Die Aktienbörsen stehen unter Druck wie seit 2011 nicht mehr. Fed-Chef Bernanke hat am zurückliegenden Mittwoch angekündigt, die Notenbank könnte Ende des Jahres damit beginnen, die QE-Maßnahmen zurückzufahren, wenn die Konjunktur so weiter läuft wie bisher. Schon vor vier Wochen hatte er Ähnliches in einer Rede vor einem Kongressausschuss angedeutet.
Damals, am 21. Mai, hatte der S&P 500 bei knapp 1670 ein neues Allzeithoch fabriziert und dann an einer aus November 2008, bzw. April 2010 herrührenden Aufwärtslienie abgeprallt. Diese bildet mit einer Aufwärtslinie aus November 2012 eine Bärkeil-Formation, diese untere Begrenzung befindet sich aktuell im Test. Heute wurde intraday ein aus Oktober 2007 stammendes Hoch bei rund 1565 von oben getestet, was eine kleine Gegenbewegung einleitete. Ein weiteres bärisches Zeichen ist die Tatsache, dass der Index markant unter seine EMA50 gesunken ist.
Viele Akteure an den Finanzmärkten schien das zu Erwartende zu überraschen. Also wurden Aktien, Anleihen und Gold in großem Stil verkauft. Der VIX, auch bekannt als Angstmesser der Wall Street überstieg am Donnerstag zum ersten Mal in diesem Jahr die Marke bei 20. Zum erratischen Handelsverlauf trug der große Hexensabbat am zurückliegenden Freitag bei, der VIX schloss aber wieder unter 20.
Die Rendite der US-Staatsanleihen steigt schon seit Anfang Mai von 1,75% aus deutlich an, sie schloss am Freitag bei über 2,5%. Ende Juli 2012 hatte sie bei 1,43% ein historisches Rekordtief markiert.
Zum Bernanke-Anlass kamen schlechte Nachrichten aus China. Ein Index der HSBC-Bank zur Industrieproduktion entwickelte sich schwächer als erwartet. Das drückte auf die Rohstoff-Preise. Probleme am chinesischen Interbankenmarkt lassen die Geldmarktzinsen kräftig steigen. Offizielle Berichte sollen die Bereitschaft der Regierung zeigen, den Schattenbanken-Sektor einzudämmen. Deswegen halte die People's Bank of China auch die Versorgung der Geldmärkte mit frischem Geld zurück, heißt es.
Chinas Banken haben über 1,5 Bill. Dollar über teils dubiose Finanzierungsvehikel an lokale Regierungen ausgeliehen – in der Hoffnung, der Staat werde einspringen, wenn die Kredite notleidend werden. In den zurückliegenden zwei Quartalen wurden rund 1,6 Bill. Dollar, mehr als 20% des BIP, an neuen Krediten in die Wirtschaft gepumpt – und das bei sinkenden Wachstumsraten.
Der Hang Seng Index ist nach einem Ende 2012 gestarteten Fehlausbruch über die Oberseite einer aus Anfang 2009 herrührenden Dreiecksformation aktuell an deren unterer Begrenzung angekommen. Ein Bruch dürfte erhebliches Abwärtspotenzial signalisieren.
Gegenwärtig kauft die Fed monatlich für 85 Mrd. Dollar Hypotheken- und Staatsanleihen und schöpft damit im gleichen Umfang Geld. Bernanke deutet an, dieses QE-Programm ("Quantitative Easing") könnte zum Ende des Jahres zurückgefahren und Mitte 2014 ganz eingestellt werden. Anschließend dürfte auch der Leitzins von derzeit knapp über null Prozent wieder ansteigen – erwartet wird dies für Anfang 2015.
Die QE-Maßnahmen hatten die Renditen für als sicher geltende Staatsanleihen so stark sinken lassen, dass institutionelle Investoren, die bei relativer Sicherheit Erträge erwirtschaften wollten, auf Aktien mit hohen Dividenden, auf Aktien aus defensiven Sektoren, auf Investitionen in Schwellenländern oder zeitweilig auch auf Gold ausgewichen sind. Wenn die Zinsen z.B. für US-Staatsanleihen nun nachhaltig steigen, dürfte das Geld aus diesen Anlageklassen wieder abgezogen werden.
Das scheint jetzt zu geschehen. Der Goldpreis brach durch eine Unterstützungszone bei rund 1320, notiert so tief wie im September 2010 und testet aktuell die Untergrenze eines Abwärtskanals.
Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen steigt im Verein mit US-Treasurys, stärker noch steigen die Zinsen z.B. für spanische und italienische Papiere. Viele Anleger waren in der Vergangenheit in ihrem Rendite-Hunger auf solche riskantere Anleihen ausgewichen und nehmen jetzt Gewinne mit.
Auch die Finanzmärkte in den Schwellenländern außerhalb Chinas stehen erheblich unter Druck, sie hatten schon zuvor eine Underperformance insbesondere gegen US-Aktien gezeigt. Aus Fonds mit dem Fokus auf Schwellenstaaten fließt zurzeit so viel Geld ab wie seit Jahren nicht. Der Dollar-Index zeigt seit April 2011 einen Aufwärtstrend – offenbar erscheint es insbesondere US-Kapital verlockender oder zumindest sicherer, in den USA Anlage zu suchen.
Marc Faber äußert die Vermutung, der Goldpreis könnte einen deflationären Kollaps aller Anlageklassen anzeigen. Dem könnten Fed & Co in absehbarer Zeit mit noch umfangreicherem Gelddrucken begegnen, was Anlagen in Gold erneut sinnvoll machen dürfte. Die Inflationsdaten der jüngeren Zeit zeigen in der Tat eher abnehmenden Inflationsdruck an. Dass die Treasury-Zinsen dennoch steigen, hängt mit den Erwartungen hinsichtlich QE-Zukunft zusammen. Die US-Inflations-Erwartungen, gebildet aus der Differenz zwischen nominalen und realen 10-jährigen Zinsen sinken seit Februar 2013, zuletzt beschleunigt. Der schwache Goldpreis bestätigt das.
Die grundlegende Frage wird sein, ob die US-Wirtschaft wieder die Lokomotive der Weltwirtschaft wird spielen können, nachdem die Hoffnungen auf eine markante Zugkraft der chinesischen Wirtschaft nicht mehr so recht sprießen wollen. Und hierbei stellt sich die Frage, wie die US-Realwirtschaft mit steigendem Zinsniveau zurecht kommt, wobei insbesondere der Immobilienmarkt eine wichtige Rolle spielt, der für ein bis zwei Prozent jährliches Wirtschaftswachstum verantwortlich ist.
Der Hinweis von Faber auf einen möglichen, sich auch auf die Realwirtschaft erstreckenden deflationären Kollaps ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Steigende Zinsen sind jedenfalls hierfür kein Gegenargument. Sie wurden durch QE künstlich gedrückt und sind nun lediglich durch die Erwartung eines QE-Endes entfesselt. Das eine hat so wenig mit einem realwirtschaftlichen Hintergrund zu tun wie das andere.
Ein deflationärer Kollaps würde es in der Logik der Notenbanken erst recht erforderlich machen, die Wirtschaft mit Geld zu fluten. Mit dem aktuell steigenden Zinsniveau bekommt sie wieder etwas Boden unter die Füße, damit eine neuerliche Geldflut überhaupt noch Wirkung zeigen kann.
Angesichts schwacher Inflationsdaten und Inflationserwartungen dürfte die US-Wirtschaft mit steigenden Zinsen schwerlich zurechtkommen.
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