S&P 500 – Bullen wieder vorne?

Der S&P 500 beendet eine vier Wochen währende Verlustserie. Aktien stiegen am zurückliegenden Freitag deutlich an. Die Zahl der Arbeitsplätze ist in den USA im September so stark gestiegen wie seit acht Monaten nicht. Das kam unerwartet, aber man hätte es wissen können.

NDX und Nasdaq Composite führten die Rally an. Gold und Silber weiter unter Druck, die hohen Renditen machen eine Anlage hier „teuer“. Die Ölpreise verloren auf Wochensicht mehr als acht Prozent. Auch der CRB-Rohstoffindex lief die dritte Woche in Folge schwächer.

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Die US-Renditen zeigten sich fest, die der 10yr-TNotes stieg deutlich an auf ein frisches 16-Jahres-Hoch. Auch die Rendite der 2yr-TNotes legte zu, wie auch die der 13wk-TBills. Der Dollar zeigt nach elf Wochen erstmals leichte Schwäche, Euro/Dollar schafft ein kleines Wochenplus. Das Währungspaar Dollar/Yen steht erneut knapp an der Schwelle von 150. Hier hatte es wohl in der zurückliegenden Woche Interventionen der BoJ gegeben.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken sinkt auf Wochensicht um 0,8%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, verliert 1,1%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, steigt um weitere 1,2%.

Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Der Spread der Rendite der 2yr-TNotes zur eff Fed Funds Rate wird weniger negativ, der Spread am kurzen, wie am langen Ende des Zinsspektrums nähert sich weiter von unten der Nulllinie an. Beim Spread über alle Laufzeiten hält die positive Tendenz an. Wenn die inversen Merkmale der Zinstruktur nach einem Ausflug in den stark negativen Bereich abnehmen, ist das nicht unbedingt ein gutes Zeichen. Historisch ist dann immer die Gefahr einer Rezession angestiegen.

Im Dow und im S&P 500 bleiben die vor zwölf Tagen gerissenen Abwärtslücken bestehen, im NDX wurde sie am Freitag geschlossen. Er schloss auch an seiner EMA50, während die beiden anderen großen Indices darunter bleiben. Der DAX mit einem Wochenverlust von 1,0% war im Verlauf der Woche intraday unter die Marke von 15.000 getaucht.

Die Zahl der Arbeitsplätze in den USA (nonfarm) ist im September um 336.000 angestiegen, Beobachter hatten mit einem Plus von 170.000 gerechnet. Insofern wurde von einer „überraschend starken Entwicklung“ gesprochen. Man hätte es aber wissen können. Im August war nämlich die Zahl der Stellenangebote um 690.000 angewachsen (JOLTs-Bericht). Davon wurden im selben Monat 227.000 in neue Jobs umgesetzt, so dass für September ein rechnerischer „Überhang“ von 463.000 bestand. Von den Akteuren wurde goutiert, dass sich der Lohnzuwachs im September verlangsamt hat, was darauf zurückzuführen ist, dass v.a. im Niedriglohn-Sektor neue Stellen geschaffen wurden.

Die Rendite der 10yr-TNotes reagierte auf die sogenannte „Überraschung“ mit einem erneuten Anstieg intraday auf 4,862%. Dann aber blieben die Anschlusskäufe aus, TNX schloss mit 4,804% exakt auf dem Niveau vom zurückliegenden Dienstag, als der JOLTs-Bericht herauskam. Die Rendite der 10yr-TNotes hat real gerechnet ein 15-Jahres-Hoch erreicht, was die Dollar-Stärke untermauert.

Es spricht viel dafür, dass die Finanzmärkte nun wieder in den expansiven Modus umschalten mit sinkenden Renditen, schwächerem Dollar und steigenden Preisen für Edelmetalle, wie auch für Rohstoffe. Der starke Einbruch bei den Ölpreisen lässt die Akteure hoffen, dass die Verbraucher nun wieder mehr Mittel zur Verfügung haben, um ihrer vornehmsten Aufgabe nachzukommen, Geld auszugeben.

Dafür spricht auch, dass der ISM-Index im September um 1,4% auf 49% gestiegen ist. Das ist rechnerisch bei einer Scheidelinie von 50% zwar noch im kontraktiven Bereich, aber in der Praxis liegt die Schwelle mit 48,7% etwas darunter. Die Sub-Indices für neue Aufträge, Produktion und Beschäftigung sind jeweils um einen mittleren zwei-Prozent-Betrag angestiegen. Gleichzeitig hat der Preis-Index um 4,6% auf 43,8% nachgegeben, was erwarten lässt, dass die Inflation zunächst einmal gebändigt bleibt.

Ray Dalio, Gründer des Bridgewater Associates Hedgefonds, sieht fünf große, miteinander verknüpfte Kräfte, die jetzt fast alles in einer Weise antreiben, wie es das zu unseren Lebzeiten noch nie gegeben hat, was aber in der Geschichte schon oft vorgekommen ist. Das sind:

  • Sehr hohe Verschuldung und Schuldenmachen in den USA und anderen Reservewährungsländern (siehe hier!)
  • Intensive Konflikte innerhalb der Länder (vor allem in den USA) aufgrund des großen Wohlstands- und Wertegefälles und populistischer Extremisten von rechts und links
  • Intensive Konflikte zwischen Ländern (vor allem zwischen den USA und China und denjenigen, die sich mit ihnen verbünden) in einem klassischen Großmachtkonflikt
  • Bedeutende Naturkatastrophen (Dürren, Überschwemmungen und Pandemien)
  • Das Erlernen und der Einsatz neuer Technologien (aktuell vor allem KI)

In zwei Artikeln stellt er dar, wie sich das Drama entfaltet. Im ersten begründet er, warum Bargeld jetzt gut (und kein Abfall) ist, im zweiten Beitrag schreibt er, dass das Scheitern von Kevin McCarthy als Vorsitzender des Repräsentanten-Hauses ein weiterer Schritt weg von der Demokratie und hin zum Bürgerkrieg ist. Die moderateren Kräfte in der Mitte würden immer mehr an Einfluss verlieren.

Noch einmal zur Rendite der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit. Diese steigt seit August 2020. Je nach Zeitrahmen könnte man argumentieren, dass die Renditen immer noch relativ niedrig sind. Im Jahr 1981 erreichten sie mit 15,59% ihren Höhepunkt. Andererseits das enorme Tempo der jüngsten Zuwächse: Die Rendite stieg in diesem Jahr um 24% und seit August 2020 um 825%.

Der S&P 500 hat in den zurückliegenden 100 Jahren im Durchschnitt mehr als 10% pro Jahr verdient und somit die Entwicklung der Anleiheerträge abgehängt. Aber jetzt, mit Anleiherenditen nahe 5,0%, hat sich die Risiko-Ertrags-Dynamik von Aktien gegenüber Anleihen verändert. Fünf Prozent mögen langfristig noch nicht genug sein, aber sie liegen deutlich über den knapp 1,05%, die zwischen 2010 und 2020 im Durchschnitt erzielbar waren.

Mit anderen Worten: Die höheren Anleiherenditen haben die Messlatte für die Erwartungen an die Aktienperformance höher gelegt. Inwieweit das das Geschäft mit Aktien grundlegend verändert, ist noch nicht ausgemacht. Denn mit der überbordenden Verschuldung kann man auch nicht mehr (wie noch in den 1980er Jahren) unbesehen davon ausgehen, dass US-Staatsanleihen „risikofrei“ sind.

Aktien sind aktuell teurer als Anleihen. Anleger könnten durch Investitionen in kurzfristige Geldmarktfonds, Schatzanleihen mit kurzer Laufzeit und Anleihen und Rentenfonds mit längerer Laufzeit höhere Erträge erzielen. Der folgende Chart zeigt, dass die Gewinnrendite (inverses KGV) momentan etwas unter der Rendite der 10yr-TNotes liegt. Das war seit 2009 nicht mehr der Fall.

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Die veränderten Rahmenbedingungen könnten den Präsidentschaftszyklus beeinflussen. Tom McClellan zeigt diesen vierjährigen Ablauf, nach dem zwischen dem Ende des zweiten und einem großen Teil des dritten Jahres einer US-Präsidentschaft mit einer steilen Entwicklung der Erträge im S&P 500 zu rechnen ist. Danach geht die Aufwärtsentwicklung im S&P 500 zwar weiter, aber mit geringerer Dynamik und höherer Volatilität.

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Laut Jim Reid, Stratege der Deutschen Bank, könnten steigende Anleiherenditen das Ende der Zinserhöhungen der Fed bedeuten, aber sie erhöhen auch „das Risiko eines Unfalls irgendwo im Finanzsystem." Die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen hat zum ersten Mal seit 16 Jahren die 5%-Marke überschritten, da erwartet wird, dass die Zinssätze noch länger höher bleiben werden, was Regierungen, die sich während der Pandemie zu niedrigen Zinssätzen verschuldet haben, Sorgen bereitet.

Auch Marija Veitmane, Senior Multi-Asset-Strategin bei State Street Global Markets sieht Risiken der hohen langfristigen Renditen: „Selbst wenn sich die Zinssätze auf dem derzeitigen Niveau stabilisieren, werden sie die Wirtschaft wahrscheinlich bremsen. Ich bin sehr besorgt über die Aussichten für Aktien." Die Befürchtungen nehmen zu, dass die hohen Kreditkosten die globalen Finanzbedingungen weiter verschärfen werden, auch ohne weitere Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger.

Nach Angaben von State Street Global Advisors verbuchten ETFs in Europa im September Zuflüsse in Höhe von 10 Mrd. Dollar, somit summierten sich diese seit Jahresanfang auf 117 Mrd. Dollar. Das ist insbesondere bemerkenswert als global betrachtet sowohl Aktien als auch Anleihen zum Teil deutliche Kursverluste verbucht haben. Globale Aktien verloren im Monatsverlauf 4,6%, gemessen am MSCI World. Trotzdem investierten Anleger 7,8 Mrd. Dollar in Aktien-ETFs. Davon profitierten sowohl Industriestaaten (MSCI World) als auch zum ersten Mal seit mehreren Monaten wieder die Aktienmärkte der Schwellenländer. In der Eurozone kam es demgegenüber zu Abflüssen.

Die Zentralbanken haben sich weiter mit dem gelben Metall eingedeckt. Im August haben sie ihre Goldreserven um 77 Tonnen aufgestockt. Die Nettokäufe nähern sich den jüngsten „Höchstständen". Gold wird ohne großen Trend gehandelt, aber wir befinden uns auf hohen Niveaus (Chartquelle).

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Die deutsche Bundesregierung hat dem US-Halbleiterhersteller Intel zehn Milliarden Euro Subventionen zugesagt – ein neuer Subventionsrekord in Deutschland. Das ist so viel Geld, wie der Bund allen deutschen Gründern an Wagniskapital über seinen Zukunftsfonds bereitstellt – bis 2030. Mit diesen 10 Mrd. Euro könnte der Bund auch zweihunderttausend Sozialwohnungen bauen. Oder der Staat könnte in 2,4 Gigawatt Offshore-Windkapazität investieren, das Äquivalent von zwei Kernkraftwerken. Marktwirtschaftlich denkende Ökonomen reagieren angesichts des neuen Ausmaßes der deutschen Subventionsmentalität irritiert bis fassungslos, zumal der Fabrikneubau auch noch mit erheblichen ökologischen Risiken verbunden ist. Das wird es voraussichtlich erforderlich machen, dass die Stadt Magdeburg eine neue Wasserversorgungsanlage für ihre Einwohner bauen muss (nach „The Pioneer Briefing“).

Nach Angaben des ifo Instituts bewerten Ökonomieprofessoren die Wirtschaftspolitik der Ampel kritisch. Im September wurden 205 Wirtschaftsprofessorinnen und -professoren befragt. Besonders kritisch bewerten die Teilnehmer energiepolitische Vorhaben der Ampel-Parteien, heißt es: „Durch den Atomausstieg haben wir eine klimafreundliche Energiequelle abgestellt und lassen weiter Federn im internationalen Standortwettbewerb durch hohe Energiepreise.“ Einen subventionierten Industriestrompreis, wie er auch in der Ampel gegenwärtig kontrovers diskutiert wird, lehnen 83% der Befragten ab, nur 13% befürworten ihn. Mit 60% zu 32% lehnen die Befragten auch das neue Heizungsgesetz ab. Insgesamt wird die Wirtschaftspolitik der Ampel zur Halbzeit mit der Schulnote 4,0 bewertet. [4,0 ist „ausreichend" – für was?]

Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4308,50 geschlossen. Er hatte im Laufe der Woche mehrfach seine EMA200 unterboten (4265, waagerecht), und hat auch am Dienstag (Veröffentlichung des JOLTS-Berichts) unter der Abwärtslinie aus Ende Juli geschlossen. Am zurückliegenden Freitag wurde diese Linie nochmals intraday erreicht, dann hob der Index ab und schloss über dem Pegel bei 4300, dem zyklischen Hoch aus August 2022, wie auch dem 38er Retracement der Abwärtsbewegung aus Ende Juli (Chartquelle).

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Die Marktindikatoren geben insgesamt noch keine Entwarnung. Die Volumenverteilung ist seit 25. September in Distribution: Die Marktbreite ist nicht bullisch, aber mittlerweile wieder neutral. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen Aktienindices) hatte Mitte September an der Grenze zum sehr bärischen Bereich gedreht. Er ist wieder dorthin zurückgekehrt, aber jetzt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Boden bestätigt wird.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bullische lineare Merkmale als kaum noch vorhanden an, bärische nehmen nicht weiter zu. Es besteht mittlerweile eine deutliche bärische Übertreibung. Daher sollte von hier aus jetzt damit zu rechnen sein, dass die Bullen das Heft in der Hand haben.

Die Charts der Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden täglich auf der Startseite aktualisiert.

Die Volatilität bei Aktien sollte noch anhalten. Die Chance für eine Wiederaufnahme bullischer Stärke hat sich weiter verbesert. Die technische Lage bleibt noch fragil, ein erneuter Test der EMA200 im S&P 500 ist nicht ganz auszuschließen. Entscheidend ist auch, dass der Index die Abwärtslinie aus Ende Juli respektiert und es zügig schafft, den Pegel bei 4300 unter sich zu lassen.

Auf der Oberseite ist von Bedeutung, dass der untergeordnete Widerstand bei 4340 bald überwunden wird. Dann kommt die EMA50 in den Fokus (4384, sinkend). An der Unterseite: Nachdem die EMA200 mit etwas Mühe wieder überwunden werden konnte, dürfte diese erneut ein Ziel der Bären sein. Sollte sie wider Erwarten fallen, wäre die nächste Etappe 4150/4160 und darunter das 62er Retracement bei 4115. Nachdem allerdings die Bullen ihre Position letztlich (mit Aufwand) verteidigen konnten, dürften sie alles daran setzen, diese zu verteidigen. Der strategische Vorteil liegt zunächst wieder bei den Bullen.

Es könnte ein „goldener Oktober“ für die Bullen werden. Für die anstehende Saison der Berichte für das dritte Quartal wird im S&P 500 mit einem Gewinnzuwachs von 1,6% im Jahresvergleich gerechnet. Eine positive Gewinnentwicklung dürfte den Bullen ebenso Rückenwind geben wie verbesserte makroökonomische Aussichten. Nachdem jetzt einige Wochen die Geldpolitik im Fokus stand, dürfte das Pendel vorerst zurückschwingen auf die realwirtschaftliche Seite.

Ergänzung:
Die Rendite von Ramsch-Anleihen gilt als „Kanarienvogel in der Kohlemine". Sie hat am 19. Juli mit einem lokalen Minimum vor einem Topp im S&P 500 gewarnt, das dann am 31. Juli eintrat.

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