Der ehemalige US-Präsident Trump hat versucht, die amerikanische Fertigungsindustrie durch Zölle und andere Handelsbarrieren zu beleben. Auf diese Art wurde Amerika nicht „great again“. Mit den Sanktionen gegen Russland und mit dem Krieg in der Ukraine könnte das nun eher funktionieren.
Erdgas kostet in Europa bereits heute viermal mehr als in den USA. Bis Anfang 2021 waren die Unterschiede noch gering. Bei der Produktion von Zement, Papier, Stahl, Glas oder auch Kunstdünger gibt es derzeit wenig Alternativen zum Erdgas. In Deutschland entfiel 2021 rund ein Viertel des gesamten Verbrauchs an Endenergie auf Erdgas. Da schlagen die hohen Kosten für Erdgas entsprechend negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie durch (Chartquelle – Preis in Dollar je Million "British Thermal Units").
Zudem wird die Produktion von Fracking-Gas in den USA wieder rentabel. Das teure Flüssiggas (LNG) kann wieder vermehrt mit hohen Gewinnen exportiert werden. Bei LNG ist der Prozess der Verflüssigung, die Kühlung beim Transport, der Transport selbst und die Regasifizierung am Import-Terminal sehr energieaufwändig. LNG ist damit in aller Regel klimaschädlicher als über Pipelines transportiertes Erdgas. Außerdem stammt US-amerikanisches LNG, dem zurzeit größten Importeur nach Europa, oft aus Fracking-Quellen, die mit besonders hohen Umweltschäden und Emissionen verbunden sind. Mit der Fracking-Technik wird in den USA der überwiegende Teil des Erdgases gewonnen.
Auf Geheiß der USA wollen europäische Länder weniger billiges russisches Erdöl und Erdgas kaufen. Das soll Russlands Deviseneinnahmen schmälern. Andere Länder liefern diese Energieträger zu höheren Preisen. Und Russland verkauft sein Erdöl dann eben an andere Länder, und sicher nicht zu Schnäppchenpreisen. Und auch nicht in Dollar oder in Euro, sondern z.B. in Rubel. Wen wundert es, dass die russische Währung so hoch gegen Euro notiert wie seit Mitte 2019 nicht, gegen Dollar verhält es sich ähnlich.
Der Iran verfügt über ähnlich große Erdgas-Reserven wie Russland. Das könnte ein vergleichsweise günstiger Ersatz für russische Lieferungen sein und somit auch das US-Fracking-Geschäft erschweren. Wenn da nicht die USA wären: Sie werfen dem Iran vor, weiterhin an der Entwicklung einer Atombombe zu arbeiten. Also steht das Land weiter unter Boykott… Und Europa zahlt.
„Das Sanktionsregime gegen Russland, das auf Drängen der USA die Energielieferungen, die Zahlungssysteme und jegliche Produktionsstätten in Russland betrifft, bedeutet für die Volkswirtschaft der USA eine Stärkung,“ schreibt Gabor Steingart in seinem „Morning Briefing“. Dank der gestiegenen Energiepreise und der vollen Auftragsbücher der US-Rüstungsfirmen hat sich dieser Krieg für die USA finanziell bereits gelohnt: „Die drei grössten amerikanischen Öl- und Gaskonzerne, ExxonMobil, Chevron und ConocoPhillips, erwirtschafteten im ersten Quartal des Jahres 16 Mrd. Euro Gewinn.“
Von den explodierenden Öl- und Gaspreisen profitieren auch andere Unternehmen aus dem Energiesektor. So haben sich die Gewinne von BP in den ersten drei Monaten dieses Jahres mehr als verdoppelt. Der Quartalsgewinn kommt auf 6,2 Mrd. Dollar, plus 138% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im November letzten Jahres bezeichnete der BP-Chef Bernard Looney den Energiemarkt vorausschauend schon als „Gelddruckmaschine“. Analysten raten zum Kauf der Aktien der großen Energieanbieter, obwohl die Kurse der fünf größsten Werte im Durchschnitt schon um mehr als 50% gestiegen sind.
Auch die Aktien der Rüstungskonzerne Lockheed Martin (+24%), Northrop Grumman (+18%) und Raytheon schiessen seit Anfang des Jahres in die Höhe. Die deutsche Rheinmetall erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit am Aktienmarkt – plus 150% seit Jahresbeginn, auch dank der 88(!) Gepard-Panzer, die man noch auftreiben konnte, um sie in der Ukraine zu verwerten.
Zum teuren Öl und Erdgas kommt der teurere Dollar. Die Importe aus den USA verteuern sich so bei den europäischen Ländern noch zusätzlich, der Dollar ist, auch dank der Geldpolitik der Fed, heute 16% teurer als vor einem Jahr. Immerhin reduziert das den mit den hohen Gaspreisen verbundenen Standortnachteil für die euopäische Exportindustrie etwas.
Immer mehr Beobachter sprechen da von einer „Renaissance der amerikanischen Exportindustrie“. Das Institut der deutschen Wirtschaft fasste Ende März die nachteilige Lage der europäischen Länder so zusammen: „Internationale Investoren bevorzugen den amerikanischen Markt insbesondere aufgrund der besseren Verfügbarkeit von natürlichen und finanziellen Ressourcen (…) Im Vergleich mit China und den USA ist die EU mit Blick auf die Rohstoffverfügbarkeit auf eigenem Territorium strukturell im Nachteil und muss sich auf offene Weltmärkte verlassen.“ Nicht zuletzt sind auch die mehreren Millionen aus der Ukraine Geflüchteten eine finanzielle Herausforderung für Europa.
Der Krieg und die Sanktionen liessen Russlands Weizenexporte einbrechen, die Preise für Weizen, Futtermittel und Dünger schnellten auf dem Weltmarkt in die Höhe. Davon sind wiederum die USA am wenigsten betroffen, in Europa werden Lebensmittel hingegen deutlich teurer.
Noch viel stärker aber sind arme Länder betroffen. In einigen afrikanischen Ländern sowie in Staaten wie Brasilien, Argentinien oder Chile führen stark steigende Preise schon heute zu sozialen und politischen Unruhen. Die Preise von Nahrungsmitteln dürften noch weiter steigen, die Welternährungsorganisation FAO erwartet eine Knappheit an Dünger. Davon könnten wiederum Nahrungsmittel-Exporteure wie die USA, Indien und Zentralasien profitieren.
Bleibt als Resümee: Europa, der treue Verbündete der USA, guckt nicht zuletzt aufgrund eigener Beschränktheit in die Röhre. Und aus der kommt kein Gas, nicht mal heiße Luft. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde.
[Unter Verwendung von Material aus "Putins Krieg verschafft den USA Vorteile gegenüber Europa"]
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