Am zurückliegenden Freitag hatten die Aktionäre in den USA etwas zu feiern. Die Zahl der Arbeitsplätze (non-farm) stieg im November um 266.000. Erwartet wurden lediglich 186.000. Die Stundenlöhne stiegen lediglich um 3,1% gegenüber dem Vorjahresmonat, im Oktober lag die Steigerung bei 3,2%.
Ganz so „großartig“, wie Trump gleich zwitscherte, sind die Zahlen nicht. Einerseits wurde die Zahl neuer Stellen für Oktober um 28.000 auf 156.000 aufwärts revidiert. Andererseits war der November der erste volle Monat, in dem 43.000 GM-Werker nach ihrem 40-Tage-Streik wieder am Arbeitsplatz waren. Mit einem Zuwachs im Jahresvergleich von 1,47% lag der November nur leicht über dem Oktober mit +1,42%, dem Tief in 2019. Im Januar 2019 lag der Zuwachs der Arbeitsplätze noch 1,91%.
Sehen wir von der stets volatilen monatlichen Betrachtung ab, so ergibt sich folgendes Bild. Der Durchschnitt der Zuwächse für die 11 Monate des Jahres 2019 kommt auf 1,59%. Verglichen mit den Durchschnitten der Zuwächse in den Gesamtjahren seit 2011 zeigt 2011 mit +1,22% den schlechtesten Wert. 2017 kommt auf +1,57% und 2019 kommt (bisher) auf den dritt-schwächsten Zuwachs. Den stärksten Wert verzeichnet 2015 mit +2,08%.
Insofern, in der längerfristigen Sicht, relativiert sich also der „grandiose“ November. Zudem werden gewöhnlich vor dem Weihnachtsgeschäft neue Stellen geschaffen, die danach häufig wieder gestrichen werden. Andererseits zeigt der November aber zumindest eine Stabilisierung in einem in 2019 bisher abwärts gerichteten Trend bei der Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze. Und ja, angesichts einer Arbeitslosenquote am 50-Jahres-Tief wird es natürlich immer schwerer, geplante Neueinstellungen auch zu realisieren. Es ist der Versuch, aus einer Zahnpastatube noch den letzten Rest auszuquetschen, wie es ein Arbeitsvermittler ausdrückte.
Alle Aspekte zusammen gefasst sollte man nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze im November schnell zu einer Belebung der Wirtschaftsaktivitäten führt. Aber wie es häufig so ist – positive Überraschungen bei wichtigen Daten führen zu weiteren positiven Erwartungen. Und da kam am zurückliegenden Freitag auch (mal wieder) wie bestellt, dass Fortschritte bei den Verhandlungen über einen Miniatur-Kompromiss im Handelsstreit mit der VR China lanciert wurden.
Ich hatte erwartet, dass der S&P 500 in der zurückliegenden Woche nach unten blickt. Das tat er auch zunächst und erreichte am Dienstag fast das offensichtliche erste Ziel auf der Unterseite, die Verbindungslinie der lokalen Maxima von Ende Januar 2018, September 2018 und Ende Juli. Ein langer unterer Docht signalisierte da schon wieder Kaufinteresse. Der Index sprang am Mittwoch und Freitag mit Aufwärtslücken höher und notiert nun mit 3145,91 gerade mal 0,2% unter seinem Allzeithoch vom 27. November bei 3153,63.
Nächstes Ziel an der Oberseite dürfte die aus Februar 2016 herrührende Aufwärtslinie (dicke grüne Linie im Chart) bei aktuell 3163 sein. An dieser Linie war der S&P 500 nach seinem Allzeithoch nicht mehr weiter gekommen, was zu schnellen Gewinnmitnahmen führte – in Bull-Märkten nicht ungewöhnlich. Da diese Abwärtsreaktion medial begleitet wurde von eher zurückhaltenden Äußerungen der US-Administration hinsichtlich der Verhandlungen im Handelsstreit, ist zu erwarten, dass es einen Ausbruch über diese Linie nur flankiert von Erfolgsmeldungen in dieser Hinsicht geben wird (Chartquelle).
Ohne eine solche Rückendeckung dürfte es an diesem Punkt sehr wahrscheinlich erneut zu ausgeprägten Gewinnmitnahmen kommen. Die hier genannten Marken an der Unterseite dürften ihre Gültigkeit behalten, ebenso wie die übergeordneten Ziele an der Oberseite.
Bestätigt wird die Aufwärtsbewegung der zurückliegenden Tage auch durch den VIX, das Maß für die implizite Volatilität im S&P 500. Der Index notiert seit Freitag wieder unter seiner EMA50, aber noch klar über dem wichtigen Pegel bei 12. Da der VIX sich praktisch „stationär“ verhält, die Linie der linearen Interpolation über die Historie des Index seit 1990 (20,40) bis heute (18,40) nahezu waagerecht verläuft, kommt solchen Pegeln hier eine besondere Bedeutung zu. Das gilt v.a. an der Unterseite. Ein nachhaltiges Abtauchen unter 12 würde eine Übertreibung der bullischen Stimmung signalisieren und vermutlich ein Blowoff-Szenario beim S&P 500 ankündigen (Chartquelle).
Ein Blick auf das Währungspaar Euro/Dollar. Hier entwickelte sich kurz nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten ein Aufwärtsimpuls, der im ersten Quartal 2018 auslief. Seither kennt der Dollar im Verhältnis zum Euro nur Stärke. Das ging im August so weit, dass zunächst das 62er-Retracement dieses Impulses und anschließend auch die aus 1985 stammende Aufwärtslinie (blau-grau) unterboten wurde. Momentan läuft eine (wenig überzeugende) Gegenbewegung. Das große Bild dürfte sich hier erst ändern, wenn der Pegel von 1,1120 und dann eine wichtige Abwärtslinie zurückerobert werden kann (Chartquelle).
Das Währungspaar ist natürlich von besonderer Bedeutung für die Exportsituation insbesondere von Deutschland. Darüber hinaus ist ein bedeutender Teil der Schwäche des Euro bedingt durch Carry-Trade-Kredite, bei denen die Kreditnehmer von den niedrigen Zinsen in der Eurozone profitieren. Werden die Darlehensbeträge in den Dollar-Raum transferiert, sorgt das für relative Schwäche der Gemeinschaftswährung. Umgekehrt kommt es zu relativer Stärke des Euro, wenn diese Kredite wieder aufgelöst werden. Als Grund hierfür kommt u.a. infrage, dass die Kreditnehmer die Aussichten für die Wertentwicklung der mit ihnen beschafften Assets ungünstiger beurteilen. Genauso kommt als Motiv auch sich verschlechternde Kreditbedingungen in Betracht, wie sie sich etwa aus nachhaltiger Stärke des Euro oder aus günstigeren Kreditkonditionen etwa im Dollar-Raum ergeben. In der aktuellen Situation dürfte eine Aufwertung des Euro gegen Dollar nicht nur wegen der schlechteren Exportaussichten für die deutsche Industrie kritisch beäugt werden und eher eine ungünstige Begleitmusik für Aktien spielen.
Die Entwicklung des Goldpreises ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Gold dient einerseits als Krisenvorsorge, andererseits soll es Inflationsschutz sein. Da das Halten von Gold selbst keine laufenden Erträge erwirtschaftet, spielt auch das Zinsnivenau eine wichtige Rolle. Bei hohem Zinsniveau ist das Halten von Gold relativ uninteressant. Da geringe Zinsen zugleich auch eher mit sich abzeichnenden wirtschaftlichen Problemen einhergehen, bestärkt das nur die Rolle von Gold als Krisenmetall.
Mitte August 2018 scheint sich der Goldpreis (in Dollar) gefangen zu haben. Er hat damals das 62er-Retracement des Aufwärtsimpulses von September 2008 bis August 2011 bei rund 1160 respektiert. Die Aufwärtsentwicklung hat sich im Juli beschleunigt und Ende August ein Hoch bei 1550 erreicht. Danach hat sich ein bullischer Abwärtskeil entwickelt. Ein erster Ausbruchsversuch scheiterte Anfang November, ein weiterer in den zurückliegenden Tagen scheint ebenfalls zu misslingen. Bei gut 1440 liegt das 38er-Retracement des genannten Aufwärtsimpulses, sowie die Spitze der Keilformation. Hier muss sich zeigen, wie es kurzfristig weitergeht. Ein Bruch dürfte recht zügig zunächst zum Bereich bei 1420 führen. Ziele darunter sind ein wichtiger Pegel bei 1375, bzw. die Aufwärtslinie aus August 2018 (grün) bei aktuell rund 1350. Unterhalb dieser Linie dürfte vom bullischen Bias bei Gold nicht mehr viel übrig bleiben (Chartquelle).
Ich würde nachhaltige Stärke bei Euro/Dollar und beim Gold als Warnzeichen für die Entwicklung des S&P 500 nehmen. Umgekehrt gilt auch – Schwäche in beiden Zeitreihen würde Stärke bei Aktien unterstreichen.
Nicht unerwähnt bleiben soll bei all dem, dass die Fed seit Anfang September ihre Bilanz durch v.a. Käufe kurzfristiger US-Treasurys aufbläht von 3760 Mrd. Dollar auf aktuell 4066 Mrd. Dollar. So schnell wie aktuell wurde die Bilanz weder ab November 2010 (QE2), noch ab November 2012 (QE3) verlängert. Als Begründung für ihre Aktivität gibt die Fed an, man wolle damit Friktionen am Geldmarkt verhindern. Saison-gemäß die Frage: Glauben Sie an den Weihnachtsmann?
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