Hussman: Markt kaum je überdehnter

Ende Juli hatte der S&P 500 ein Shiller-P/E von 24,6 ausgewiesen. Das historische Mittel liegt bei 16,48. Zu diesem Zeitpunkt notierten mehr Aktien oberhalb des Dreifachen ihres Buchwertes als zum 2000er Markt-Topp. Nach Marktkapitalisierung kleine Aktien und OTC-Papiere haben den S&P 500 in den zurückliegenden Monaten ausgestochen.

Das Barron’s Magazin sprach kürzlich von einer Goldenen Ära von IPOs, hauptsächlich kleinere Wachstumsfirmen würden das Börsenlisting suchen. Dieser ganze Enthusiasmus scheint ermutigend, schreibt John Hussman in einem Marktkommentar, aber den mit der Marktgeschichte Vertrauten sollten die ganzen spekulativen Indizien zusammenzucken lassen.

Hussman zitiert den früheren NYSE-Chef Bernard Lasker, der kurz vor dem Markt-Rutsch 1969-1970 sagte: „Ich fühle es kommen – eine neue Runde zerstörerischer Spekulation mit all den bekannten Stufen vom Blue-Chip-Boom hin zu kleinen Werten und dann zu OTC-Papieren und danach ein Schrott-Markt an neuen Aktien und schließlich der unausweichliche Crash. Ich weiß nicht, wann er kommt, aber ich fühle, er kommt und, verdammt, ich weiß nicht, was man dagegen tun kann.“

Hussman lässt auch den Wirtschaftshistoriker J.K. Galbraith ausführlich zu Wort kommen: Der hatte vor einigen Jahrzehnten in seinem Werk “A Short History of Financial Euphoria” das extrem kurze Gedächtnis des Finanzwesens beklagt. Finanzielles Desaster würde schnell vergessen, schrieb er, und wenn dieselben oder ähnliche Umstände dann wieder auftauchten, manchmal nach nur ein paar Jahren, so würden sie von einer übermäßig selbstbewussten Generation als brillante innovative Entdeckung willkommen geheißen. Erfahrungen der Vergangenheit würden hingegen als primitive Zuflucht jener angesehen, die keinen Einblick in die unglaublichen Wunder der Gegenwart hätten. Nirgends zähle die Geschichte so wenig wie in der Finanzwelt.

Einen Schutz dagegen gebe es, so Galbraith, nur in der klaren Wahrnehmung der Charakteristiken dieser Ausflüge in etwas, was man konservativ Massenwahn nennen müsse. Nur dann sei der Investor gewarnt und kann vor dessen Folgen bewahrt werden.

Spekulation entwickelt ihre eigene Dynamik, schreibt Galbraith. Die grundlegende Attitüde der Marktteilnehmer entwickelt dabei zwei Formen. Da sind zunächst jene, die davon überzeugt sind, dass es neue kurstreibende Umstände gibt und folglich erwarten, dass der Markt hoch geht und oben bleibt. Auf der anderen Seite sind jene, klüger und kleiner an Zahl, die glauben, den spekulativen Schub zu erkennen. Sie reiten die Aufwärtswelle und sind überzeugt, abspringen zu können vor dem Zusammenbruch des spekulativen Momentums.

Aber, so Galbraith weiter, der unausweichliche Zusammenbruch kommt nicht langsam und in kleinen Schritten. Wenn er kommt, trägt er das grimmige Gesicht des Deasters, weil beide Arten von Teilnehmern an der spekulativen Situation auf schnellen Aussieg programmiert sind. Irgendetwas triggert die ultimative Umkehr. Dabei spielt es nur eine geringe Rolle, was es ist, obwohl es heiß debattiert wird.

Hussman schließt an, aus seiner Sicht warteten hohe Verluste auf die Investoren, die die Lehren der Vergangenheit missachten, in dem Glauben, dass die Fed mit Quantitative Easing neue wirtschaftliche Prinzipien und permanente Sicherheit erfunden hat.

Keine Frage, seine auf historischen Lehren und Bewertungsmethoden beruhende Sicht habe während des noch nicht vollendeten aufsteigenden Teils des aktuellen Zyklus Ertrag gekostet, schreibt Hussman selbstkritisch. Aber die zurückliegenden Jahre haben ihn nicht dazu gebracht, sein Herangehen aufzugeben. Im Gegenteil, er fühlt sich gut gerüstet für das, was an Blasen, Crashs, Wachstum oder Rezession kommt. Das, was Investoren seit dem Spätjahr 2011 erlebt haben, ist genau das Szenario, was Galbraith meinte: Spekulanten denken, das gehe immer so weiter – bis zu dem Punkt, wo sie eines Besseren belehrt werden.

Aus seiner Perspektive sind die Abwärtsrisiken aktuell außerordentlich hoch. So würde beim S&P 500 dem historischen Mittelwert der Gewinne ein Indexkurs von etwa 960 entsprechen. (Anmerkung des Verfassers: Auf Basis des Shiller P/E ergäbe sich ein Indexstand von rund 1170 – Chartquelle).

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Bei einer Verzinsung von 2,6% für zehnjährige Treasurys wären Investoren mit etwa 2,8% jährlicher Aktienrendite über die nächsten zehn Jahre zufrieden. Der Markt sei kaum jemals überdehnter gewesen wie aktuell (siehe auch hier!), aber wenn gegenwärtige Bewertungen zusammenkommen mit günstigen Marktbedingungen und der Abwesenheit von Überkauftheit und über-bullischer Stimmung könnte der S&P 500 in einem Jahr auch noch höher stehen, schreibt Hussman.

Quantitative Easing hat dabei sicherlich die Konsequenzen von stark überbewerteten und übekauften Bedingungen besonders seit dem Spätjahr 2011 abgefedert, aber einige ähnliche Konstellationen wie 1929, 1972, 1987, 2000 und 2007 sind schon böse geendet.

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