Die zurückliegenden Tage haben sich angefühlt als stünden die Finanzmärkte vor einer Wende. Solche übergeordneten Wenden vollziehen sich normalerweise nicht in einem, auch nicht in sieben Tagen. Aber der Anfang könnte eingeleitet sein.
Die bemerkenswerteste Äußerung der zurückliegenden Woche gab es am Mittwoch. Fed-Chef Powell meinte allen Ernstes, das Inflationsziel der Fed von zwei Prozent werde erst in drei Jahren erreicht, also 2024. Angesichts dessen, was sich seit Monaten hinter den allgemein beachteten Inflationsindices abspielt, ist die Äußerung zumindest "unverfroren".
Aktionäre ließen daraufhin die großen Indices steigen. Aber schon am nächsten Tag fehlte ihnen der Glaube, es ging nach unten – der S&P 500 fiel um fast 2,5%, der NASDAQ fiel um über 3,5%. Am Freitag konnte der NDX eine Gegenbewegung in den Handelsschluss mitnehmen, der S&P 500 gab weiter nach. Der NDX hat im Februar um ein Prozent zugelegt, der S&P 500 bringt es auf +2,6%, der Dow auf +3,2%.
Die Bank of America sieht den Tsunami monetärer und fiskalischer Anreize, gepaart mit dem Anstieg der Geldumlaufgeschwindigkeit (wenn die Weltwirtschaft aus der „Corona“-Blockade herauskommt), zu einer beispiellosen wirtschaftlichen Überhitzung führen. Es erinnert an einen Präzedenzfall, wie Michael Hartnett, CIO der BofA, schreibt, an das Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg. Er vergleicht die damalige Mixtur nach Kriegsende aus steigender Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und Inflation, aufgestauten Ersparnissen, verlorenem Vertrauen in die Währung und in die Behörden, sowie die Monetarisierung von Schulden durch die Reichsbank mit der heutigen Situation.
Die Rendite der 10yr-TNotes stieg am Donnerstag um 10,3% auf 1,525%, die der 2-yr TBills stieg sogar um 36,4% auf 0,176%. Letztere sind relativ gut korreliert mit Erwartungen hinsichtlich des Verlaufs der Leitzinsen, die effektive Fed Funds Rate liegt aktuell bei 0,07%. Entsprechend stürzten die TBond-Kurse am Donnerstag auf unter 160, das Niveau war zuletzt in der zweiten Hälfte Januar 2020 erreicht worden. Am Freitag kam es zu einer Gegenbewegung, die 2yr-TBills fielen um 31,2% auf 0,121%, die 10yr-TNotes fielen um 7,2% auf 1,415%. Das sind bezogen auf die Größe des Bond-Marktes Erdbeben…
Die Rendite der 10yr-TNotes notiert jetzt an einem von den Tiefs aus Juli 2012 und Jahresmitte 2016 herührenden statischen Pegel und zugleich nahe einer aus 1986 stammenden Abwärtslinie. Diese war in den zurückliegenden 20 Jahren selbst im Kontext der Finanzkrise nur kurz nach oben aufgehebelt worden. Als sie ab November 2017 bis Mitte 2019 überboten wurde, entwickelte sich der S&P 500 zunächst sehr volatil. Als die Rendite im Oktober 2018 das vormalige lokale Topp aus Anfang 2014 überschritt, stürzte der Aktienindex ab. Erst als klar war, dass die Rendite wieder dauerhaft abrutscht, fing sich der S&P 500 und stieg von der Jahreswende 2018/2019 aus stark an – bis Mitte Februar 2020 „Corona“ kam.
Rohstoffe in Gestalt der CRB-Index, sowie Kupfer haben zuletzt deutlich korrigiert, der ETF-Highflyer „Global Clean Energy“ hat seit seinem Hoch Mitte Januar über 20% eingebüßt.
Die Inflationserwartungen (10yr-Breakeven Rate) kommen auf 2,15%. Anleger verkaufen Treasurys schneller als Fed und Banken sie kaufen, weil sie Angst vor weiteren Kapitalverlusten haben. Der iShares 20Year+ Treasury Bond ETF (TLT) zeigt in den zurückliegenden sechs Monaten einen Verlust von 13% (TBonds kommen im selben Zeitraum auf -8%). Sogar Inflations-geschützte Anleihen haben in Vorwegnahme höherer realer Renditen verloren, der PIMCO 15 Year+ TIPS Bond ETF (LTPZ) liegt um 6% tiefer als Ende August (h/t Colin Twiggs).
Es wird erwartet, dass die Fed künftig ihre Bond-Käufe stärker auf längere Laufzeiten verschieben wird, um die Rendite dort zu drücken – der Einstieg in die Politik der Kontrolle der Zinsstruktur, wie das die Bank of Japan seit vielen Jahren vormacht.
Die Aktienmärkte sind wegen der zwischenzeitlich erheblich weiter angestiegenen Verschuldung noch sensibler in Bezug auf den Verlauf der Renditen, wie u.a. hier dargestellt. Das wird auch dadurch deutlich, dass der S&P 500 aktuell an seiner EMA50 notiert, die noch dazu in die Waagerechte eingeschwenkt ist. Knapp unterhalb des Schlusskurses vom Freitag verläuft eine wichtige (grüne) Aufwärtslinie aus 2016 (Chartquelle).
Das US-Repräsentantenhaus hat am frühen Samstag Morgen den Stimulus über 1,9 Bill. Dollar passieren lassen. Im Rahmen dieses Pakets sind auch direkte Zahlungen in Höhe von 1.400 Dollar je Steuerzahler vorgesehen, sowie eine Ausdehnung der staatlichen Zuzahlung zur Arbeitslosenunterstützung und Hilfen in Höhe von 350 Mrd. Dollar für bundesstaatliche und lokale Regierungen. Das Votum des Senats steht noch aus.
Die verfügbaren Einkommen in den USA kommen im Januar auf plus 13,3% gegenüber dem Vorjahr, die Sparquote liegt mit aktuell 20,5% sage und schreibe knapp 170% über dem Wert vom Januar 2020. Das unterstreicht das enorme kurzfristige Konsumpotenzial, sollte die Stimmung nachhaltig drehen, sprich, sollte die "Pestgefahr" weiter nachlassen, wie es der starke Rückgang der neuen Covid-19-Fälle nahelegt (h/t Colin Twiggs).
Jeroen Blokland (h/t @jsblokland) zeigt mit der folgenden Graphik, dass Bonds seit 1977 nur drei Mal eine negative Kalenderjahresrendite erzielt haben. Berücksichtigt man die Tatsache, dass das Risiko bei Anleihen relativ gering ist, so hat man es mit einer der besten Anlageklassen der letzten mehr als 40 Jahre zu tun, schreibt er. Basierend auf den letzten vier Jahrzehnten sei eine gewisse Vorsicht gegenüber Wetten gegen Anleihen angebracht.
Die Dekadendarstellung am unteren Rand des Charts zeigt jedoch den über längere Zeiträume abnehmenden Ertrag („Cumulative Return“ und „Ann. Return“). Die guten Zeiten für Anleihen könnten zu Ende gehen. Zumindest das Jahr 2021 und höchstwahrscheinlich auch das Jahr 2022 dürfte zu anhaltend negativen Erträgen bei Anleihen führen, schreibt Blokland.
Ob Aktien davon mit TINA („There Is No Alternative“) profitieren? Anders gefragt: Wird es der Fed gelingen, die langfristigen Renditen mit starken Käufen niedrig zu halten, um zu verhindern, dass das Überhitzungs-Szenario, wie es die BofA skizziert (s.o!) auf die Renditen durchschlägt.
Die Situation wird allmählich extrem labil und fragil. Angesichts des Bull-Runs, den wir hinter uns haben, wächst damit die Wahrscheinlichkeit für eine starke Abwärtsreaktion bei Aktien (siehe auch hier!.
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Guten Tag,
das Thema "Inflation" – das meiner Meinung nach neuer Begriffe/Wörter bedarf – wird die nächste Zeit öfter Headline werden:
Vor 10 Jahren habe ich die Thesen von Bill Bonner "The Empire of Dept" zu 100% geteilt.
In der Zwischenzeit habe ich meine Meinung dazu geändert, weil es die "INFLATION" nicht mehr gibt.
Jens Erhard sagt im Handelblatt-Interview (siehe weiter unten), dass der Bitcoin-Hype und auch die "Gamestop" Story mit dem vielen überzähligen Papiergeld, das aus heisser Luft generiert wird, zu tun hat.
Was mir fehlt: Eine tiefschürfende long-term-analyse zu der Veränderung, die "digitales Geld", angefangen beim vom Gold abgekoppelten Dollar, über Bitcoin (als Beispiel für Kryptowährungen) zu dem zukünftigen chinesischen digitalen Renminbi/Yuan vs. der Kryptowährung, die die FED vorbereitet, bringen wird.
Was Europas Zentralbank vorbereitet lasse ich mal aus, weil das wird unbedeutend sein.
Ein Aspekt, der häufig vergessen wird ist mir wichtig: Die "Consumer Price Inflatuion" als Kennzahl wie sie seit langer Zeit berichtet und diskutiert wird ist total irrelevant und sollte nicht mehr erwähnt werden, weil jede Erwähnung ihr eine Bedeutung verleiht, die irreführend ist.
Überzähliges Geld wandert nicht in Billig-Essen, Billig-Spielzeug wozu ich auch die vielen Gadgets made in Billig-Lohn-Länder zähle. Das fällt ALLES unter "Brot und Spiele".
Die Musik spielt woanders, nämlich in Immoblien, bei den Big-Five (Google, Apple, Microsoft, Facebook, Amazon) und bei allen weiteren ASSETs, deren Preis mit der weltweiten Geldmenge M3 wächst; roundabout 10% p. a.
_________________________________________________________________________________________________________________Las Vegas Without the Free Drinks by Bill Bonner Tuesday, March 2, 2021
A system… contrived (in the Treasury Department) for deluging the states with paper-money instead of gold and silver, for withdrawing our citizens from the pursuits of commerce, manufactures, buildings, and other branches of useful industry to occupy themselves and their capitals in a species of gambling…
– Thomas Jefferson’s letter to George Washington, March 1, 1792, during the Panic of 1792, after the formation of the First Bank of the United States
YOUGHAL, IRELAND – Jefferson was right. But it took more than 200 years for the dagger he saw coming to reach the heart.
And now, it is here.
Commerce, manufactures, and other useful industries are in decline. The U.S. economy grew more than 5% per year during the Kennedy-Johnson years.
In Trump’s term, the growth rate was only 1.25% – the lowest since the Great Depression. —
New Era
But gambling is more popular than ever.
And now, the stock market – previously a place to discover the real values of America’s useful industries – is now a huge casino, like Las Vegas without the free drinks, where companies that might be worth zero are valued at billions of dollars.
How come?
Because the country has been deluged with paper money. Easy money. Fast money. Fake money. Stimmy money.
There, too, Donald Trump is a record-setter.
While he was president, the Federal Reserve’s balance sheet – which rises as the Fed “prints” more “paper” money – rose more than three times as fast as under George W. Bush and more than twice as fast as during the reign of Barack Obama.
Not surprisingly, U.S. debt increased faster, too.
During the Clinton years, the national debt rose at an annual average of about $200 billion. It rose three times faster under George W. Bush… five times faster under Obama… and 10 times faster under Trump.
All of which makes us wonder… What kind of hallucinations were the folks at CPAC, the Conservative Political Action Conference, suffering when they bowed down before the graven image of Donald Trump?
He is the least conservative of any president – Democrat or Republican – in history (setting aside, perhaps, FDR).
Oh yes… we forgot… it’s TPAC now. Conservatives are history. It’s a new era.
And it doesn’t matter what you think… what you say… or who you vote for – this sucker is going down.
Going Down
But wait… Maybe if we all pull together…
From a dear reader comes a practical question. What if we really did try to pay off the federal debt?
“As for the debt of our country,” asks Annette A., “what if everyone in this country gave $1 to $5 dollars on the principal of our debt every year? I really don’t know how many people live in the U.S., but it is a lot. How many years would it take? If this is done, I know that many rich people would give more than $5.”
Well, let’s see. If each American adult pitched in $5… every year… how long would it take to pay off $28 trillion in debt?
Hmmm…. We have the answer: 21,937 years! Or, approximately, until Hell freezes over.
And that’s only if the feds stop adding more debt… which ain’t going to happen.
Which is why we need the full George W. Bush insight. “If the money supply doesn’t loosen up,” said he, “this sucker will go down.”
Loosen Up
That’s what happens. At first, as Hemingway noted, inflating the money supply produces a little “temporary prosperity.”
But then, if you stop inflating, the pseudo prosperity disappears… and the sucker goes down.
This is the same trap that faced Rudolf von Havenstein in Germany… Gideon Gono in Zimbabwe… Celestino Rodrigo in Argentina… Delcy Rodríguez in Venezuela… and now, Jerome Powell in the U.S.
It’s inflate or die.
Each administration, naturally, wants more prosperity… even if it is temporary. So it needs to “loosen up” the money supply a little more.
That’s why the Fed’s real interest rate (charged to member banks) was below zero for all but a couple of quarters over the last 10 years.
And this leads to an even greater dependence on the deluge of paper money… and sets the nation up for an eventual catastrophe.
Here’s Yahoo! Finance last month:
Nearly 7 in 10 Americans in a Quinnipiac University poll said they support President Biden's $1.9 trillion coronavirus relief plan.
And here’s the Bank of America, warning that unless the Fed loosens up more… now… the sucker is going down again. From Business Insider:
Last week’s spike in interest rates has Bank of America analysts on edge about a potential stock market crash.
In a note on Friday, the bank highlighted the historic yield spike in mortgage-backed securities [MBS] and compared the current environment to 1987, when a continued jump in MBS yields preceded a stock market crash of more than 20%.
In 1987, an interest rate shock in April was followed by further rate increases that ultimately led to the October stock market crash, BofA said.
[…]
“Unless Fed fights back very soon with more treasury/MBS purchases, a similar fate likely lies ahead,” BofA warned.
Wrong Choices
Once a heavy object begins rolling down a steep hill, it doesn’t stop until it smashes into something.
It doesn’t matter what you say or what you think. As it rolls downhill, it gathers momentum, making it more and more dangerous to try to stop it.
And then you get dunderheads like George W. Bush, Ben Bernanke, Janet Yellen, Barack Obama, Donald Trump, and Jerome Powell shoving it along even faster.
We’re used to thinking that things are under our control… that if only “they” would do the right thing… make the right choices… we could avert disaster.
Maybe.
But once you’ve made the wrong choices for a long time, it’s almost impossible to make the right ones. The momentum is against you.
Regards,
Bill Bonner
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Jens Ehrhardt: „Die größte Blase aller Zeiten“
Der prominente Geldverwalter warnt vor den Gefahren der Kryptowährungen. Bei Aktien sieht Ehrhardt mehr Chancen als Risiken. An seiner hohen Dax-Prognose hält er fest:
– "Man hat den Eindruck, dass es sich beim Bitcoin um ein gigantisches Kettenbrief-System handelt." –
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Er ist einer der bekanntesten deutschen
Fondsmanager: Jens Ehrhardt. Seit mehr
als einem halben Jahrhundert ist der
Gründer der Vermögensverwaltung DJE
Kapital im Anlagegeschäft aktiv. So erfahren
wie er ist kaum jemand in der Branche.
Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt er, warum
er nichts von Bitcoins hält, die rasante Preisrally
der letzten Monate und Jahre sogar als historische
Spekulationsblase bewertet.
Prägante Börsenanalysen und die Fähigkeit,
diese in klaren Worten zu bündeln, das zeichnet
den gebürtigen Hamburger aus. Eine ebenso klare
Vorstellung hat der 78-Jährige davon, wie die von
Tradern auf der Reddit-Plattform angezettelte
Spekulation mit der Gamestop-Aktie enden wird.
Er erwartet ein „Blutbad für Kleinaktionäre“.
Der passionierte Segler bleibt trotz der unruhigen
Börsenentwicklung seiner früheren Dax-
Prognose von 16.000 Punkten treu, hält sie für
„keineswegs verwegen“. Er mag TechWerte wie
die Google-Mutter Alphabet. Bei sogenannten
Value-Titeln aus klassischen Branchen wie die
der Rückversicherer, Automobil- und Chemieunternehmen
und teilweise auch Banken glaubt
er an ein Comeback.
Herr Ehrhardt, der Bitcoin zählt im Moment
zu den kontrovers diskutierten
Themen an den Märkten. Die Kryptowährung
ist heute mehr als 50-mal so teuer wie
vor vier Jahren, verlor aber letzte Woche
ein Fünftel an Wert.
Bitcoin dürfte die größte spekulative Blase aller
Zeiten sein. Man hat den Eindruck, dass es sich
hier um ein gigantisches Kettenbrief-System
handelt, das nur möglich wurde, weil die Notenbanken
international eine noch nie da gewesene
Liquiditätswelle auslösten.
Sehen Sie das nicht etwas zu negativ?
Viele glauben, dass die Kryptowährungen
Teil einer technologischen Revolution sind,
die das gesamte Finanzwesen verändern
wird.
Man wundert sich, dass die großen Notenbanken
die Entstehung eines solchen Gebildes zugelassen
haben. Da werden im großen Stil inoffizielle
Gelder am Staat und der Steuer vorbei
transferiert. Und kriminelle Banden fordern ihre
Erpressungsgelder in Bitcoin.
Für lebhafte Debatten sorgten zuletzt nicht
nur die Kryptowährungen, sondern auch
der Kampf zwischen organisierten Kleinanlegern
und Hedgefonds um den Aktienkurs
des schwer angeschlagenen US-Videospielhändlers
Gamestop. War das eine
kurzlebige Erscheinung oder mehr?
Das ist für mich auch ein Ergebnis der offensiven
Politik der Notenbanken und Regierungen.
Da wurden gewaltige Geldmengen verteilt. Ein
Teil davon landete bei Brokern wie Robinhood.
Diese Broker hatten plötzlich Millionen neuer
Kunden.
Manche Beobachter sehen den Aufstieg
von Gratisbrokern wie Robinhood und den
Kampf um Gamestop als Indiz für die
Demokratisierung der Aktienmärkte – frei
nach dem Motto: Da versuchen es die
sogenannten kleinen Leute den mächtigen
Hedgefonds einmal zu zeigen.
Hinter dieser Argumentation steckt die Idee einer
Umverteilung zugunsten der Armen, während
die Hedgefonds mit ihren Leerverkaufspositionen
verlieren. Aber es ist kein Aufstand
wie vor Jahren mit der Bewegung „Occupy Wall
Street“. Auch den Gamestop-Aktienkäufern
geht es am Ende ums Geldverdienen.
Der Gamestop-Kurs ist mittlerweile auf
Achterbahnfahrt.
Die fundamentale Situation bei einem Unternehmen
sollte sich irgendwann durchsetzen.
Das Ganze wird am Ende in einem Blutbad für Kleinaktionäre enden.
Können sich solche Ereignisse wiederholen?
Jüngere Leute haben sich zu Käufen über das Internet
verabredet. Das werden sie auch in Zukunft tun.
Haben solche Spekulationen um kleine
Aktien wie Gamestop Folgen für den gesamten
Markt?
Die Kursschwankungen fielen ja stärker aus. Im
Januar ging es an der Wall Street leicht nach unten.
Ich vermute, weil die Hedgefonds solide Aktien
verkaufen mussten, um ihre Leerverkaufspositionen
einzudecken. Man muss aber auch das
Positive sehen: Mehr Menschen interessieren sich
für Börse.
Für Börsenskeptiker waren die Turbulenzen
bei Gamestop ein weiteres Zeichen für einen
heiß gelaufenen Aktienmarkt.
Man kann da tatsächlich viele rote Fahnen sehen.
Bitcoin ist ein Beispiel. Oder schauen Sie sich die
Entwicklung der Tesla-Aktie an. Die geringe Zahl
von Verkaufsoptionen in den USA könnte ein
weiteres Zeichen für Sorglosigkeit sein, ebenso
die niedrigen Barquoten der Fondsmanager. Also
rein markttechnisch, wie wir Börsianer sagen,
sieht das eher gefährlich aus.
Sie machen aber nicht den Eindruck, als
wären Sie ernsthaft besorgt.
Ich schaue diese markttechnischen Signale immer
genau an. Doch das allein genügt nicht. Wichtig
ist auch die monetäre Lage. Wann sind Aktienblasen
in der Vergangenheit geplatzt? Wenn die
Notenbank die Zinsen erhöhte, weil die Inflation
stieg, oder wenn sie etwas weniger Gas gab. Das
sehe ich vorläufig nicht. Deshalb kann die Spekulation
auch noch zunehmen
Welche Folgen wird in diesem Zusammenhang
das neue Konjunkturprogramm der
US-Regierung haben?
Während der Pandemie hat die amerikanische
Regierung schon über eine Billion Dollar verteilt.
Ärmere Familien erhielten bisher etwa 45.000
Dollar, was ich anfangs selbst kaum glauben
konnte. Die meisten haben das Geld gut gebrauchen
können. In der unerwartet langen Freizeit
entdeckten manche auch Aktien-Wetten für sich.
Auf die bisherigen Auszahlungen käme das geplante
1,9 Billionen Dollar schwere Hilfsprogramm
des neuen Präsidenten Joe Biden noch
obendrauf.
Müssten solche unglaublichen Geldsummen
nicht die Inflation anheizen?
Es werden enorme Beträge in die Hand genommen,
und die Inflation steigt schon. Die amerikanische
Geldentwertung wird schnell bei drei
Prozent sein. Bis dahin wird die US-Notenbank
auch nicht eingreifen.
Sie haben sich oft als Gold-Fan geoutet. Das
Edelmetall gilt als Inflationsschutz. Warum
steigt der Preis dann nicht, sondern fällt
deutlich?
Es sind noch zu viele Optimisten in diesem
Markt. Bis vor einigen Monaten war die Nachfrage
getrieben von börsengehandelten Goldfonds,
also von den Finanzinvestoren. Und die wechselten
dann vom Gold teilweise wieder zurück an
die gut laufenden Aktienmärkte. Der Optimismus
für das Metall sinkt zwar langsam, ich erkenne
aber noch kein Kaufsignal.
Bei den anderen Edelmetallen gibt es mehr
Bewegung.
Platin hat einen Preisschub hinter sich. Früher war
es viel teurer als Gold, jetzt ist das Edelmetall immer
noch billiger. Wenn die Asiaten als wichtige
Käufer für Edelmetalle wieder zugreifen, werden
sie Platin favorisieren. Auch wegen des erwarteten
Angebotsdefizits ist Platin im Vergleich zu
Gold vielleicht die bessere Wahl.
An den Aktienmärkten sind Tech-Aktien
zuletzt in Turbulenzen geraten. Manche sind
hoch bewertet. Fürchten Sie eine Korrektur?
Der Aufschwung kann weiter laufen, wenn auch
mit gedämpftem Tempo. Fed-Präsident Jerome
Powell und Finanzministerien Janet Yellen haben
schon gesagt, dass sie die Märkte weiter stimulieren
wollen. Also bleiben die Zinsen tief. Es gibt
wegen der Schuldenniveaus auch keine Alternative,
und tiefe Zinsen geben den Techwerten weiter
Rückenwind.
Also fürchten sie keine Wiederholung der
Technologieaktienblase zur Jahrtausendwende
– und des folgenden Crashs?
Damals waren die US-Zinsen bei sechs Prozent.
Das ist der Unterschied. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse
können weiter steigen.
Welche Aktien halten Sie im Moment für
attraktiv?
Zu unseren meistgekauften Aktien gehört die
Google-Mutter Alphabet. Dieser Titel ist nicht
unvernünftig hoch bewertet.
Und ein Börsen-Highflyer wie Tesla mit einer
Verachtfachung des Kurses in einem Jahr?
Die Aktie ist schwer zu bewerten. Ich würde aber
sagen: Der Bereich E-Autos ist schon interessant.
Bei asiatischen Batterieherstellern sehe ich gute
Wachstumschancen, trotz stark gestiegener Kurse.
Manche Analysten wittern ein Comeback
der Value-Aktien, also den Werten aus
klassischen Industrien. Sie auch?
Die Konjunktur wird gut nach vorn kommen,
wenn die Lockdown-Bremse wegfällt und die
Menschen wieder Geld ausgeben können. Dann
sollte es einen Wachstumsschub geben. Der dürfte
in Europa deutlicher ausfallen als in den USA,
weil wir hier das fiskalpolitische Ruder noch stärker
herumgerissen haben als in Übersee.
……