Bundespräsident Wulff wird vom Handelsblatt mittlerweile als Pattex-Präsident bezeichnet. Pattex klebt ja bekanntlich fast alles, auch Holz. Zu „Holz“ fällt mir vieles ein… Auch das: Als Holzkopf wird jemand bezeichnet, der mit unbelehrbarer Sturheit geschlagen ist.
Die „Causa Wulff“ wird seit Wochen von den Medien rauf und runter geschrieben. Gerade so, als ob es nichts Wichtigeres gibt. Zweifellos hat sie mit dem Versuch, eine unliebsame Berichterstattung über einen privaten Hauskredit per Drohung („Krieg“) zu verhindern -noch dazu via Anrufbeantworter-, eine neue, fast schon abenteuerliche Dimension erreicht.
Schauen wir auf die beiden Beteiligten – Wulff und Medien.
Zunächst Wulff:
Stellen wir uns vor, der gegenwärtige Bundespräsident wäre ein souveräner Charakter. Dann hätte er beim ersten Anzeichen, dass die Medien auf ihn schießen, die Hosen runter gelassen und zwar komplett, auch gleich seinen Drohanruf bei der Bild-Zeitung öffentlich gemacht. Dann wäre die Sache schnell erledigt gewesen. Jeder hätte ihm abgenommen, dass er Fehler gemacht, diese eingesehen und bereut hat. Er hätte eine zweite Chance verdient.
Statt dessen gibt er immer nur bestenfalls das zu, was sowieso bekannt ist und überlässt damit gleich den nächsten Zug und die Initiative insgesamt der Gegenseite.
Warum macht er das so? So dumm wird er nicht sein, dass er sich nicht selbst ausmalen könnte, dass dies keine gute Strategie ist. Zumal es aus jüngerer Vergangenheit „Vorbilder“ gibt: So hat es zu Guttenberg probiert und ist damit auch gescheitert.
Ich denke, ein Grund für ein solches Verhalten liegt darin, dass diese Herren (oder Damen) der Auffassung sind, sie könnten sich alles erlauben. Ihnen ist in ihrem Politikerdasein das Gefühl abhanden gekommen für die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Sie wähnen sich allem überlegen, glauben, alles sei machbar. Sie verrennen sich in diesem Glauben, verlieren den Bezug zur Realität.
Solchen Herren (und Damen) ist der ("telegene") Anschein das wichtigste. Wenn jemand am Lack kratzt, wird der schnell ausgebessert, um den Schein zu wahren. Es ist wie bei der automobilen Rostlaube – der Rost unter dem Lack geht dadurch nicht weg, er bricht an anderer Stelle wieder auf. Aber statt zu eigenen Fehlern zu stehen und daraus zu lernen, bekommen andere die Schuld. Z.B. die Medien.
Die Medien, der zweite Beteiligte an der „Causa“, haben solche Persönlichkeiten „gern“. Sie sind Wachs in ihren Händen, Bauern auf dem Schachbrett ihrer redaktionellen Zielsetzungen. Und wie beim Schach gibt es eben Bauernopfer. Sie protegieren solche Personen eine zeitlang, heben sie aufs Schild – und lassen sie wieder fallen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. So demonstrieren die Medien auch ihre Macht – Mahnung an die anderen „Bauern“, sich wohl zu verhalten.
Das Aufbauschen solcher Nichtigkeiten wie es die Causa Wulff am Anfang war, hat noch einen anderen Zweck: Große Themen landen unter "ferner liefen", kleine werden zu ganzseitigen Schlagzeilen aufgeblasen. Man lenkt ab von wichtigen Themen. Wie z.B. von der Eurokrise. Und so bekomme ich „elegant“ die Kurve zu ein wenig "Verschwörungstheorie":
Wulff wurde Bundespräsident von Merkels Gnaden (im dritten Wahlgang). Merkel braucht jemanden, der im Rahmen der Eurokrise zu allem „ja und amen“ sagt. Schließlich muss der Bundespräsident die von Regierung und Bundestag geschaffenen gesetzlichen Grundlagen für die ganze Euro-Retterei auf Steuerzahlers Kosten unterschreiben. Ja, es gab mal eine kritische Rede von Wulff zu diesem Thema. Unterschrieben hat er trotzdem. Der Springer-Verlag, federführend bei der „Causa Wulff“, wiederum geht zunehmend in die Opposition zu dieser Politik. Und schießt erst einmal gegen den schwächsten Pfeiler…
Die „Causa“ –und damit komme ich nochmals auf die Person zurück- hat mit Wulffs Drohung zur Verhinderung der Veröffentlichung unliebsamer Berichterstattung (Wortlaute gestern bei „Jauch“ (ARD), heute z.B. im neuen „Spiegel“, Bericht bei Welt-online) einen neuralgischen Punkt getroffen. Jetzt geht es auch um Freiheit der Presse, einer der Säulen unseres Gesellschaftssystems.
Wulff kann übernachten, wo er will. Er kann Kredite nehmen, von wem er will. Aber er darf die Öffentlichkeit nicht an der Nase herumführen und er muss die Freiheit der Presse respektieren.
Wulff ist in seiner „telegenen“ Persönlichkeit und in seiner Doppel-Moral ein Symptom für unsere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die sich solche Personen an ihrer Spitze leistet, hat ihre besten Zeiten hinter sich.
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