Es war nicht anders zu erwarten. Der Anfang Dezember auf dem xten EU-Krisengipfel beschlossene europäische Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin ist in seinem mittlerweile dritten Entwurf weiter verwässert worden.
So wird z.B. den Ländern der Eurozone jetzt deutlich mehr Zeit zum Schuldenabbau eingeräumt als ursprünglich vorgesehen. Es geht dabei um die so genannte Ein-Zwanzigstel-Regelung, nach der ein Land pro Jahr ein Zwanzigstel des über die Gesamtverschuldung von 60% des BIP hinausgehenden Schuldenstands abbauen soll. Das wären z.B. für Italien drei und für Deutschland ein Prozent des BIP pro Jahr.
In der dritten Fassung des Vertragsentwurfs für einen Fiskalpakt werden jetzt „Ausnahmen“ genannt, womit diese Regel mehrere Jahre lang umgangen werden kann. „Dies würde bedeuten, dass für diejenigen 14 Staaten des Euro-Währungsgebietes, die einem Defizitverfahren unterliegen, die Ein-Zwanzigstel-Regelung erst nach Ablauf des Übergangszeitraums Anwendung finden würde“, zitiert das Handelsblatt ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Der Übergangszeitraum soll drei Jahre betragen.
Aufgeweicht soll auch an anderer Stelle werden: Spaniens Finanzminister hat die EU-Kommission aufgefordert, die Ziele für den Abbau des Haushaltsdefizits zu lockern. Die konjunkturelle Lage habe sich grundlegend geändert, argumentiert er. „Als man festgelegt hatte, dass Spanien seine Neuverschuldung in diesem Jahr von 6,0 auf 4,4% senken soll, war man von einem Szenarium mit wirtschaftlichem Wachstum ausgegangen und nicht von einer Rezession.“ Madrid halte die Prognose des IWF für realistisch, wonach die spanische Wirtschaftskraft in 2012 um 1,7% sinken wird.
Und geschachert wird auch: Italiens Chef-Finanz-Techniker und Premier Monti verlangt eine Verdoppelung des ESM als Gegenleistung für seine Reformen. EZB-Chef Draghi stößt in dasselbe Horn, er fordert, ESM und EFSF parallel laufen zu lassen. Frau Merkel sagte zwar zunächst „non“, scheint aber jetzt bereit, EFSF und ESM zu verschmelzen. Die EFSF verfügt über eine freie Finanzierungskapazität von bisher nicht für Irland und Portugal ausgegebenen 250 Mrd. Euro.
Und gegackert wird auch: Die Grünen fordern im Bundestag eine Aktuelle Stunde, in der Merkel die Widersprüche zwischen ihrer Ankündigung eines "Fiskalpakts mit Biss" und dem jetzigen Entwurf erklären soll. Sie mäkeln ohnehin: „Notwendige Schritte wie eine Banklizenz für den Rettungsschirm, Eurobonds oder Schuldentilgungsfonds fehlen (…).“ Vielleicht erklären sie in der Aktuellen Stunde dann auch, was Eurobonds mit Haushaltdisziplin zu tun haben.
Das Bild der Eurozone ist 2012 unverändert: Es wird gegackert und geschachert und angekündigt und zurückgerudert. Und die Grünen sorgen sich in einer Presseerklärung um die „Märkte“: Die Verwässerung des Fiskalpakts „führt zu mehr statt weniger Verunsicherung auf den Märkten.“ Verunsichert wären die „Märkte“ vielleicht, wenn die Fiskalunion so zustande kommen würde, wie vor dem EU-Gipfel im Dezember vollmundig angekündigt. So aber, vor allem mit der tatkräftigen Liquiditätshilfe der EZB, ist für die „Märkte“ vorerst alles in Ordnung.
Nachtrag:
(31.1.12) Gestern wurde der "Fiskalpakt" auf einem EU-Gipfel beschlossen. 25 von 27 Ländern sind dafür, England und Tschechien sind dagegen.
Daniel Gros, Direktor der Brüsseler "Centre for European Policy Studies", urteilt: "Dieser ganze Fiskalpakt kommt mir wie ein Sturm im Wasserglas vor. Er schreibt nur fest, was schon zehnmal vereinbart wurde und schon im Stabilitätspakt steht. Deswegen wird dieser neue Schuldenpakt wohl nicht viel erreichen. Und die Schuldenbremse? Es ist jetzt nur noch davon die Rede, dass die Länder eine Schuldenbremse mit Verfassungsrang haben sollten. Aber wenn nicht, dann halt nicht."
Eine Frau Merkel, Deutschland, sagt: "Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt zu einer Stabilitätsunion ist. Und dass dies auch gerade für die, die Europa und die Eurozone von außen betrachten ganz wichtig ist, dass wir uns zu diesen zusätzlichen Verpflichtungen bekannt haben."
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