt in seiner Dissertation "Modellierung der globalen Goldproduktion durch Anwendung der Hubbert'schen Peak-Oil Methodik" (Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt – ISBN 978-3-8448-1813-0), dass man Gold und Erdöl exemplarisch für den gesamten Bergbau betrachten kann.

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Dr. Müller hält eine Gesamtfördermenge von 330.000 t bis 440.000 t für wahrscheinlich. Danach ergibt sich ein oberes Plateau mit Peak knapp unter 3.000 Tonnen/Jahr. Aktuell sind schon ca. 165.000 t gefördert.

Wie es mit der jährlichen Fördermenge pro Erdenbewohner aussieht, zeigt der folgende Graph. Interessant ist auch, dass die Förderquote pro Kopf von 1850 bis 2000 mit ca. 1% p.a. anstieg – ähnlich wie die Bevölkerung in der ersten Hälfte des 20. Jhd.

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Am Beginn der "Industriellen Revolution" wurde pro Kopf wenig Gold extrahiert, obwohl damals das Gold teilweise oberirdisch zum Greifen nahe war. Davon wird in Jack Londons lesenswertem Roman "Lockruf des Goldes" (Original "Burning Daylight") berichtet und der Verfasser schreibt schon Ende des 19. Jhd. über die negativen Auswirkungen des Strebens nach Wachstum und Profit.

Seit einem Jahrhundert bewegt sich die pro-Kopf Fördermenge in einem Trendkanal zwischen 0,25 und 0,45 Gramm pro Jahr. Lediglich um 1940 gab es mit 0,57 Gramm einen Ausreißer nach oben.

3.2 Erdöl "Peak Oil"

Der Rohstoff Erdöl wurde exemplarisch für den Bereich Energie ausgewählt, weil dafür ausreichend Datenmaterial vorliegt und weil es immer noch der bedeutendste Energieträger ist – vor allem als Treibstoff in der Fahrzeugtechnik. Außerdem beruht auf der Analyse der Erdölförderquoten die wissenschaftliche Arbeit von Hubbert und Matthew R. Simmons "Wenn der Wüste das Öl ausgeht".

Daneben gibt es eine starke Korrelation zwischen Bergbauindustrie und Energiewirtschaft: "Ohne Energie kein Bergbau und ohne Bergbau keine Energie" (Dr. Jürgen Müller).

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Mittlerweile ist "Peak Oil" ein anerkanntes Faktum und keine Vermutung mehr.

Man unterscheidet konventionelle Erdölförderung und unkonventionelle Fördertechniken wie Ölsande, "Fracking" und Tiefseeöl. Diese technischen Innovationen verschieben den "Peak Oil" und erhöhen die Gesamtmenge an verfügbarem "Crude Oil" von 2.300 GBrl (Giga Barrel) um Hunderte von GBrl.

Zu beachten ist der ERORI: Das Verhältnis von gewonnener Energie zu aufgewendeter Energie bezeichnet man abgekürzt als "EROEI" (Energy Return on Energy Invested). Spätestens bei einem Verhältnis von EROEI = 1 (rechts unten in der Abb.) ist die Förderung unabhängig vom Preis des Öls nicht mehr wirtschaftlich.

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[Quelle: Ugo Bardi, "Der Geplünderte Planet: Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen", oekom Verlag]

Von 1850 bis in die 70er Jahre des 20. Jhd. stieg der pro-Kopf-Verbrauch an Erdöl um ca. 5,5% p.a. an. Dann fiel er mit der Energiekrise in den 1970er Jahren, die lediglich eine Preiskrise war, von ca. 800 auf ca. 615 Liter und ist seitdem erstaunlich konstant. Aus diesem Graph geht auch hervor, was langfristig 5,5% Wachstum pro Jahr bedeutet, nämlich innerhalb von 125 Jahren ungefähr eine Verachthundertfachung des pro-Kopf Verbrauchs!

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3.3 Weizen (USA)

Ich konnte keine Langzeit-Datenreihe für die globale Weizen-Produktion finden, deshalb ist die Betrachtung hier auf die USA beschränkt.

Ähnlich wie im Bergbau gibt es eine starke Korrelation zwischen der Agrarindustrie und der Energiewirtschaft: Ohne Energie keine Agrarindustrie und ohne Nahrungsmittelproduktion keine Agrarindustrie.

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Seit 1980 scheinen keine grundlegenden Produktionssteigerungen mehr möglich. Die pro-Kopf Produktionsrate schwankt heftig um einen Mittelwert von 222 kg pro Kopf (bzw. 7,2 Bushel pro Kopf). 1880 wurden schon einmal 273 kg pro Kopf geerntet.

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3.4 Mais (USA)

Bei der Maisproduktion könnte 2009 mit 332.000 Tonnen pro Jahr ein Peak erreicht worden sein. Da in den USA Mais zugleich Nahrungsmittel und Energieträger ist, könnte der Produktionsrückgang auch mit sinkenden Energiepreisen im Zusammenhang stehen.

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Der Peak der pro-Kopf Maisproduktion könnte 2007 mit 1.090 kg erreicht worden sein. Auffallend ist, dass es 1880 schon einmal einen ähnlich hohen Wert gab.

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3.5 Geldmenge M3 (USA)

Das Geldmengenaggregat M3 wächst ziemlich gleichmäßig mit ca. 6,7% p.a., und das auch schon vor Gründung der Fed im Jahre 1913. Allerdings ist direkt nach 1913 ein Zwischensprint sichtbar. Rezessionen gehen mit verringertem Geldmengenwachstum einher.

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Der Knick zum Zeitpunkt der FED-Gründung ist beim Verlauf der Geldmenge M3 pro Kopf deutlicher sichtbar. Auch in der Gegenwart wächst die US-Dollar Geldmenge pro Kopf der US-Bevölkerung weiter mit ca. 5,6%.

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Wie soll das mit einem Bruttosozialprodukt-Wachstum zwischen 1 bis 2% und einer Inflationsrate von 1 bis 2% zusammenpassen? Die Antwort liegt in dem Phänomen "Biflation" oder "Asset price inflation". Die Überschussliquidität fließt nicht in Konsum-, sondern in Anlagegüter.

Ein weiterer Grund, warum die aktuelle Geldmengenausweitung keine Konsumgüterpreisinflation verursacht, ist der starke und anhaltende Rückgang der Geldumlaufgeschwindigkeit.

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3.6 Zinsen, Inflation und Preise (Asset-Price-Inflation)

Zum Phänomen der "Asset price inflation" konnte ich keine harten Daten finden. Das Thema wird entweder bewusst verschwiegen oder niemand interessiert sich dafür. Eine Ausnahme ist der Frankfurter Volkswirt Dr. Karl-Heinz Pitz, von dem eine Studie über das US Trade Defizit aus dem Jahre 2000 stammt. Nach Dr. Pitz steht seit 1980 einer sinkenden Konsumerpreisinflation eine wachsende Vermögenspreisinflation gegenüber.

Die Studie wird auf staatlichen Servern der USA veröffentlicht:
The U.S.Trade Deficit: A View from Europe, Dr. Karl H. Pitz, CenterAgendaConsulting, Frankfurt/Germany and Washington D.C., October 2000

Der folgende Chart (Quelle der beiden folgenden Charts) stellt die Inflation der Vermögenspreise seit über 50 Jahren dar.

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Pitz schreibt: "Wir sind seit 100 Jahren mit einem Trend steigender Inflation konfrontiert. Dabei hat die Inflation der Konsumgüterpreise stets die Diskussion beherrscht. Ab 1979 schiebt sich jedoch ein anderer Typ von Inflation in den Vordergrund: Die Inflation der Preise für Vermögensbestände und mit ihr die Kreuz-Formation der beiden Inflationsarten. Die Inflation der Konsumgüterpreise geht zurück bei gleichzeitigem deutlichen Anstieg der Vermögenspreise."

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Die wesentliche Ursache für die beschriebenen Kreuz-Formation ist das Vordringen der Finanzwelt im Allgemeinen und des Investment-Banking im Besonderen. Das Investment-Banking hat seine ganze Macht zunächst in der "New Economy" und danach mit der Produktion von Überschuss-Liquidität demonstriert.

3.7 FAZIT

Wir müssen zu einer Art Gleichgewichtswirtschaft oder zu verträglichen 0,1% p.a. Wachstum wie in der Bronzezeit zurückkehren, wenn das Anthropozän nicht das Ende sein soll.

Anhang – weitere Quellen zum Thema:
Dr. Jürgen Müller auf Youtube: "Warum 'Peak Oil' auch 'Peak Rohstoffe' bedeutet" – Teil 1 und Teil 2

David Graeber erklärt, warum am Anfang der Kredit stand und nicht das Geld. Aus jedem Kredit wird (wenn er nicht platzt) Geld. Kreditwachstum ist einer der Parameter, der im 20.Jhd außer Kontrolle geriet.

Bill Bonner beschreibt in einer Hommage für Jaques Rueff wie die Eliten (Zentralbanker) die Gewerkschaften (Arbeiter u. Angestellten) ausgetrickst haben.

Film und Buch I.O.U.S.A. von Addison Wiggin & Kate Incontrera aus dem Hause Agora Financial von 2008: Der Film ist wieder oder immer noch total aktuell, weil er die Schuldenproblematik der USA in einer einzigartigen Weise illustriert – Link zum Film.

Marc Faber: "Als die Fed 2008 mit Quantitative Easing 1 (QE1) begann, sagte ich, dass sie bis QE 99 weitermachen wird. Für mich kommt die “Nicht-Taper-Entscheidung“ also nicht überraschend. Allerdings hat dieses Gelddrucken zahlreiche unbeabsichtigte Konsequenzen und hilft der Wirtschaft im Grunde nicht. Vom Ankauf der Vermögensanlagen profitiert vielleicht 1% der Bevölkerung, die Superreichen."

Interview mit Dylan Grice [Edelweis Holding].
Frage: "In Anlehnung an den Schwarze-Schwäne-Erfinder Nassim Taleb titeln Sie in Ihrem letzten Marktkommentar für Edelweiss: 'Wie man vermeidet, zum Truthahn zu werden.' Wollen Sie Ihre Kollegen ärgern?"
Grice: "Gewiss nicht. Man sollte der Konkurrenz immer respektvoll begegnen. Es gibt dort einige sehr gescheite Leute. Eine Menge Marktbeobachter halten sich aber auch für fähig vorauszusagen, wann, wo und wie stark sich Kurse bewegen. Jeder, der Vermögen auf diese Weise treuhänderisch verwaltet oder sein Vermögen einer solchen Praxis anvertraut, ist meiner Meinung nach ein Truthahn. (…) Sie werden solche Truthähne oft sagen hören: Es besteht kein Inflationsrisiko, weil es heute keine Teuerung gibt. Natürlich ist es völlig offen, ob in Zukunft die Inflation zunimmt. Dennoch ist diese Logik schlicht verkehrt. Oder diese Leute erklären, Inflation sei zwar ein Risiko, doch man werde der Gefahr rechtzeitig aus dem Weg gehen. Da kann ich nur sagen: Viel Glück dabei. Es ist das Naturell von Krisen, dass man sie nicht kommen sieht."
Frage: "Die US-Notenbank Fed hält die Geldschleusen weit offen, damit die Wirtschaft Schwung gewinnt. Was sind die Risiken?"
Grice: "Um ehrlich zu sein, die Aufzählung aller damit verbundenen Risiken sprengt den Rahmen dieses Gesprächs."
Frage: "Dann geben Sie ein paar Stichworte."
Grice: "Ich würde damit beginnen, dass Inflation eines der am wenigsten verstandenen Konzepte der Ökonomie ist. Landläufig wird angenommen, dass sich Inflation durch Veränderungen der Konsumentenpreise messen lässt. Doch das ist nur eine Facette des ganzen Effekts. Das Verzerren der Geldmenge sowie des Werts einer Währung – und genau das ist es, was alle Zentralbanken einschliesslich der Schweizerischen Nationalbank tun – bläht alle möglichen Dinge auf: Vermögen, die Kreditnachfrage und –wohl am gefährlichsten– unsere Zukunftserwartungen. Geld ist der Kitt unserer Gesellschaft. Nach der Sprache ist Geld das wichtigste Medium, über das wir mit anderen Menschen kommunizieren und Vertrauen aufbauen. Wo immer die Inflation zunimmt, leidet auch das gegenseitige Vertrauen."
Frage: "Die Fed spielt ein riskantes Spiel?"
Grice: "Ich verstehe deren Logik schlicht nicht. Was wir heute sehen, ist eine Konsequenz jener Verzerrungen, welche die Fed vorher anzettelte. Die Euro-Krise, das Subprime-Debakel, die Tech-Blase und die Schwellenland-Krise der 1990er-Jahre: Sie alle haben ihren Ursprung in einer vorangehenden Krise. Und jede folgende Krise wird schlimmer, wie sich zeigt."
Frage: "Darum setzen Sie auf Gold. Doch dessen Preis ist in den letzten Monaten gerade deshalb stark gefallen, weil die Anleger nicht mehr mit einer schweren Krise rechnen, oder?"
Grice: "Selbstverständlich habe ich keine Ahnung, wo sich der Goldpreis hinbewegen wird. Hingegen weiss ich, dass Gold einige sehr nützliche Eigenschaften aufweist. Sein wichtigstes Merkmal ist sicher, eine nicht abwertbare Währung zu sein. Deshalb hat Gold als Zahlungsmittel eine längere Geschichte als jede andere Devise. Auf lange Sicht ist Gold deshalb die einzige Anlageklasse, die praktisch risikofrei ist."

Josef Plank spricht hier ausgesprochen nachdenkenswerte (und nachdenklich machende) Punkte an, die unsere langfristige Perspektive betreffen. Ein herzliches "Danke!" an unseren Gast-Autor!

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