Der S&P 500 steigt weiter – ein Wochengewinn von 2,5% und die siebte Gewinnwoche in Folge. NDX und Nasdaq Composite steigen ebenfalls. Der Dow kommt mit +2,9% auf ein Allzeithoch. Der DAX hält sich knapp an seinem Allzeithoch.
Die Ölpreise gewinnen. Der CRB-Rohstoffindex kann ebenfalls Boden gut machen. Gold und Silber steigen wieder.
Die US-Renditen mit längeren Laufzeiten verlieren deutlich. Der Dollar leichter, Euro/Dollar legt zu, die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen verlieren weiter. Die Spekulation auf eine Straffung der Geldpolitik nimmt Fahrt auf. Das stützt den Yen. Das hier vor kurzem angesprochene Szenario eines großen Doppel-Topps bei Dollar/Yen bei rund 150 wird immer wahrscheinlicher.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt um weitere 7,7%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), gewinnt 5,3%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, auf Wochensicht +9,1%.
Der Rendite-Spread am langen Ende bleibt leicht positiv. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum nimmt jedoch deutlich zu. Die negative Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR vergrößert sich. Nach der FOMC-Sitzung am Mittwoch festigt sich die Erwartung, dass das Leitzins-Topp erreicht ist und die Fed zeitig im kommenden Jahr beginnt, die Leitzinsen zu senken.
Fed-Chef Powell bekräftigte am Mittwoch, man sei bereit, die Leitzinsen zu senken. Vor zwei Wochen klang das noch völlig anders. Seinerzeit sagte er, es sei noch zu früh über Senkungen des Leitzinses zu sprechen. Der am Mittwoch veröffentlichte „dot plot“ der Fed zeigt, dass die Fed-Offiziellen in 2024 im Mittel drei Zinsschnitte zu je 0,25% erwarten, also dann einen Leitzins 4,6%.
Die Prognose der Fed für den PCE-Preisindikator kommt auf 2,4%. Daraus würde ein realer Leitzins per Ende 2024 von 2,2% resultieren, was immer noch restriktiv wäre. Der Ausblick auf das BIP-Wachtum wird für das kommende Jahr von 1,5% auf 1,4% gesenkt. Die meisten Volkswirte erwarten jetzt eine erste Zinssenkung im März 2024.
Die Veröffentlichung des US-CPI für November brachte keine Überraschungen, die Inflation ist demnach um 0,1% auf 3,1% gesunken. Die CPI-Kernpreisinflation liegt im November unverändert bei 4,0%. Der PPI (PPIACO – Rohstoffe) sinkt im November im Jahresvergleich um 3,6%.
Die bereits deutlich gesunkenen Renditen und die Aussicht auf sinkende Leitzinsen lässt Aktien von hoch verschuldeten Unternehmen steigen. Aber auch diejenigen Firmen profitieren, deren Erzeugnisse in der Regel per Kredit finanziert werden. Das führte z.B. zu deutlichen Kursgewinnen im Kfz-Sektor. Auch die Hersteller von Investitionsgütern gewannen. Der konjunktursensible Chemiesektor zog ebenfalls Aktien-Käufer an.
Die Marktteilnehmer glauben offenbar, dass sinkende Zinsen die Wirtschaft beleben und blenden die andere Möglichkeit aus, dass die Fed damit einem Abschwung begegnen will. Genau davor warnt die jetzt wieder erstarkte Inversion der Zinsstruktur. Sie führt auch dazu, dass das Kreditgeschäft der Banken immer weniger profitabel wird. Das dadurch verminderte Kreditangebot bremst den Zinsrückgang in der Realwirtschaft.
Eine inverser werdende Renditekurve führt nicht automatisch zu einer Rezession. Sobald aber die wirtschaftlichen Akteure eine deutliche Verlangsamung der Wirtschaft feststellen, rechnen sie mit weiteren Zinssenkungen der Fed. Das verstärkt die Inversion v.a. am kurzen Ende und generiert ab einem bestimmten Ausmaß ein Rezessionssignal. Anfang Mai lag der negative Spread am kurzen Ende des Spektrums bei 1,85%, über das gesamte Spektrum bei 1,5%. Diese Niveaus dürften bei der weiteren Entwicklung wichtig werden.
Der Zinssatz für 10-jährige US-Staatsanleihen (TNX), hat mittlerweile das 62er Retracement der Aufwärtsbewegung aus Mitte Mai erreicht und notiert knapp darunter. Er hat am Donerstag eine kleine Abwärtslücke gerissen. Die Abwärtsbewegung ist intakt, so lange die Oberseite des Kanals nicht signifikant überwunden wird (Chartquelle).
Als Reflex auf die FOMC-Sitzung ist die Rendite für Ramschanleihen von 3,79% auf 3,47% eingebrochen und notiert damit so tief wie seit Anfang Februar nicht mehr. Das unterstreicht die zunehmende Risiko-Bereitschaft.
Die Investitionsquote der US-Fondsmanager liegt kaum verändert bei 78%. Bei den US-Privatanlegern zeigt die Bulle/Bär-Differenz der AAII mit 24% (nach 20% in der Vorwoche) einen verstärkten Bullenüberhang an. Das Put/Call-Verhältnis liegt in den USA seit Ende November unter eins, zuletzt stand es bei 0,77. Der Quotient aus SPX und VIX eignet sich gut zur Einschätzung der breiten Marktstimmung. Er befindet sich fortlaufend auf einem bullischen Extrem, Gier („Greed“) ist stark ausgeprägt. Der Wert generiert seit dem 2. November durchgehend ein bullisches Signal. Von der Stimmung her ist weiterhin Party angesagt.
David Rosenberg zufolge hat es seit 1950 14 Zinserhöhungszyklen der Fed gegeben. Elf davon mündeten in eine Rezession. Der jüngste Zinserhöhungszyklus war der schnellste und aggressivste der vorherigen 14. Eine „sanfte" Landung ist aus seiner Sicht unwahrscheinlich. Rosenberg sagt auch, dass man bei der ersten Zinssenkung keine Aktien kaufen sollte. Der durchschnittliche Rückgang ab dem Zeitpunkt der Zinspause der Fed bis zum endgültigen Tiefstand des S&P 500 beträgt 25% (Median liegt bei -20%).
In der Vergangenheit haben die Märkte ihren Tiefpunkt erreicht, wenn die Fed den Zinssenkungszyklus zu 70% durchlaufen hat, was in der Regel etwa 16 Monate nach der Zinspause der Fall ist. Wenn wir dieses Mal demselben Muster folgen, würde der Markt seinen Tiefpunkt irgendwann in 2024 erreichen. Rosenberg: „Lassen Sie die Zinspause der Fed und die erste Zinssenkung links liegen (aber kaufen Sie die letzte Senkung)."
Die Marktteilnehmer gehen wie oben dargestellt davon aus, dass eine Zinssenkung durch die Fed positiv zu werten ist. Manche verweisen dabei auf 1995. Aber damals waren weder die Bewertungen noch die Verschuldung so hoch wie heute. Aktien sind nach wie vor überbewertet (nach Shiller/Cape 31,92), wenn auch nicht mehr so stark wie Ende 2021 (38,58). Im Verhältnis zur Anleiherendite, sie kommt auf 25,5, steht die Aktien-Bewertung schlechter da.
Nachfolgend eine Abschätzung der Überbewertung von US-Aktien. Zur Anwendung kommt der Buffett-Indikator, der das nominale BIP mit der Marktkapitalisierung bei Aktien vergleicht. Die blaue Linie ist der geschätzte Wert von 4300 US-Stammaktien. Oberhalb der steigenden gepunkteten Trendlinie ist der Aktienmarkt überbewertet, unterhalb ist er unterbewertet. Berkshire Hathway, das Unternehmen von Warren Buffett, sitzt auf rekordverdächtigen Bargeldbeständen.
Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4719,19 geschlossen. Damit hat nun das Hoch vom 27. Juli klar überwunden. Das wird untermauert durch das in den zurückliegenden Tagen deutlich angestiegene Handelsvolumen. Damit ist auch die in der Vorwoche aufgeworfene Frage vom Tisch, ob hier ein Doppel-Topp entstehen könnte, eine klassische Formation für eine Korrektur. Es dürfte nun nicht viel dagegen sprechen, dass der Index auch noch zügig weiter läuft zu seinem Allzeithoch bei intraday 4819 von Anfang Januar 2022. Dort angekommen, lässt sich die Frage nach einem Doppeltopp und seinen Folgeerscheinungen erneut stellen (Chartquelle).
Nimmt man dieses Allzeithoch aus Anfang 2022 als Endpunkt des Aufwärtsimpulses aus Ende Oktober an, fallen dessen Retracements mit wichtigen Pegeln zusammen. Mal schauen, ob die Konstruktion funktioniert…
Auf der Unterseite ist der Pegel bei 4600 (Hoch aus Ende Juli) zu nennen, darunter verläuft bei rund 4550 ein kurzfristiger statischer Pegel. Aber da der S&P 500 nur noch knapp von seinem Allzeithoch entfernt ist und u.a. saisonale Faktoren weitere Stärke begründen, dürfte der Index eher bald die Zone von 4800+ erreichen.
Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo im Wochenvergleich wieder zunehmend bullisch. Die Volumenverteilung ist in Akkumulation, jetzt mit Tempoverlust. Der Anteil der Anzahl bullischer Aktien (ADL) stützt die Bullen, die Markbreite nach TRIN ist leicht bullisch. Das Verhältnis von SPX zu VIX wird immer extremer. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen internationalen Aktienindices) läuft auf sehr bullischem Niveau seitwärts.
Der VIX, Angstmesser an Wall Street, notiert weiter unterhalb von 12,75, einem Pegel, der zuletzt zwischen November 2019 und Januar 2020 unterschritten wurde. Der nächste Support liegt bei rund 11,80. Der Index-Verlauf signalisiert zusammen mit der tatsächlichen Volatilität im S&P 500 Selbstzufriedenheit („ditch of ignorance"). Die Wahrscheinlichkeit eines Volatilitätsausbruchs nimmt zu.
Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien weit überwiegend bullische Merkmale. Aus dieser Sicht spricht einiges dafür, dass die bullische Bewegung noch etwas anhält bis bärische Merkmale vollständig verschwunden sind. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 zeigt übergeordnet eine Abwärtsbewegung bis an 4500 heran. Allerdings ist die Plausibilität für ein solches Szenario gegenwärtig gering, das Zyklusgerüst hinter dem Kursgeschehen ist instabil.
Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.
Alles spricht für eine starke bullische Übertreibung – der Herdentrieb befeuert sich selbst. Im NDX spielte das gesamte Jahr über die entscheidende Musik. Er hat sein jüngstes Hoch bei rund 16600 vom Jahresende 2021 mittlerweile erreicht. Für die kommenden paar Tage gehe ich zunächst von einer unruhigen Seitwärtsbewegung bei Aktien aus, in der die starken Gewinne der zurückliegenden Tage verdaut werden.
Ergänzung
Noch zur Kehrtwende von Fed-Chef Powell, der in den zurückliegenden zwei Wochen von „zu früh, über Zinssenkungen zu reden“ auf jetzt „drei Zinsschritte in 2024“ umschaltete (siehe oben!): Vielleicht gibt es gar kein Rätsel, vielleicht hatte das, was in den letzten zwei Wochen geschah, nichts mit Wirtschaftsdaten zu tun, sondern mit… Anrufen aus dem zunehmend verärgerten Weißen Haus, nachdem es die neuesten Umfragedaten gesehen hatte. Die bescheinigten Biden trotz des Wunders der „Bidenomics" den größten Abstand gegenüber Trump.
Also beschloss das Wei0e Haus, sein letztes politisches Register zu ziehen, und ein Hinterzimmergespräch mit dem Fed-Vorsitzenden zu führen, in dem es deutlich machte, dass es in jedermanns Interesse ist, wenn die Fed ihre Straffungskampagne beendet und dem Markt mitteilt, dass Zinssenkungen bevorstehen. Dies würde sicherlich erklären, warum die Fed, obwohl sie den für 2026 prognostizierten Leitzins unverändert bei 2,875% beließ, ebenso unerwartet beschloss, eine volle Zinssenkung aus dem Nicht-Wahljahr 2025 herauszuziehen und in das Vorwahljahr 2024 zu verschieben. (Siehe hier!)
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