Handelsstreit – tot gesagte leben länger

Bevor sich der Handelsstreit zwischen den USA und der VR China zum zweiten Mal jährt, haben die Parteien am zurückliegenden Donnerstag einen gewissen Kompromiss erzielt. US-Präsident Trump sieht eine substantielle „Phase-1“-Übereinkunft erreicht.

Die für den 15. Dezember geplante nächste Runde bei Strafzöllen sowohl der USA wie China wird gestoppt. Die bereits erhobenen US-Strafzölle für eine Reihe von Importen aus China im Volumen von 120 Mrd. Dollar wird auf 7,5% gesenkt, bei Produkten im Volumen von 250 Mrd. Dollar bleibt es bei den erhobenen 25% an Strafzöllen. China sichert den Kauf von landwirtschaftlichen Produkten zu, offenbar jedoch ohne jede Quantifizierung. Zudem hat das Land versprochen, die eigenen Märkte für US-Investoren leichter zugänglich zu machen.

Trump kann es sich nicht leisten, mit einer sich abschwächenden Wirtschaft in die Präsidentschaftswahl im November 2020 zu gehen, insbesondere dann nicht, wenn einer der Gründe hierfür in dem von ihm losgetretenen Handelsstreit besteht. Zusätzliche Zölle wirken wie eine Steuer, sie treiben die Preise hoch und mindern die Kaufkraft des Konsumsektors. China wiederum ist aktuell aufgrund von schlechten Ernten und Infektionen in der Schweinehaltung auf vermehrte Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen angewiesen. Die diesbezüglichen Lieferungen aus Brasilien und Argentinien legen bereits seit längerer Zeit deutlich zu.

Und so wurde eine Übereinkunft lediglich bei den Themen erreicht, über die man sich schon im Oktober weitgehend verständigt hatte. Die umfassenderen US-Forderungen nach Reduktion des Staatsanteils an der chinesischen Wirtschaft und dem umfassenden Schutz von Rechten an intellektuellem Eigentum waren bei den Verhandlungen ausgeklammert worden.

Dies zeigt, dass die Position beider Seiten festgefahren ist. Eine weitere Annäherung dürfte es in absehbarer Zeit kaum geben, insbesondere nicht vor der US-Wahl; China wird darauf setzen, dass es möglicherweise zu einem Wechsel bei der Präsidentschaft kommt.

Trump hatte zunächst verkündet, nach diesem „Phase-1“-Abkommen werde es erst nach der Präsidentschaftswahl im November 2020 weiter gehen. Kurze Zeit später korrigierte er sich, die „Phase-2“-Verhandlungen würden unverzüglich aufgenommen. Damit kann er nun noch ein paar Monate länger zwitschern, ein Abkommen werde kommen. So sollen Konsumenten, Unternehmenslenker und die Akteure an den Finanzmärkten nach bewährter Manier bei Laune gehalten werden und die Möglichkeit seiner Wiederwahl kaufen (Chartquelle).

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Die Finanzmärkte haben die Neuigkeiten an der Handelsstreit-Front am Donnerstag der zurückliegenden Woche begrüßt, Aktienkurse legten zu, Anleihen wurden verkauft, Gold ebenso. Einen Tag später aber zeigten sich insbesondere die US-Aktien unentschlossen, Anleihen wurden zurückgekauft, Gold ebenso. Euro/Dollar legte am Donnerstag deutlich zu, gab aber am Folgetag die Vortagesgewinne vollständig ab und schloss sogar unter dem Schlusskurs von Mittwoch.

Der S&P 500 beschloss die zurückliegende Woche mit einem Gewinn von 0,7% und konnte damit in neun der zehn zurückliegenden Wochen ansteigen. Nach einem deutlichen Anstieg am Donnerstag bis an die aus Februar 2016 herrührende Aufwärtslinie (hellgrün im Chart) zeigte am Freitag eine Tageskerze im Chart mit ausgeprägten Dochten Unentschlossenheit an. Intraday konnte der Index noch bis an die 38er-Extension der Aufwärtsbewegung seit der Jahreswende steigen, dann setzten Gewinnmitnahmen ein, die schließlich wieder gekauft wurden. Als Resultat blieb besagte Tageskerze übrig (Chartquelle).

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Die kurzfristigen Aussichten sind unsicher. „Eigentlich“ sollte man davon ausgehen, dass nun nach „buy the rumors“ mit dem Abschluss des Kompromisses „sell the news“ einsetzt. Allerdings dürfte nach wie vor der bullische Bias aus der laufenden Jahresendrally wirken und auch vom bevorstehenden „Großen Hexensabbat“ am kommenden Freitag dürften vermutlich keine nennenswerten Impulse ausgehen.

Die besagte grüne Aufwärtlinie ist im Herbst 2018 von einer dynamischen Unterstützung zu einem dynamischen Widerstand mutiert, der Ende April, im Juli und aktuell seine Rolle ausspielt. Ohne wirklich bahnbrechende Neuigkeiten hinsichtlich Handelsstreit dürfte diese Linie weiterhin einen nachhaltigen Ausbruch des S&P 500 deckeln (Chartquelle).

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Da hiermit in nächster Zeit nicht zu rechnen ist, dürfte aus dieser Sicht übergeordnet eher die Neigung zu Gewinnmitnahmen zunehmen und die hier diskutierten Ziele an der Unterseite relevant werden.

Als weiterer Anlass für einen solchen Ausbruch könnte eine unerwartet dynamische Wiederbelebung der US-Wirtschaft in Betracht kommen. Hiervon ist gegenwärtig aber nicht viel zu sehen. Denkbar jedoch, dass Trump hier noch auf den einen oder anderen originellen Einfall kommt, um die Wahl im November 2020 zu gewinnen.

Die Fed hat in dieser Hinsicht den Weg insofern bereitet, als sie zugesagt hat, sie werde die Inflation heiß laufen lassen. Zudem sorgt sie seit September durch Kauf von kurzfristigen TBills für Liquiditätszufluss. Beides bewirkt Aufwärtsdruck auf die Preise, woraus sich möglicherweise über „Inflationsillusion“ eine Stimmung „pro Aktien“ entwickeln könnte (auch ohne eine nachhaltige wirtschaftliche Belebung).

Bisher haben internationale Zuflüsse in den Dollar-Raum für Stärke des Greenback gesorgt. Anleger im US-Geldmarkt profitieren von den hier erzielbaren Zinsen jenseits der zwei Prozent. Wenn es zu einer inflationären Bewegung in den USA kommt, schwächt das tendenziell den Dollar. Ein schwächerer Dollar könnte internationale Anleger in den Geld- und Assetmärkten der USA dazu bringen, ihre Mittel heim zu holen. Dies würde die Preise an diesen Märkten belasten und hat aktuell (nach einer langen Phase relativer Stärke dieser Märkte) auch das Zeug, eine Abwärtsspirale beim Dollar auszulösen (Chartquelle).

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Der Dollar-Index zeigte zur Jahreswende 2018/2019 eine Bodenbildung und läuft seit Mai in einem Aufwärtskanal. Dessen Unterseite steht aktuell im Kontext der Nachrichten vom Handelsstreit unter Beschuss. Wird der Bruch signifikant, dürften rasch weitere Anschlussverkäufe folgen.

Möglich, dass wir nun eine Neubelebung der US-Inflation sehen. Ein schwächerer Dollar käme der Trump-Administration gelegen, weil er US-Gütern einen internationalen Wettbewerbsvorteil verschafft. Das könnte bei den US-Aktionären für Phantasie sorgen und die „Inflationsillusion“ real etwas „unterfüttern“.

Wenn gleichzeitig mit einer gewissen Inflationierung nachhaltige Dollar-Schwäche aufkommt (entspricht weitgehend Stärke in Euro/Dollar), stellt sich alsbald die Frage, wer die Preise an den Assetmärkten hoch hält, wenn Ausländer verkaufen.

Alles zusammengenommen würde ich davon ausgehen, dass wir im neuen Jahr zunächst mit erhöhter Volatilität und anhaltenden Gewinnmitnahmen zu rechnen haben – aber auch im Kontext eines schwächeren Dollar mit anziehenden Rohstoffpreisen.

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