Das kommt mir spanisch vor

Die spanische Wirtschaftsleistung ist im dritten Quartal um 0,3% gesunken. Im Juli und August lief es wegen vorgezogener Anschaffungen etwas besser als erwartet – die Mehrwertsteuer wurde im September von 18 auf 21% erhöht. Die Strafe folgte auf dem Fuß: Im September gingen die spanischen Einzelhandelsumsätze im Jahresvergleich um 12,6% zurück. Die letzte Spitze bei den Einzelhandelsumsätzen war 2007 erreicht worden, seitdem sind sie um 27,4% zurückgegangen.

Die etwas besser als erwartete Entwicklung schlug sich in einer leichten Entspannung bei der Entwicklung des Haushaltsdefizits der spanischen Zentralregierung nieder – sie beträgt für die ersten neun Monate 2012 4,4% des BIP. Bis einschließlich August hatte der Fehlbetrag 4,8% des BIP ausgemacht. Mit der EU war abgemacht, dass das Defizit der Zentralregierung im Gesamtjahr max. 4,5% des BIP betragen darf. Zu den Schulden der Zentralregierung kommen noch die der Regionen hinzu. Nach sechs Monaten hatten die 17 Regionen neue Kredite im Umfang von 0,8% des BIP aufgenommen. Aktuellere Daten liegen nicht vor. 2012 darf die Verschuldung des Landes inklusive Regionen bei 6,3% des BIP nicht überschreiten – so will es Brüssel. Darin ist die Hilfe für die strauchelnden Banken noch nicht eingerechnet – und soll es nach Möglichkeit auch nicht.

Die Mehrwertsteuer-Erhöhung half, das Staats-Defizit etwas zu reduzieren, trieb aber gleichzeitig die Inflation an – sie stieg im Oktober nach vorläufigen Zahlen um 3,5% im Jahresvergleich. Vor drei Monaten waren noch 2,2% Preissteigerung registriert worden. Es wird damit gerechnet, dass die Spitze der Inflation erreicht ist, weil der Effekt vorgezogener Käufe wegfällt und weil gleichzeitig die wirtschaftliche Lage so verheerend ist.

Der IWF veranschlagt aktuell für Spanien in 2012 einen BIP-Rückgang von 1,5%. Hoffnung auf einen Umschwung sind nicht erkennbar, auch wenn die Regierung für 2013 eine lächerlich optimistische Prognose abgegeben hat. Je länger die Rezession andauert, je stärker kommt das spanische Bankensystem in Bedrängnis, das schon unter der geplatzten Immobilienblase ächzt. Die „nonperforming loans“ spanischer Banken waren im August auf über 10% gestiegen. Im Jahresvergleich sind sie um 40% auf fast 180 Mrd. Euro angewachsen (Chart hier).

Die verstaatlichte Bankia hat in den ersten neun Monaten des Jahres 7,05 Mrd. Euro Verlust gemacht. Hintergrund sind Rückstellungen in Höhe von 11,5 Mrd. Euro wegen fauler Immobilienkredite. Die Verluste für 2012 werden insgesamt auf 10 Mrd. Euro geschätzt. Die Kernkapitalquote lag Ende Sep bei 4,7%, weit unter dem erforderlichen Minimum von 8%.

Die zweitgrößte spanische Bank BBVA hat wegen hoher Abschreibungen auf Immobilienanlagen in den ersten neun Monaten 47% weniger Gewinn verbucht und einen Ergebniseinbruch auf 1,66 Mrd. Euro gerechnet. Vor Rückstellungen habe ein Gewinn von neun Mrd. Euro in den Büchern gestanden, teilte die Großbank mit.

Die Regierung in Madrid hält sich weiter mit einem offiziellen Bailout-Antrag zurück. Sie pokert im Bewusstsein ihres großen Gewichts um komfortable(re) Bedingungen. EZB-Draghi würde lieber heute als morgen sein OMT-Programm aktivieren.

Hierzu weist Ralph Atkins in der FT auf ein bisher wenig bemerktes Detail hin. Im Rahmen des OMT-Programms angekaufte Bonds müssen nicht zwingend bis zur Fälligkeit gehalten werden wie beim SMP-Programm. Das eröffne zwar die Möglichkeit für ein QE-ähnliches Programm, schreibt er. Aber da zugleich sterilisiert werden soll, wäre seine Wirkung letzten Endes dennoch wirtschaftlich neutral – und damit eben kein QE-Programm. Er sieht die Gefahr für die Eurozone in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, gegen die es gegenwärtig keine geeigneten Instrumente wie etwa ein „richtiges“ QE-Programm gibt.

Wolfgang Münchau schreibt in der FT, Spanien werde wie Portugal und Griechenland in ein schwarzes Loch fallen, wenn die Regierung weiter versucht, ein Schuldenproblem des privaten Sektors per Austerität des öffentlichen Sektors zu lösen. Wenn bei staatlichen Einsparungen von 10% des BIP (über einige Jahre verteilt) ein Multiplikator von 1,5 zu veranschlagen ist, so kommt eine Kontraktion des BIP von 15% heraus – wahrscheinlich sogar mehr, weil die Verluste der Banken in einer Depression besonders hoch ausfallen, ohne dass sie an anderer Stelle absorbiert werden können. (Die Multiplikator-Thematik wird im aktuellen World Economic Outlook des IWF diskutiert – siehe auch hier).

Die Vorfreude von Rajoy auf einen Platz unter dem ESM-Schirm dürfte auch durch die aktuellen Vorgänge um Griechenland nicht gerade gesteigert worden sein. Hier gewinnt die Idee eines Sperrkontos Freunde. Damit soll sichergestellt werden, dass der größte Teil der (neuen) Kredite in die Schuldentilgung fließt und Druck ausgeübt wird, die von der Troika aufoktroyierten „Reformen“ umzusetzen, sowie die Korruption einzudämmen.

Wenn das so weitergeht, wird George Soros nicht nur in Griechenland helfen müssen, Suppenküchen einzurichten und Decken zu verteilen (h/t Eurointelligence).

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