S&P 500 – das große Hoffen

Der S&P 500 ist auf Erholungskurs, er gewinnt im Wochenvergleich 2,5%. Der NDX schafft mit +3,7% relative Stärke. Die US-Makrodaten der zurückliegenden Woche zeigen Bremsspuren. Die Arbeitslosenquote steigt im August auf 3,8%, der Lohnzuwachs schwächt sich ab. Auch die Inflation entwickelt sich erwartungsgemäß. Das alles bestärkt das große Hoffen auf eine Zinspause der Fed.

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Auffällig ist die Entwicklung bei Öl und Rohstoffen. Öl (Brent) hat den wichtigen Pegel bei 87 Dollar überwunden. Auch der Goldpreis steigt weiter, und zwar seit Mitte August, unterstützt vom Silberpreis. Ich komme darauf weiter unten zurück.

Die US-Renditen sinken, besonders stark sinkt die der 2yr-TNotes, die als Vorläufer für die Leitzins-Entwicklung gilt. Zu Anfang der Woche notierte sie noch so hoch wie seit 2006 nicht. Die Rendite der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit, hat wohl vor einigen Tagen ein zyklisches Topp fabriziert – ich komme auch darauf weiter unten zurück.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um 4,7%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, dreht ebenfalls und gewinnt 1,4%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, steigt um weitere 5,4%.

Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Der Spread der Rendite der 2yr-TNotes zur eff Fed Funds Rate ist negativer geworden – es wird wieder stärker darauf spekuliert, dass die Fed auf ihrer nächsten FOMC-Sitzung eine Zinspause einlegt. Die großen US-Indices notieren alle wieder über ihrer EMA50. Träumen die Aktien-Anleger erneut von einem Goldilocks-Szenario einer moderat wachsenden Wirtschaft mit verhaltenen Preissteigerungen? Und von bald sinkenden Leitzinsen?

Die Makrodaten in den USA zeigen sich in der Berichtswoche uneinheitlich. Während die US-Arbeitsmarktdaten für August eine steigende Arbeitslosenquote und enen sinkenden Lohnzuwachs präsentieren, steht der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe der USA im Kontraktionsbereich nun so hoch wie seit Februar nicht. Dessen Sub-Index der Preise steigt um starke 5,8% gegenüber Juli, der für Beschäftigung steigt um 4,1%. Auch der Auftragsbestand schafft ein Plus von 1,3%, allerdings auf immer noch niedrigem Niveau.

Einerseits scheinen die Arbeitsmarktdaten nun Bremsspuren zu zeigen, auch die BIP-Entwicklung kam für Q2 schwächer herein als vorab geschätzt, andererseits deutet sich in der Auswertung des ISM eine anhaltende (leichte) Erholung der Wirtschaft an – mit deutlich steigenden Preisen und anziehender Beschäftigung. Das verarbeitende Gewerbe ist zwar kleiner als das der Dienstleistungen, aber es ist die Grundlage von allem.

Die US-Verbraucher sind im Juli auf Einkaufstour gegangen, aber die Entwicklung ihres Einkommens passt nicht dazu. Die realen (inflationsbereinigten) persönlichen Konsumausgaben (PCE) stiegen im Juli um 0,6%, das reale verfügbare persönliche Einkommen (DPI) sank um 0,2% (siehe hier!). Also wurden Ersparnisse entnommen, die Sparquote sinkt von 4,3% auf 3,5%. Dort stand sie vor einem Jahr auch schon. Das Tief nach „Corona“ liegt bei 2,7% (Juni 22).

Anleger fokussieren mit den aggressivsten Zinserhöhungen der US-Notenbank seit Jahrzehnten in erster Linie auf die Inflationsentwicklung. Demzufolge haben schlechte Wirtschaftsnachrichten Aktien bisher eher in die Höhe getrieben und gute Nachrichten belastet. Wenn sich im weiteren Verlauf die Bremsspuren der Fed-Politik vertiefen, können schlechte Wirtschaftsnachrichten zu Verkaufssignalen mutieren. Das kann relativ schnell gehen angesichts der Risiken einer Kreditklemme. So weit ist es noch nicht – gut möglich, dass nach der Serie weniger guter Makronachrichten nun auch mal wieder bessere goutiert werden, die der ISM nahelegt.

Bobby Molavi, Goldman Sachs: Im letzten Jahr oder so ist die Fed-Bilanz von etwa 8,55 Bill. Dollar auf etwa 7,6 Bill. Dollar geschrumpft. Diese erste Billion Dollar erfolgte vor dem Hintergrund einer deutlichen Erhöhung des Leitzinses… die nächste Billion könnte weitere Störungen verursachen. Die US-Notenbank hat erklärt, dass sie bis Mitte 2025 weitere 1,5 Bill. Dollar aus ihrer Bilanz abbauen will. Diese Erhöhung des Tempos und des Umfangs des Angebots an Staatsanleihen erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem sich die globale geopolitische Landschaft verändert hat und weiterhin verändert, so dass die Nachfrage ausländischer Anleger geringer ist als früher.

Der chinesische private Immobilienentwickler Country Garden beantragte eine 40-tägige Nachfrist für die Zahlung einer Renminbi-Anleihe, die nächste Woche fällig wird. Der Antrag wurde gestellt, nachdem das Unternehmen Anfang des Monats Zinszahlungen in Höhe von 22,5 Mio. Dollar für zwei internationale Anleihen versäumt und dadurch Marktturbulenzen ausgelöst hatte.

Jeroen Blokland glaubt, dass „altmodische“ Bewertungsmetriken wie ein „Discounted-Cashflow-Modell" entscheidende Informationen darüber liefern, ob eine Investition solide ist oder nicht. Wenn man für den S&P 500 als Ganzes eine Kapitalwertberechnung des Cashflows über die nächsten 20 Jahre durchführt, ist ein Bewertungsrückgang von 24% nicht abwegig. Aktien werden kurzfristig fast immer von makroökonomischen oder Stimmungsindikatoren bestimmt, so Blokland. Aber die meisten Anleger ziehen bei einem Stimmungsumschwung plötzlich die Bewertung als Grund für einen Marktrückgang heran – die Marktbewertung spielt keine Rolle, bis sie es tut!

Tom McClellan glaubt, dass im Juli oder August ein 13-1/2-monatiger Zyklus beim Goldpreis begonnen hat. Wenn ein wichtiger Tiefpunkt im Goldpreiszyklus erkannt werden kann, wie es jetzt der Fall zu sein scheint, steht in den nächsten Monaten zunächst eine zuverlässige Aufwärtsphase an, heißt es. Der weitere Verlauf hängt dann von Faktoren ab, die McClellan in seinem Newsletter genauer erläutert.

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Es ist schwer vorstellbar, schreibt er weiter, dass sich der Goldpreis in einem Umfeld hoher kurzfristiger Zinssätze gut entwickelt, insbesondere bei hohen „realen" Zinssätzen, also Zinssätzen für Schatzwechsel über der Inflationsrate.

Umgekehrt wird auch ein Schuh daraus: Wenn der Goldpreis jetzt ein zyklisches Tief erreicht hat, dürfte die Rendite der 10yr-TNotes wohl ein markantes Topp fabriziert haben. Sie hat am zurückliegenden Freitag intraday einen kurzfristigen Abwärtskanal durchmessen, wobei sie an der EMA50 Support gefunden hat.

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Die Rendite der 10yr-TNotes sollte also jetzt genau beachtet werden. Setzt sich die Schwäche hier fort, würde das bedeuten, das Treaurys aus Sicht der großen Akteure kaufenswert sind. Dann wäre die Botschaft, dass Aktien auf einen Teil des gar nicht mehr so üppigen Geldes an der Seitenlinie verzichten müssten. Würde die Rendite im unwahrscheinlichen Fall wieder dauerhaft anziehen, dürfte das Aktien hingegen stärker belasten.

Der folgende Chart zeigt, wie wenig profitabel US-Bonds in den zurückliegenden Jahren waren. Man muss schon bis 1788 zurückgehen, um eine noch schlechtere Jahres-Performance zu finden (Chartquelle).

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Legt das nahe, dass es hier jetzt nur noch besser werden kann (mit steigenden Bond-Kursen und sinkenden Renditen) oder ist das ein Zeichen des Misstrauens gegenüber der Bonität der US-Regierung? Oder so: Passen die Zinsen jetzt, resp. sind die Bond-Kurse attraktiv genug?

Der S&P 500 hat die zurückliegende Woche bei 4515,77 beschlossen, und zwar an einem Pegel, der zwischen August 2021 und April 2022 relevant war. Die Abwärtslinie aus Ende Juli ist überwunden, die EMA50 (4435, steigend) ebenfalls (Chartquelle).

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Die Volumenverteilung an der NYSE zeigt immer noch Distribution, die seit Mitte August überdehnt ist. Aber jetzt macht sich Tempoverlust bemerkbar, und so dürfte die Zeitreihe vermutlich in den nächsten Tagen in (per se bullische) Akkumulation kippen. Die Quote der Zahl bullischer Aktien verläuft bullisch. Der TQUAL-Indikator dürfte, weit im bärischen Bereich, in einer Bodenbildung stecken. Hier werden technische Indikatoren (RSI, Stochastik, MACD) verschiedener internationaler Börsen ausgewertet. Per Saldo überwiegen die bullischen Signale bei den Marktindikatoren leicht.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis haben erwartungsgemäß gedreht und zeigen jetzt eine Zunahme bullischer Merkmale. Bärische Merkmale nehmen ab. Zyklische Eigenschaften dominieren leicht. Aus dieser Sicht dürfte die eingeleitete Expansion bei Aktien übergeordnet anhalten.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren werden täglich auf der Startseite aktualisiert.

Der VIX ist stark über-verkauft. Er notiert so tief wie zuletzt kurzzeitig im Januar und Februar 2020. Zu erwarten ist hier jetzt eine Aufwärtsbewegung, was zumindest für Volatilität beim S&P 500 sorgt. Zu beachten ist auch die Rendite-Entwicklung (siehe oben!).

Die Kursbewegung der zurückliegenden Tage ist zu steil, um lange Bestand zu haben. Ein Rückfall des S&P 500 bis in den Bereich des Pegels bei 4450 sollte kommen, das wäre auch das 38er Retracement des Starts der jüngsten Aufwärtsbewegung vom 18. August. Insgesamt gehe ich aber davon aus, dass übergeordnet „aufwärts“ bei Aktien noch Trumpf ist. Dieses Szenario sollte zumindest bis zum nächsten FOMC-Treffen anhalten, es findet am 19. und 20. September statt.

Nachtrag
(4.9.23) Im Hintergrund lauert die Immobilienkrise in der VR China. Gibt die Regierung finanzielle Anreize aktuell deshalb nur in homöopathischen Dosen, weil sie ihr Pulver trocken halten will für heraufziehende Unbill?

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