Ukraine: Einen langen Krieg vermeiden!

Der jüngste Bericht der RAND Corporation nimmt hinsichtlich des Ukraine-Kriegs eine konträre Position zur politischen Klasse in Washington und ihren globalistischen Verbündeten ein.

Kriege enden, wenn es zu einer kritischen Spaltung zwischen den Eliten kommt, die zu einer Änderung der Politik führt. Das schreibt Mike Whitney in „Ukraine Is Sinking. Are Western Elites Bailing Out?

Der neue Bericht der RAND Corporation mit dem Titel „Avoiding a long war: US policy and the trajectory of the Russia-Ukraine conflict" stellt genau eine solche Spaltung dar. Mächtige Eliten brechen mit der Mehrheitsmeinung, weil sie glauben, dass die derzeitige Politik den USA schadet. Der Bericht gipfelt in dem Satz: „Die Kosten und Risiken eines langen Krieges in der Ukraine sind beträchtlich und überwiegen die möglichen Vorteile eines solchen Weges für die Vereinigten Staaten."

Die RAND Corporation ist nicht irgendwer – sie ist die renommierteste Denkfabrik für nationale Sicherheit in den USA. Whitney glaubt, dass dieser Perspektivwechsel an Dynamik gewinnen wird, bis er zu einer durchsetzungsfähigeren Forderung nach Verhandlungen führt. Ähnlich hat sich vor einiger Zeit bereits George Friedman geäußert, der schrieb: „Am wahrscheinlichsten ist es, dass der Krieg weitergeht, aber seien Sie nicht überrascht, wenn es zu ersten Gesprächen über eine Lösung kommt.“ In dieselbe Richtung geht auch ein Artikel in der Washington Post, der als neue Direktive in der Außenpolitik gedeutet wird.

In den zurückliegenden elf Monaten wurde immer wiederholt, dass die USA die Ukraine „so lange wie nötig" unterstützen wird. Jetzt wird nahegelegt, so Whitney, dass es nicht mehr möglich ist, Russland aus der Ukraine zu vertreiben, ohne die Interessen der USA zu untergraben.

Je mehr Verluste die Ukraine auf dem Schlachtfeld erleidet und je offensichtlicher wird, dass Russland das gesamte Gebiet östlich des Dnjepr kontrollieren wird, desto deutlicher treten die Mängel in der Strategie Washingtons zutage und desto schärfer wird sie kritisiert werden, vermutet Whitney.

Die Menschen werden die Weisheit der Wirtschaftssanktionen in Frage stellen (zur mangelnden Wirksamkeit siehe z.B. hier!), die unseren engsten Verbündeten schaden und Russland helfen. Sie werden sich fragen, warum die USA im Frühjahr 2022 absichtlich ein Friedensabkommen sabotiert haben (Verhandlungen in Istanbul, via Boris Johnson), obwohl die Wahrscheinlichkeit eines ukrainischen Sieges gegen Null geht.

Der RAND-Bericht scheint all diese Fragen sowie den Stimmungsumschwung, den sie auslösen werden, vorauszusehen. Aus diesem Grund drängen die Autoren auf Verhandlungen und ein schnelles Ende des Konflikts.

Ein Artikel bei RT kommentiert: „Die RAND Corporation, eine sehr einflussreiche, direkt vom Pentagon finanzierte Denkfabrik für nationale Sicherheit, hat einen bahnbrechenden Bericht veröffentlicht, in dem es heißt, dass die Verlängerung des Stellvertreterkriegs den USA und ihren Verbündeten aktiv schadet, und Washington vor einem ‚langwierigen Konflikt’ in der Ukraine warnt.“

Hier ein Auszug aus dem Bericht, der in der Mitte des Textes fett gedruckt wurde: „Da die Vermeidung eines langen Krieges nach der Minimierung der Eskalationsrisiken höchste Priorität hat, sollten die Vereinigten Staaten Schritte unternehmen, die ein mittelfristiges Ende des Konflikts wahrscheinlicher machen."

Der Bericht führt zwar die wichtigsten Eskalationsrisiken auf wie etwa die Ausweitung des Krieges unter direkter Beteiligung der NATO, ein Übergreifen des Konflikts auf andere EU-Länder und einen Atomkrieg. Aber es wird nicht erklärt, warum genau ein „langer Krieg" für die USA so schädlich wäre.

Whitney glaubt, dass damit kaschiert werden soll, dass das Gegenfeuer der Sanktionen und die Bildung antiamerikanischer ausländischer Koalitionen die Pläne der USA zur Aufrechterhaltung ihres Griffs nach der Weltmacht unterminiert. Nationen wie China, Russland, Indien, Brasilien und der Iran lösen sich von der Tyrannei des Dollars als Weltreservewährung. Das wird in den USA eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe auslösen, so Whitney.

Meine Meinung:
Gut möglich, dass die USA es in absehbarer Zeit nicht schaffen, Russland über ihren Stellvertreter in die Flucht zu schlagen und im Inneren entscheidend zu schwächen. Aber vielleicht war das auch gar nicht ihr oberstes Ziel, vielleicht war das nur „nice to have“?

Was haben sie mit dem von ihnen nicht unmaßgeblich provozierten Ukraine-Konflikt bis jetzt erreicht? Sie haben einen so großen Keil so tief zwischen Russand und Deutschland, bzw. West-Europa getrieben, dass aus US-Sicht wahrscheinlich auf Jahrzehnte keine wirkliche Annäherung zu befürchten ist.

Gleichzeitig haben sie unter tatkräftiger Mithilfe westeuropäischer Politiker (nicht zuletzt von den Grünen) eine Sklaven-artige Abhängigkeit Deutschlands und West-Euopas von den USA erreicht (nicht nur in Energiefragen (LNG)). Sie können dadurch auch sicher sein, dass sich dieser Teil der Welt nicht an den Loslösungs-Tendenzen vom Dollar-Imperium beteiligen wird, bzw. kann.

Insofern ist der Heartland-Doktrin voll und ganz Genüge getan. Ich denke, das war und ist das wesentliche Ziel der USA in diesem Teil der Welt.

Also können sich die US-Imperialisten entspannt zurücklehnen. Der RAND-Bericht gibt ihnen nun die Argumentation an die Hand, sich der nächsten Stufe zu widmen, nämlich einen Status quo festzuschreiben. In Vorbereitung dazu wird in der nächsten Zeit wohl besonders heftig mit dem Säbel gerasselt, ebenso auf russischer Seite. Das alles aber mit dem Ausblick auf einen für einige Zeit tragfähigen Waffenstillstand (oder mehr). Der kann nur beruhen auf einer wie auch immer gearteten Aufteilung der Ukraine, wobei die West-Ukraine der EU als Klotz ans Bein gebunden wird. Die wesentlichen Assets dort sind schon in US-amerikanischem Zugriff (z.B. Blackrock & Co).

Das hört sich schlimm an und ist es auch, insbesondere auch für diejenigen Ukrainer, die aus ehrenwerten Gründen für ihr Land in den Krieg gezogen sind. Sie sollten die Marionetten in ihrer Regierung zur Verantwortung ziehen.

Ist dies alles in trockenen Tüchern, kann sich die von den Neocons ausgerichtete Außenpolitik der USA ganz dem übergeordnet wichtigsten Thema widmen: China.

Nachtrag:
(5.2.23) Siehe auch „Was andere Medien sagen“ – Eintrag vom 5.2.23 (NZZ)
(5.2.23) Siehe auch „RAND-Notizen: Der Ukraine-Krieg wird zum Störfaktor amerikanischer Hegemonialinteressen

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