S&P 500 – geht die Achterbahnfahrt weiter?

Was für ein Swing im S&P 500! Im Vorfeld der Quartalszahlen von Nvidia ging es am Mittwoch 42 Punkte hoch, der Donnerstag führte 79 Punkte abwärts. Am Freitag stand die Rede von Fed-Chef Powell im Fokus: Vorher ging es 29 Zähler hoch, aber als er darauf beharrte, die Inflation müsse weiter genau beobachtet werden, rauschte der Index 62 Punkte in die Tiefe, schloss dann aber 49 höher.

Der S&P 500 steigt nach drei Verlustwochen in Folge im Wochenvergleich um 0,8%. Der NDX gewinnt 1,7%, der Dow gibt weitere 0,4% ab. Der breitere Nasdaq Comp. schließt 2,3% höher. Der DAX schafft ein leichtes Plus von 0,4%.

Euro/Dollar sinkt im Wochenvergleich um weitere 0,7% Dollar; Dollar/Yen +0,7%, Euro/Yen +0,0%. Die Ölpreise (Brent, bzw. WTI) sinken um weitere 0,7%, bzw. 0,8%. Der CRB-Rohstoffindex steigt um ein Prozent. Gold (in Dollar) dreht und steigt um 1,3%, Silber (in Dollar) steigt um weitere 6,5%.

Die US-Renditen in der zurückliegenden Woche uneinheitlich: Die der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit, sinkt um 0,5% auf 4,234%, unter dem Hoch aus Oktober 2022 und Juni 2008. Die Rendite der 2yr-TNotes steigt um weitere 2,7% auf 5,084% über das jüngste Hoch vom 8. März bei 5,070%. Die Rendite der 13wk-TBills legt um weitere 0,7% auf 5,490% zu. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine mit –1,26% leicht zunehmende, hohe Inversivität. Am langen Ende nimmt der Spread im leicht positiven Bereich ab. Über alle Laufzeiten hinweg ist der Spread mit –1,20% zunehmend negativ.

Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken nimmt auf Wochensicht um weitere 2,8% ab. U.a. zeigt die Abstufung weiterer Banken Wirkung. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, sinkt um weitere 0,5%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, dreht und steigt um 1,0%.

Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Nach der Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff. Fed Funds Rate zu urteilen, sind die „Märkte“ immer weniger davon überzeugt, dass der Leitzins zu hoch ist. Die großen US-Indices notieren alle unter ihrer EMA50, beim NDX ist der Abstand sehr knapp. Bei Dow und S&P 500 tendiert die EMA50 abwärts.

Die Fundamentaldaten in den USA haben sich in der Berichtswoche nochmals etwas verbessert. Das betrifft die kurzfristige Tendenz, der Trend ist weiter praktisch neutral. Die Finanzdaten haben sich im Juni etwas verschlechtert und liegen jetzt hinsichtlich Tendenz und Trend im kontraktiven Bereich. Eine unmittelbare Rezessionsgefahr nach Fundamentaldaten besteht weiterhin nicht (Warnpegel eins von drei). Aus der Zinsstruktur abgeleitete Merkmale sehen jedoch wie gehabt seit August 2022 eine Rezession im Anzug, der Indikator läuft vier bis sechs Quartale voraus.

Hierzulande hatten die europäischen Einkaufsmanagerindizes Rezessionsängste geschürt, zum Ende der Woche folgte ein enttäuschender Blick auf das neueste ifo-Geschäftsklima. Das fiel im August zum vierten Mal in Folge und auch noch stärker als von Marktexperten erwartet. Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage ist auf den niedrigsten Stand seit August 2020 gefallen. Zudem blickten die Unternehmen pessimistischer auf die kommenden Monate. Demnach dürfte sich die Durststrecke der deutschen Wirtschaft verlängern.

Die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde (China Securities Regulatory Commission) hat am Donnerstag die Führungskräfte großer Finanzunternehmen und Pensionsfonds aufgefordert, verstärkt in inländische Aktien zu investieren, um den Markt zu stützen. Die daraufhin ausgelöste Rally dauerte nur ein paar Minuten. Ausländische Fonds haben in den zurückliegenden Wochen Wertpapiere im Wert von rund 10,7 Mrd. Dollar aus dem chinesischen Festlandmarkt abgezogen.

Die wichtigste Nachricht der zurückliegenden Woche kam am Freitag, als Fed-Chef Powell vor den Teilnehmern des jährlichen Jackson-Hole-Symposiums der Fed von Kansas City sprach. Powell erklärte: „Obwohl die Inflation seit ihrem Höchststand zurückgegangen ist, ist sie nach wie vor zu hoch. Wir sind bereit, die Zinssätze gegebenenfalls weiter anzuheben, und beabsichtigen, die Politik auf einem restriktiven Niveau zu halten, bis wir zuversichtlich sind, dass sich die Inflation nachhaltig auf unser Ziel zubewegt." Das war im Prinzip nichts Neues. Hinsichtlich der kommenden FOMC-Sitzung scheinen sich die Teilnehmer nicht einig zu sein, ob die Leitzinsen zu diesem Termin weiter steigen sollen. Bis zu dieser Sitzung kommen noch wichtige Fundamentaldaten wie der Arbeitsmarkt-Bericht und die Inflationsdaten für August herein.

Apropos Nvidia: Das als Vorreiter für generative künstliche Intelligenz angesehene Unternehmen hat im zweiten Quartal einen Gewinnsprung von über 100% gegenüber dem Vorjahr erzielt. Nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen stieg der Kurs auf über 470 Dollar. Rosenblatt hat sein Kursziel für Nvidia von 800 auf 1100 Dollar erhöht. Das ist Wall Street Rekord. Stifel setzte sein Kurziel von 440 auf 600 Dollar hoch. Ein Kurs von 1100 Dollar würde Nvidia als zweitgrößtes Unternehmen hinter Apple und vor Microsoft katapultieren. Nvidia ist nach Marktkapitalisierung (1,16 Bill. Dollar) 8,8 mal wertvoller als Intel. Der deutsche Chip-Produzent Infineon war 2015 gleichauf mit Nvidia, jetzt kommt er noch auf ein 25stel der Marktkapitalisierung von Nvidia. Wenn Nvidia so weiter macht, ist das Unternehmen bald so groß (so viel wert) wie alle 40 Unternehmen des DAX zusammen (aktuell 1,48 Bill. Euro).

Ist Nvidia bei einem KGV von über 100 https://www.boerse.de/fundamental-analyse/Nvidia-Aktie/US67066G1040 weiterhin ein Kauf? Im Prinzip, ja. Nicht, weil KI/AI das ist, was das „I“ bedeuten soll, sondern weil die meisten glauben, dass die anderen die Aktie des Unternehmen für einen Kauf halten. Ich hatte mich zu einem Aspekt von KI/AI hier geäußert.

Die beiden folgenden Charts zeigen, wie weit US-Aktien gelaufen sind, bzw. besser ausgedrückt, wie angespannt intern die Lage ist. Der erste Chart zeigt die „systematische Ausrichtung“ bei Aktien: Je höher der Wert ist, je anfälliger wird der Aktienmarkt im Prinzip. Die Zeitreihe hatte Ende Juli ein Hoch bei 220 gebildet. Jetzt, nach drei Wochen negativer Aktienentwicklung ist ein Wert von 180 erreicht (Chartquelle).

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Der zweite Chart zeigt die Gamma-Exposure. Wenn diese negativ ist, müssen Market-Maker Aktien nachkaufen, wenn diese im Preis steigen und verkaufen, wenn sie sinken. Somit werden Preisbewegungen verstärkt. Umgekehrt verhält es sich bei positivem Gamma-Exposure. Das abgebildete Index-Gamma von Goldman Sachs ist das kürzeste, das jemals gemessen wurde. GS schätzt aktuell, dass Händler pro 1% Abwärtsbewegung des Gamma Aktien im Wert von 2,5 Mrd. Dollar verkaufen müssen (und umgekehrt) (Chartquelle).

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Beide Charts zeigen zusammen, dass die internen Marktverhältnisse bei US-Aktien derzeit angespannt sind. Das bedeutet auch, dass eine Phase höherer Volatilität zu erwarten ist.

Wie steht es mit der Saisonalität, nachdem sich der August als schwacher Monat „normgerecht“ verhalten hat? Das Diagramm zeigt die monatliche Saisonalität des S&P 500 nach einer starken Rendite in den ersten 7 Monaten. Als stark wird eine Rendite von 15% oder mehr angesehen, was hinsichtlich des aktuellen Verlaufs der Fall ist. Unter dieser Bedingung zeigt der September im Durchschnitt sogar eine positive Performance, auch wenn er ansonsten zu den schwächsten Monaten zählt (Chartquelle).

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Die Stimmung hat mit den jüngsten Kursverlusten gedreht, das belegen mehrere Stimmungsindikatoren. So fiel beispielsweise die Optimistenquote unter US-Privatanlegern auf nur noch 35,9% nach 51,4% im Juli. Der Fear&Greed-Index von CNN notiert mit 46 gerade noch im neutralen Bereich. Reuters sieht gemäß einer Umfrage globale Aktien in eine Korrektur laufen, allerdings sollten sie zwischen jetzt und Jahresende per Saldo marginal positiv abschneiden.

Die jüngsten Daten zum Geldmengenaggregat M2 zeigen per Juni mit –3,7% im Jahresvergleich, dass die Geldmenge weiter schrumpft. Gleichzeitig ist das nominale BIP im zweiten Quartal 2023 um 6,3% gegenüber 2022 gestiegen. Die größere Wirtschaft muss mit weniger Geld auskommen, um alles am Laufen zu halten. Die Geldmenge ist wie Öl in einem Motor, schreibt Tom McClellan. Man braucht nur eine kleine Menge, damit ausreichend geschmiert wird, aber man braucht eine größere Menge in der Ölwanne, damit der Ölkreislauf ordnungsgemäß funktioniert.

Wenn der Ölstand zu stark sinkt, kann der Motor Schaden nehmen. Das gilt auch für den Fall, dass zu viel Öl in der Wanne ist. Wenn zu viel Geld in der Wirtschaft steckt, hat das einige seltsame Auswirkungen, so McClellan. Eine davon ist Inflation, deren Rate mit dem Schrumpfen der Geldmenge zurückgeht. Ein weiterer Effekt ist, dass die Aktienkurse von überschüssigem Geld profitieren (zumindest zeitweise). Wie die Grafik zeigt, haben die steigenden Kurse bis Juli das Verhältnis zwischen dem S&P 500-Index und M2 in die Höhe getrieben auf ein historisch hohes Niveau. Dabei kam es in allen Fällen letztendlich zu einem Bärenmarkt, in der dotcom-Blase merklich verzögert.

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Eine Verringerung der Geldmenge ist sinnvoll, wenn das Problem, das man zu lösen versucht, eine hohe Inflation ist. Die aktuelle M2-Schrumpfung ist aber letzten Endes keine gute Nachricht für die Aktienkurse, auch wenn sie sich nicht sofort auswirken muss. Wie wir in den späten 1990er Jahren gesehen haben, ist es möglich, dass dieses Verhältnis noch viel weiter ansteigt, bevor es von Bedeutung wird, so McClellan.

Die meisten Volkswirte haben das Szenario einer harten Landung aus dem Auge verloren. Die Wirtschaft scheint im laufenden Quartal über dem Trend zu wachsen, gestützt durch Verbraucherausgaben aufgrund der noch verbleibenden aufgestauten Ersparnisse, der niedrigen Arbeitslosigkeit und der steigenden Löhne.

So einiges passt nicht zusammen. Es wird z.B. durchaus berechtigt gefragt, ob die Daten zu den Ersparnissen der Verbraucher durch die vielen (neuen) Millionäre nicht verzerrt sind, auch weil einige Analysten behaupten, dass 60% der Haushalte von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben. Es wird gefragt: Verhält sich die Wirtschaft wie Wile E. Coyote in den Road-Runner-Cartoons, wo Wile nicht merkt, dass er über die Klippe gerannt ist, bis er nach unten schaut. Nettes Bild…

Dr. Lacy Hunt von Hoisington Investment schreibt in seinem vierteljährlichen Update: Die monetären und fiskalischen Indikatoren haben sich im zweiten Quartal weiter verschärft und deuten auf eine wesentliche Verlangsamung der US-Wirtschaft hin. Negatives Geldmengenwachstum, zunehmendes Haushaltsdefizit, steigende Realzinsen und die von den Zentralbanken angekündigten höheren Kurzfristzinsen führen zu einer klassischen „Kreditklemme". Diese tritt ein, wenn die Wirtschaft im aktuellen Finanzzyklus abwärts läuft, was das Wachstum verlangsamt und den Aufwärtsdruck auf die Inflation begrenzt.

Hunt sieht also genau das voraus, weshalb viele Volkswirte kurz vor einer Rezession aufhören, an eine solche zu glauben: Alles sieht anscheinend gut aus, die Wirtschaft wächst, die Inflation entwickelt sich in die richtige Richtung. Und dann kommt eben „plötzlich" eine Kreditklemme, in der die Möglichkeiten der Fed gegenzusteuern, begrenzt sind.

Hoisington Investment investiert entweder in Staatsanleihen mit langer Laufzeit oder in Schatzwechsel mit kurzer Laufzeit. Die Firma verwaltet mit dieser einfachen Strategie drei Mrd. Dollar und weist einen beeindruckenden Trackrecord auf.

In diesem Zusammenhang ein Blick auf die internationale Inflation (Chartquelle):

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Und noch ein Blick auf die US-Inflation – wie sehr sich die Verläufe ähneln…

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Der S&P 500 hat die zurückliegende Woche bei 4405,71 beschlossen. Er hat dabei am Donnerstag knapp die Abwärtslinie aus Ende Juli überschritten, bevor er stark zurückfiel. Der Index notiert etwas unter seiner EMA50 (aktuell 4422), die er am Freitag intraday knapp erreicht hat, nachdem er die Unterseite eines mittlerweile konstruierbaren (zu) schmalen Abwärtskanals getestet hatte (rot) (Chartquelle).

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Die Marktindikatoren zeigen die Volumenverteilung seit mittlerweile dem 17. August in überdehnter Distribution. Üblicherweise dauern solche Phasen etwa acht Tage an, damit sollte sie in Kürze zu Ende gehen. Das Kippen in Akkumulation ist in der Regeln bullisch zu werten. Die ADL-Linie, der Anteil der Anzahl bullischer Aktien an der Gesamtzahl, meldet seit kurzem bullische Tendenzen.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen eine Zunahme der bärischen Merkmale, allerdings mit nur noch wenig Potenzial. Bullische Merkmale sind nahezu nicht mehr vorhanden. Lineare Eigenschaften dominieren leicht. Daraus ergibt sich, dass momentan nicht mehr viel Raum für die Bären ist. Das deckt sich mit der Aussage der Marktstruktur hinsichtlich Volumen und Anzahl.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden täglich auf der Startseite aktualisiert.

Für die kommende Woche erwarte ich damit aus technischer Sicht einige bullische Versuche. In diesem Verlauf kann es durchaus Durchhänger geben bis etwa zum Support bei 4340 oder herunter bis zum 38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Mitte März (zugleich Topp aus August 2022). So lange dieses nicht gerissen wird, dürften Schnäppchenjäger fallende Notierungen schnell wieder einfangen. Die Bullen dürften zunächst wieder Oberwasser bekommen, wenn die Abwärtslinie aus Ende Juli klar überwunden wird, etwa oberhalb von 4482. Umgekehrt wären die Bären zunächst weiter am Zug, wenn der Bereich um 4300 markant gebrochen wird.

Am Donnerstag der neuen Woche gibt es die Aktualisierung des PCE-Preisindikators (Kernrate) für Juli, der von der Fed besonders beachtet wird. Am Freitag folgt der US-Arbeitsmarktbericht für August. Beide Daten könnten kursbewegende Anlässe darstellen.

Geht also die Achterbahnfahrt weiter? Ich denke schon, die kommende Woche dürfte unruhig bleiben.

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