S&P 500 und NDX haben die siebte Verlustwoche vollbracht, der S&P 500 steht jetzt 18,7% tiefer als am 3. Januar, dem vormaligen Allzeithoch. Der Dow bringt es auf acht Verlustwochen in Folge, das war zuletzt 1932 erreicht worden. Zu den Sorgen wegen Inflation, Geldpolitik, Ukrainekrieg und überhaupt haben sich Warnsignale von US-Einzelhändlern hinzugesellt. Das Nachfragepotenzial der Verbraucher schwäche sich ab, heißt es unter Hinweis auf deren Zahlen für das erste Quartal.
Der S&P 500 hat per Schlusskurs am zurückliegenden Freitag mit 3901,36 knapp an einer wichtigen Abwärtslinie aus Januar geschlossen. Er bringt es auf einen Wochenverlust von drei Prozent. Äußerst bemerkenswert finde ich, dass der Index intraday genau bis zum 38er Retracement des Anstiegs seit 23. März 2020 gefallen ist, bevor er drehte und mit einem marginalen Plus gegenüber dem Vortag schloss. Gut gerechnet – an einen Zufall mag ich in diesem Zusammenhang nicht glauben (Chartquelle).
Der gewöhnlich sehr zuverlässige Sentiment-Indikator der Bank of America steht jetzt im bärischen Extrembereich bei 1,5 in einer Spanne von 0 bis 10 (Extremzonen unter zwei und über acht). Der eigene, aus Stockastik, RSI und MACD gebildete TQual-Indikator zeigt sich ebenfalls weit im bärischen Bereich nahe seiner Extremzone.
Die kurzfristige Richtung weist steil nach unten, so dass eine weitere Abwärtsbewegung bei Aktien nicht auszuschließen ist, etwa ein nochmaliger Test des 38er Retracements im S&P 500 bei 3806. Darüber hinaus ist aber die Wahrscheinlichkeit für die Orientierung nach oben höher.
Der Beginn eines neuen Bull-Marktes dürfte es dennoch nicht werden. Michael Hartnett, Analyst bei der BofA, stellt den Bezug zu einigen historischen Daten her. Die 19 Bär-Märkte in den USA in den zurückliegenden 140 Jahren haben zu einem mittleren Kursabschlag vom vormaligen Hoch von 37,3% geführt und im Mittel 289 Tage gedauert. Das ergibt einen Zielkurs im S&P 500 von rund 3000, das Ende der Bär-Marktes wäre demnach am 19. Oktober 2022 erreicht. Den Pegel von 3600 bezeichnet er als den neuen bullischen Fall, das wäre immer noch ein Rückzug gegenüber dem jüngsten Hoch von 25%.
Hartnett kommt auf einen weiteren interessanten Punkt zu sprechen: In den zurückliegenden 40 Jahren war der Yen und der Schweizer Franken jeweils ein guter Hedge bei Wall-Street-Crashes. Der folgende Chart zeigt, was er meint, dargestellt wird die Veränderung des Währungspaares Yen/Dollar in einem gleitenden sechs-Monatsvergleich.
Seit Anfang März hatte das Währungspaar Yen gegen Dollar deutlich abgegeben, in den zurückliegenden Tagen setzte aber eine Gegenbewegung ein. Der von Hartnett eingezeichnete rote Pfeil zeigt, dass er jetzt eine steile Aufwertung des Yen erwartet.
Klammert man alle sonstigen Einflussfaktoren aus, so würde das darauf hindeuten, dass von nun an verstärkt Yen-Carry-Trade-Kredite aufgelöst würden. Das ist ein Zeichen zunehmender Risiko-Aversion, zumal die Bank of Japan eisern ihren Nullzins-Kurs verfolgt und die Fed ihre Leitzinsen weiter anheben will. Auch beim Währungspaar Euro/Yen kommt es seit der zweiten April-Hälfte zu einer Gegenbewegung mit möglicher Topp-Bildung. Die EZB hat angekündigt, ihre Leitzinsen ab Juli zu erhöhen. Ebenfalls ein eher ungünstiges Bild für die Risiko-Orientierung (siehe auch hier!).
Ein weiteres Zeichen von Risikoaversion ist die Entwicklung des „BofA Merrill Lynch US High Yield Master II Option-Adjusted Spread“. Unschwer ist zu erkennen, dass der Pegel von 5% (braun) eine Bedeutung als Warnung hat. Den Alarmpegel würde ich bei 6,5 bis 7,0% (rot) ansiedeln (Chartquelle).
Stell man den ICE BofA High Yield Index (kein Spread) dem S&P 500 gegenüber, so zeigt sich, dass beide Zeitreihen normalerweise gegenläufig sind – steigende Renditen von Ramschanleihen laufen mit fallenden Kursen im S&P 500 zusammen. Auch aus dieser Sicht ist es durchaus denkbar, dass es am aktuellen Punkt zu einer Gegenbewegung kommt.
Ein weiteres Indiz für eine zeitweilige Renaissance der Bullen gibt auch die Voluumenverteilung im S&P. Sie ist aktuell in Akkumulation gekippt, die auf steigende Aktien entfallenden Volumina sind größer als die auf fallende Aktien (siehe auch hier!). Zudem tritt bei der Gegenüberstellung der Zahl steigender zur Zahl fallender Aktien (ADL) eine Bodenbildung ein und die Marktbreite nach TRIN scheint sich im bärischen Bereich zu stabilisieren. Bei beiden letztgenannten Indikatoren ist allerdings noch Luft nach unten, also kein wirkliches bärisches Extrem erreicht.
Hingegen zeigen die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis ein bärisches Extrem und unterlegen damit den Gesamteindruck, dass eine bullische Zwischenerholung nahe ist. Ein nochmaliger Test des 38er Retracements ist dabei, wie bereits gesagt, nicht ausgeschlossen. Im Chart des S&P 500 rückt auf der Oberseite der Pegel bei 3980 in den Fokus, womit auch die Abwärtslinie aus Januar überwunden wäre. Danach kommt der eminent wichtige Pegel bei 4160 in den Blick. Unterhalb davon liegt bei 4127 das 38er Retracement des Abstiegs seit Januar. Möglicherweise schaffen die Bullen noch das 62er Retracement 4319, knapp über dem Psycho-Pegel 4300 (Chartquelle).
Wird auf der Unterseite die Zone bei 3800 unterschritten, ist es nicht mehr weit bis zu Harnetts bullischen Fall von 3600.
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