Immobilienkrise in China – was geht sie uns an?

Viele Beobachter wundern sich darüber, dass die chinesische Regierung und die chinesische Zentralbank (PBoC) so wenig unternehmen, um die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Die Inflation war zuletzt leicht in den negativen Bereich gerutscht, was Sorgen hervorrief, die Wirtschaft könnte in Deflation abrutschen.

Deflation ist das Schreckensszenario der Ökonomen. Sie gehen dann davon aus, dass die Verbraucher ihre Ausgaben aufschieben in der Erwartung weiter sinkender Preise. Stattdessen favorisiert man eine sogenannte Preisstabilität bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2%. Das ist bezogen auf die Fed sogar illegal, aber es nutzt über den Cantillon-Effekt denen, die nahe an der Geldquelle sitzen, also den Akteuren im Finanzbereich der Wirtschaft. Und es begründet den „Wachstumszwang“, schließlich muss den real sinkenden Vermögenswerten ein permanentes Mehr an produzierten Werten gegenübergestellt werden.

Deflation, oder besser gesagt, disinflatioäre Tendenzen sind aktuell das geringste Problem, mit dem die chinesische Wirtschaft zu tun hat. Ich hatte mich hier mit der wirtschaftlichen Lage in China befasst. Das wirkliche Problem liegt im hoch verschuldeten Immobiliensektor, der auf einer Halde von Wohnimmobilien sitzt, für die es keine Käufer gibt.

Und das ist auch meiner Meinung nach der Grund dafür, warum die chinesische Regierung und die PBoC momentan untätig sind, abgesehen von ein paar kosmetischen Maßnahmen, die nur die prinzipielle Bereitschaft zu finanziellen Anreizen signalisieren. Man will schlicht und einfach das Pulver trocken halten für den (unvermeidlichen) Fall einer Kettenreaktion im Immobiliensektor.

Der Immobiliensektor kommt auf gut 30% der chinesischen Wirtschaftsleistung, getrieben von einer rasanten Urbanisierung. In den zurückliegenden 30 Jahren zog rund eine halbe Milliarde Chinesen vom Land in urbane Regionen. In dieser Zeit stiegen die Immobilien-Preise kräftig an. Wertsteigerungen schienen garantiert zu sein, also fingen zu Geld gekommene Chinesen an, ihr Geld hier anzulegen und auch zu spekulieren. Immobilienunternehmen wie etwa Evergrande oder Country Garden verdienten prächtig und versuchten durch immer größere Schuldenaufnahme ein immer größeres Rad zu drehen.

Das alles geschah lange Zeit mit Förderung, dann nur noch mit Duldung der Regierung. Vor zwei Jahren war damit Schluss, der Schuldenberg sollte abgebaut werden. Wie es immer so ist, Schulden sind schnell gemacht, für ihre Rückführung ist jeder Zeitpunkt schlecht. Im konkreten Fall traf das mit den Covid-Restriktionen zusammen, die ohnehin stark vom Immobiliensektor abhängige Wirtschaft erlahmte. Auch wirken Tendenzen des „Wertewestens“ kontraproduktiv, sich aus der Abhängigkeit von China zu lösen.

Evergrande konnte zuletzt den Schuldendienst von Teilen seiner Anleihen nicht mehr bedienen. Man hat sich zwar auf einen Zahlungsaufschub einigen können. Aber die Immobilienkrise schwelt weiter. Der große Crash lässt auf sich warten, aber er erscheint mir unvermeidlich. Ray Dalio rief im August zu einer „schönen Entschuldung“ auf.

Auch wenn die chinesische Volkswirtschaft als ein dirigistischer Kapitalismus anzusehen ist, so wird die Regierung nicht verhindern können, dass es eines unschönen Tages zu einem Domino-Effekt der Zahlungsunfähigkeit kommt. An diesem Punkt werden Regierung und PBoC mit massiven Maßnahmen eingreifen.

Das haben sie schon in der Finanzkrise 2008/2009 getan, als sie rund 700 Mrd. Dollar investierten in den Aufbau der eigenen Infrastruktur. Ob sie damit damals die Weltwirtschaft gerettet haben, sei dahingestellt, aber der Schritt war klug. Er zeugt von Weitblick der Führung in Peking. (Nein, ich bin kein Fan dieser Art Gesellschaftssystem.)

Und heute? Die finanziellen Mittel, um Turbulenzen auf dem Währungsmarkt abzufedern, sind da, eine gigantische Menge von Dollar-Reserven in Form von US-Staatsanleihen. Der Verschuldungsgrad der chinesischen Wirtschaft ist seit 2008/2009 kräftig angestiegen, was den finanziellen Spielraum einengen mag.

Kann das der Funke sein, der zum Flächenbrand im internationalen Finanzsystem führt?

China hat sich nie in dem Maße dem westlichen Finanzsystem geöffnet, wie sich das insbesondere das US-Kapital mit dem noch unter Clinton eingefädelten Beitritt Chinas zur WTO 2002 erhofft hat. Auch die Politik Trumps trug keine Früchte, diese Scharte enttäuschter Erwartungen mit Handelsrestiktionen und einer Politik von „Zuckerbrot und Peitsche“ auszuwetzen. Daraus zog man im Wertewesten getreu dem Spruch „Willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein“ den Schluss, die chinesische Wirtschaft nun unter der Flagge des „De-Riskings“ oder „De-Couplings“ aktiv zu attackieren.

Der offene Ausbruch der chinesischen Immobilienkrise dürfte wohl weitgehend lokal begrenzt bleiben.

Wenn da nicht die Devisenreserven wären, die China über die Jahre angehäuft hat, um die eigene Währung im Interesse der eigenen Exportwirtschaft zu drücken. Wenn China diese massiv abstößt, um im Zuge des Ausbruchs der Immobilienkrise zu starken Druck auf die eigene Währung herauszunehmen, dann führt das zu Aufwärtsdruck bei den US-Renditen. Steigende Renditen bei dem ohnehin schon hohen Niveau (16-Jahres-Hoch bei den 10yr-TNotes) sind alles andere als förderlich für die Wachstumsaussichten der hochverschuldeten US-Wirtschaft. Nicht nur das – es führt auch zu Abwertungsdruck beim Dollar. Das könnte internationale Investoren veranlassen, Vermögenswerte aus den USA abzuziehen – und eine Spirale in Gang setzen.

Eine weitere Einschränkung: Das westliche Finanzsystem ist mittlerweile dermaßen fragil, dass auch ein relativ kleiner Anlass (woher auch immer) zu einem Flächenbrad führen kann.

Aber insgesamt glaube ich tatsächlich, dass die VR China die eigene Immobilienkrise wird abfedern können ohne dass es zu Turbulenzen im intenationalen Finanzsystem kommt. Das heißt aber nicht, dass sich der Westen bequem zurücklehnen kann. Je mehr dieser in der chinesischen Immobilenkrise die Chance wittert, China zu „bestrafen“, je eher schlägt das gegen ihn selbst zurück.

Abgesehen davon deutet sich mit der Immobilienkrise in China an, dass sich die Geschichte wiederholt. In Japan führte u.a. eine Immobilienkrise um 1990 herum dazu, dass die Wirtschaft mehr oder weniger in Stagnation verfiel, die trotz massiver, bis heute anhaltender Geldflut der BoJ fortbessteht. Die chinesischen Wachstumskräfte lassen schon seit geraumer Zeit nach.

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle; andere sind im Text verlinkt.]

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