Sind die Makrodaten in den USA zu gut oder ist es die Sorge um die chinesische Verschuldung? S&P 500 und NDX verzeichnen die dritte Verlustwoche in Folge mit -2,1%, bzw. -2,2%. Der Dow schließt sich mit –2,1% an. Der breitere Nasdaq Comp. sinkt um deutliche 2,6%. Der DAX fällt um weitere 1,6%.
Euro/Dollar sinkt im Wochenvergleich um weitere 0,7%; Dollar und Euro gegen Yen +0,3%, bzw. –0,4%). Die Ölpreise (Brent, bzw. WTI) kehren um und sinken um 2,1%, bzw. 2,9%. Der CRB-Rohstoffindex verliert 1,5%. Gold (in Dollar) fällt um weitere 1,3%, Silber (in Dollar) steigt um 0,4%.
Die US-Renditen wiederum fester: Die der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit, steigt um 2,4% auf 4,253%, so hoch wie im Oktober 2022 und im Juni 2008. Die Rendite der 2yr-TNotes steigt um 1,1% auf 4,949%, die der 13wk-TBills legt um 0,4% auf 5,450% zu. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine mit –1,20% nicht weiter abnehmende, hohe Inversivität. Am langen Ende nimmt der Spread im leicht positiven Bereich etwas zu. Über alle Laufzeiten hinweg ist der Spread mit –1,07% weiter abnehmend negativ.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken nimmt auf Wochensicht um weitere 6,3% ab. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, sinkt um weitere 3,1%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, verliert weitere 1,5%.
Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Nach der Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff. Fed Funds Rate zu urteilen, sind die „Märkte“ weniger davon überzeugt, dass der Leitzins zu hoch ist. Die Rendite von Ramsch-Anleihen steigt in den zurückliegenden Tagen. Der „Kanarienvogel in der Kohlemine“ reagiert auf die sinkenden Kurse, die Risikobereitschaft nimmt ab. Die großen US-Indices notieren alle unter ihrer EMA50, sie tendiert insbesondere bei Dow und S&P 500 abwärts.
SmallCaps zeigen relative Schwäche. Dies zeigt der folgende Chart anhand von ETFs auf US-Werte. Werden LargeCaps bevorzugt, ist das in der Regel ein Zeichen abnehmender Risikobereitschaft – diese Werte sind liquider, so kann man weniger kursschädlich reagieren, wenn sich das Kurs-Umfeld negativer präsentiert.
Hinzu kommt, dass sich der breite Markt im Vergleich zu den als defensiver angesehenen Dividendentiteln nun schwächer entwickelt. Beides zusammen ist eine ungünstige Konstellation, wenn auch erst in einer Frühphase. Aber immerhin – aufpassen!
Das Protoll der jüngsten FOMC-Sitzung lässt durchblicken, dass die Mehrheit der Teilnehmer perspektivisch eher für weiter steigende Leitzinsen ist. Die in dieser Woche hereingekommenen US-Makrodaten legen mit einer weiteren Steigerung des Einzelhandels-Umsatzes, einem wieder anziehenden Produktionsindex und einer sinkenden Zahl neuer Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe nahe: Die Wirtschaft zeigt keine Bremsspuren, die sich die Fed angeblich herbeisehnt. Ob das daran liegt, was Galbraight schreibt?
Der folgende Chart zeigt die im Wochenverlauf noch etwas verbesserte fundamentale Lage.
Laut einer Bloomberg-Umfrage rechnen Wirtschaftsexperten bis weit ins nächste Jahr hinein mit einer robusten US-Wirtschaft, niedrigeren Arbeitslosenquoten und einem Anstieg der Verbraucherausgaben, was zu einer längeren Periode erhöhter Zinssätze durch die Federal Reserve führen wird. Der Optimismus spiegelt die gestiegenen BIP-Wachstumsprognosen wider, die vor allem von den Verbraucherausgaben angetrieben werden. Gleichzeitig gehen diese Experten davon aus, dass die Fed die Zinssätze bis zum zweiten Quartal 2024 unverändert lassen wird, weil Bedenken über eine anhaltende Inflation bestehen.
Angesichts der Widerstandsfähigkeit des US-Immobilienmarktes und der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es schwer, sich eine baldige Rezession vorzustellen.
Gerade erst hat die Federal Reserve Bank of Atlanta ihre nowcast-Schätzung für das reale BIP-Wachstum für das dritte Quartal auf 5% (saisonbereinigte Jahresrate) angehoben (siehe hier!). Das wäre mehr als eine Verdoppelung der Zuwachsrate im Vergleich zum zweiten Quartal. Es wäre auch das stärkste Wachstum seit dem vierten Quartal 2021 (…danach ging es damals bergab…).
Laut der regelmäßigen weltweiten Umfrage der BofA unter Fonds-Managern liegt der Aktienpessimismus auf dem niedrigstem Stand seit Februar 2022. Die Anleger haben Aktien so wenig untergewichtet wie seit April vergangenen Jahres nicht. Der steigende Optimismus wird auf die Erwartung einer nachlassenden Inflation und die starke Überzeugung zurückgeführt, dass im kommenden Jahr Zinssenkungen folgen werden (Chartquelle).
Die Teilnehmer sind zwar nach wie vor der Ansicht, dass sich das globale Wachstum in den nächsten 12 Monaten abschwächen wird, doch gehen die Anleger zunehmend davon aus, dass es in den nächsten 18 Monaten zu keiner Rezession kommen wird. Eine sanfte Landung in den nächsten 12 Monaten bleibe das Basisszenario, heißt es. Allerdings ist der Rückgang der Bargeldbestände von 5,3% auf 4,8%, ein 21-Monats-Tief, nach Meinung der BofA-Experten kein konträres Kaufsignal mehr. Je weiter der Wert sinkt, desto weniger nicht investiertes Geld sitzt an der Seitenlinie.
Bei so viel Optimismus sollte man vorsichtig werden. Noch kurz vor „Corona" negierten die damals von der BofA befragten Fonds-Manager einen Abschwung und hielten eine Rezession lediglich für eine weit entfernte Möglichkeit.
China Evergrande hat am Donnerstag Gläubigerschutz in den USA beantragt. Längere Zeit war es still um den hochverschuldeten Immobilienkonzern, der in den vergangenen beiden Jahren etwa 77 Mrd. Dollar angehäuft hat. Am zurückliegenden Dienstag waren Anleihen des Immobilienkonzerns Country Garden vom Handel ausgesetzt, er ist mit Zinszahlungen im Verzug. Die chinesischen Lokalregierungen sind mit über 11 Bill. Dollar verschuldet, die Zentralregierung hat Untersuchungen eingeleitet.
Ray Dalio schreibt dazu: „Wer Chinas frühere Dynastien studiert, kann erkennen, dass das, was jetzt geschieht, in der Geschichte Chinas wiederholt vorgekommen ist, (…) Wie Präsident Xi deutlich gemacht hat, bilden die Umstände einen ‚einmal in 100 Jahren auftretenden Sturm’, der sich am Horizont abzeichnet. (…) Was die Schulden und die Wirtschaft anbelangt, so ist offensichtlich eine große Umschuldung notwendig, wie sie Zhu Rongji in den späten 1990er Jahren durchführte, nur in viel größerem Umfang. (…) China ist mit diesem Prozess überfällig. Meiner Meinung nach muss es diesen wunderbaren Prozess des Schuldenabbaus jetzt in Angriff nehmen, denn die mit Schulden belasteten Bilanzen und die belastenden Schuldendienstzahlungen frieren die Wirtschaft ein, insbesondere auf Provinzebene und vor allem in einigen der ärmsten Provinzen.“
Jonathan Ward schrieb 2019 in seinem Buch „China's Vision of Victory“: „Angesichts dessen, was über die Ziele und Praktiken der Kommunistischen Partei Chinas allgemein bekannt ist, ist es nicht nur angemessen, sondern vielleicht sogar human, dass sich die große Strategie der Amerikaner und der Alliierten darauf konzentriert, dem wirtschaftlichen Aufstieg dieser neototalitären Macht und ihren Ambitionen, die Welt zu verändern, ein Ende zu setzen. Eine Strategie der wirtschaftlichen Eindämmung gibt uns die Chance, das Blatt zu wenden." Und: „Wenn wir Chinas wirtschaftlichen Aufstieg nicht mehr unterstützen, geht es darum, den Zugang zu Technologie, Kapital und Märkten zu beschränken."
Das westliche Kapital hatte mit dem WTO-Beitritt der VR China gehofft, das Land werde im Sinne von „Wandel durch Handel“ seine Türen weit aufmachen für (vor allem) US-Firmen und, wichtiger noch, für US-Kapital. Die Hoffnung erwies sich als Rohrkrepierer. Die Handels-Politik Trumps war ein erster wirklicher Versuch, China „einzuhegen“. Die heutige Politik des Wertewestens befindet sich auf der von Ward vorgezeichneten Linie, ob man das jetzt De-Risking oder De-Coupling nennt. Aber dabei sollte man sich auch mal fragen, wer vielleicht eine noch größere totalitäre Macht auf der Welt ist.
Auch wenn mancher in den imperialistischen Kreisen des Westens klammheimliche Freude verspüren könnte, wenn die VR China hinsichtlich der überbordenden Verschuldung in erhebliche Probleme kommt: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Die Verflechtungen finanzieller wie wirtschaftlicher Art sind eng, die Ansteckungsgefahr ist hoch. Zudem ist die VR China mittlerweile zu einer zentralen Figur bei der Energiewende geworden, im Rohstoffbereich ebenso wie bei der Lieferung von technischen Komponenten, einem Wirtschaftsbereich, dem immer größere Bedeutung zukommt (siehe hier!).
Die Differenz zwischen der Verzinsung der Unternehmensgewinne und der 10yr-TNotes ist mittlerweile auf einem Niveau wie 2004 angekommen. Die „Earnings Yield“ ist der Kehrwert des KGV. Die Renditen der sicheren Staatsanleihen werden attraktiver, erst recht mit der sinkenden Inflationsrate (Chartquelle).
Der S&P 500 hat die Woche bei 4369,71 beschlossen. Er hat am Freitag intraday eine leichte Unterstützung bei 4340 erreicht, an der zum ersten Mal seit drei Tagen Kaufinteresse aufkam. Der Index notiert klar unter seiner EMA50.
Die Marktindikatoren zeigen eine Volumenverteilung in Distribition, die jetzt leicht überdehnt ist. Üblicherweise halten solche Phasen fünf bis acht Tage an, bevor mit einem Kippen in Akkumulation zu rechnen ist. Der Verlauf des Put-Call-Verhältnisses zeigt eine anhaltende bärische Entwicklung. Der TQUAL-Indikator zeigt bestätigtes bärisches Rollover. Er wertet die viel beachteten technischen Indikatore Stochastik, RSI und MACD von großen internationalen Indices aus.
Die fraktalen Oszillatoren sehen eine intakte Kontraktionsphase. Lineare Merkmale dominieren knapp, was nahelegt, dass der geringste Widerstand noch auf der Abwärtsseite liegt. Der Anteil der bullischen Merkmale ist bereits sehr weit abgesunken, der der bärischen hat aus statischer und dynamischer Sicht noch Potenzial. Vermutlich erschöpft sich die bärische Seite in den folgenden Tagen zunächst.
Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden täglich auf der Startseite aktualisiert.
Ich denke, jetzt wird noch der Bereich des 38er Retracements des Aufwärtsimpulses aus März angesteuert. Es fällt zusammen mit einem wichtigen Support aus dem Hoch vom August 2022. Spätestens hier dürfte sich vermutlich ernstere Gegenwehr der Bullen einstellen. Nicht ungewöhnlich, wenn dabei die EMA50 (von unten) angepeilt wird. Würde sie überwunden, kommt die Abwärtslinie aus Ende Juli (rot im Chart oben) ins Visier. Würde diese übersprungen, müssen die Bären zurück in ihre Höhle (und dürften dort eine zeitlang bleiben). Für wahrscheinlicher halte ich es allerdings, dass die bärische Seite übergeordnet noch oben bleibt.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Was andere Medien sagen vom 11.10.2024
- S&P 500 – Bullen halten sich zurück vom 01.06.2024
- S&P 500 – stark und stärker vom 28.01.2024
Schreibe einen Kommentar