Die Inflation wird jetzt auch in den großen Preis-Indices spürbar. Der jüngste in der Reihe ist der PCE-Preisindex (Kern, ohne Lebensmittel und Energie). Er ist im März um 1,83% gegenüber dem Vorjahr angestiegen nach +1,37% im Februar.
Das hat natürlich auch etwas mit dem Basiseffekt zu tun – im März 2020 brach die „Corona-Krise“ voll durch. Der Preisindex bewegte sich da noch bei 1,65% jährlicher Steigerung, im April sackte er auf 0,93% ab. Der PCE-Kernpreisindex wird von der Fed besonders beachtet, heißt es.
Das Q1-BIP der USA hat um annualisiert 6,4% zugelegt. Die in diesem Zusammenhang veröffentlichten Makroindikatoren zeigen eine deutliche Belebung an. Das nachfolgende Bild zeigt die Entwicklung über die zurückliegenden drei Wochen. Der grüne Fleck zeigt das zusammengefasste Ergebnis einiger Sentimentindices, der blaue Kreis repräsentiert ausgewählte Fundamentaldaten. Horizontal ist die längerfristige Entwicklung aufgetragen, vertikal die kürzeren Tendenzen. Die gesamte Makrolage befindet sich an der Grenze zwischen Aufschwung- und Boom-Quadrant (der Rezessionsquadrant ist links unten, der Abschwungquadrant rechts unten).
Eine inflationäre Entwicklung ist für Schuldner willkommen. Der Schuldenstand ist heute wesentlich höher als noch vor Jahresfrist, dank der Verwerfungen, die die Reaktionen auf das Coronavirus nach sich zogen. Der inflationäre Schub düfte eine zeitlang anhalten, insbesondere dann, wenn die Verbraucher im Kontext nachlassender Einschränkungen und weiterer Rücknahme von Corona-Restriktionen wieder stärker ans Konsumieren denken. Sie können das auch, angesichts einer Sparquote von 27,6% im März, bzw. eines Sparvolumens von 6 Bill. Dollar.
Die stark gestiegene Verschuldung aber ist es, die unausweichlich einer Lösung zustrebt. Und durch die weiteren, von US-Präsident Biden geplanten Anreizprogramme für Infrastruktur, Bildung usw. kommen nochmals mehr als 3,5 Bill. Dollar an Schulden hinzu. Vermutlich kommt das böse Erwachen genau mit steigenden langfristigen Zinsen als Reaktion auf weiter steigendes Preisniveau. Es sieht so aus, als dass die die Renditen am langen Ende nach einer leichten Korrektur im April nun wieder anziehen. Die Rendite der 10yr-TNotes notiert mit gut 1,6% über einer langen Abwärtslinie (aus 1986), die bisher nur 2018 für längere Zeit überwunden wurde. Im Herbst 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu einem Absturz bei Aktien, als die Rendite ein Topp oberhalb von 3% markiert hatte.
Tom McClellan stellt die Earnings-Yield, das invertierte KGV, nach Shiller (CAPE) der Benchmark-Rendite der 10yr-TNotes (TNX) gegenüber, die seit den 1960er recht gut parallel laufen. Demnach liegt TNX ein Stück weit unter der Earnings-Yield, was signalisiert, dass Aktien durchaus noch Aufwärtspotenzial hätten. Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass in Zeiten nachhaltiger steigender Renditen steigende KGVs bei Aktien weniger wahrscheinlich sind. Im Rahmen des laufenden 60-jährigen Zinszyklus ist zu erwarten, so McClellan, dass wir mit steigenden Renditen bis in ungefähr 2040 rechnen müssen (McClellan sieht um 2015 einen Boden bei der Rendite, nur kurzfristig durchbrochen von „Corona“). Daraus folge, dass KGVs eher kontrahieren und Aktienkurse nicht so weiter steigen, wie wir das in den modernen Zeiten von QE gesehen haben.
Jeroen Blokland (h/t @jsblokland) kommt zu der Ansicht, dass US-Aktien nach Vergleich von „US high yield spread“ und VIX-Index noch Potenzial haben. Beide Zeitreihen laufen eng synchronisiert zusammen. Die Aktien-Bewertungen seien zwar hoch. Aber der Zinsspread liegt unter der VIX-Notation. Das lege nahe, dass Aktien relativ attraktiv sind (Quellen für die folgenden drei Charts @jsblokland).
Zum selben Schluss kommt er mit Blick auf die Exporte von Süd-Korea. Diese sind in den ersten 20 Tagen des April um 45% im Jahresvergleich gestiegen. Die Datenreihe ist gut korreliert mit den globalen Gewinnen je Aktie. Diese sollten jetzt genauso anziehen, was die KGV-Bewertungen sinken lässt und damit Raum für eine weitere Steigerung der Aktienkurse gibt, so Blokland.
Auf Basis der fünfjährigen Breakeven-Rendite kommen die Inflationserwartungen auf rund 2,3%. Anfang 2013 hatten sie zuletzt die Marke von 3% erreicht. Insofern hat Fed-Chef Powell die Inflation auf seiner Seite, sagt Blokland. Powell sieht ein Überschießen der Inflation über die Zielmarke der Fed bei zwei Prozent gelassen, er argumentiert, das sei vorrübergehend. Die Lage kann sich aber rasch ändern, wenn etwa die Rohstoffpreise, insbesondere die Ölpreise weiter klettern. Das Nachholpotenzial bei den Konsumenten schafft Raum für die Überwälzung der mit den steigenden Rohstoffpreisen zusammenhängenden Kosten der Unternehmen auf die Endpreise. Lieferengpässe, ob real oder lediglich vorgegeben, tun ein übriges, um entsprechende Erwartungen zu schüren.
Der erste Aufwärtsimpuls nach dem offenen Aufbruch der Finanzkrise endete nach 208 Tagen am 19.5.10. Es folgte einer, der am 3.8.2011 zu Ende ging, er dauerte 232 Handelstage. Am 20.8.15 ging ein Aufwärtsimpuls mit 807 Handelstagen zu Ende. Es folgte ein weiterer mit 586 Tagen Dauer, der am 23.10.18 aufhörte. Am 11.2.19 startete im S&P 500 ein weiterer Aufwärtsimpuls, der am 26.2.20 mit 271 Handelstagen Dauer sein Ende fand. Am 13.5.20 startete ein weiterer, er dauert jetzt 241 Handelstage. Mal schauen, ob der sich länger halten kann als sein Vorgänger – ich glaube nicht. (Ein Aufwärtsimpuls dauert nach dieser Betrachtung so lange, so lange der Kurs über der EMA50w notiert.)
Der S&P 500 hat in der zurückliegenden Woche mehr oder weniger Wasser getreten. Die großen Tech-Werte, die bei dem Index knapp 40% ausmachen, haben in der laufenden Quartalssaison durchweg positiv überrascht. Erkennbar war hier aber die Neigung zu Gewinnmitnahmen. Das hat wohl auch etwas mit der Erwartung der Rücknahme von „Corona“-Beschränkungen zu tun. Diese hatten deren Geschäftsmodell lange begünstigt. Mit der „Öffnung“ könnte deren relativer Vorteil erst einmal in den Hintergrund treten, so die Überlegung.
Der S&P 500 kriecht weiter an der Oberkante eines Aufwärtskanals aus Oktober 2020 dahin. Der Abstand zur EMA200 ist hoch, eine ähnliche Übertreibung gab es Ende August 2020. Davor muss man lange suchen, um eine vergleichbare Situation finden – Ende Januar 2018 wäre ein weiterer Kandidat. In allen Fällen kam es zu einem deutlichen Rückzug der Aktienkurse.
Das meiste an positiven Impulsen dürfte zunächst eingepreist sein, die Quartalssaison ist im wesentlichen gelaufen, die Gewinnentwicklung im S&P 500 wird für Q1 mit +46% y/y erwartet. Jetzt ist eher abwarten angesagt, ob die hohen Erwartungen auch erfüllt werden. Auch in Zusammenhang mit dem schwächeren saisonalen Umfeld ist jetzt eher mit einer volatilen Konsolidierung zu rechnen. Fokus ist zunächst die EMA50 bei ~4030, die Untergrenze des Abwärtskanals liegt aktuell bei ~3960 (Chartquelle).
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