Austan Goolsbee war Obamas Chefberater in Wirtschaftsfragen, als Griechenland vor einigen Jahren schon einmal für Schlagzeilen sorgte. Jetzt lehrt er wieder an der University of Chicago und Griechenland steht erneut im Brennpunkt.
Goolsbee meint im Interview mit dem Wonkblog der Washington Post, man sollte nicht überrascht sein, dass die Krise der Eurozone immer wieder hervortrete. Das sei das Ergebnis dessen, dass verschiedene Teile eines Währungsverbunds sich wirtschaftlich sehr ungleich entwickeln.
Griechenland sei in einer Rezession gefangen, die Produktivität wachse nur langsam. Länder wie Deutschland expandieren, ihre Produktivität steigt ungleich schneller. Hätte Griechenland seine eigene Währung, würde die so lange abwerten, bis Wachstum und Produktivität zurückkämen. Aber in einem gemeinsamen Währungsraum ist die Möglichkeit versperrt.
Nach Goolsbee gibt es vier Wege, diesen Teufelskreis zu duchbrechen und Griechenland im Euro zu halten. Die Situation muss nicht zwangsläufig zu einer Explosion führen, sagt er. Aber es nicht klar, ob die europäischen Führer einen der bezeichneten Wege gehen wollen.
Man könne die Mobilität der Arbeit erhöhen, man könne auch den Weg anhaltender Suventionen gehen. Das finde in den USA statt und deshalb fragt auch keiner, ob Louisiana oder Mississippi nach dem Hurrikan Katrina nicht aus dem Dollar-Raum hätten ausscheiden müssen. Mobilität und fiskalische Einheit sind hier die Grundlagen für staatliche Hilfen.
Das könnte auch in der Eurozone gemacht werden. Oder Deutschland und die anderen nördlichen Länder könnten für einige Jahre Inflationsraten von vier bis fünf Prozent zulassen, was auf das Gleiche hinausliefe wie bei einer Wechselkursverschiebung. Man kann schließlich auch wie bisher schon versuchen, in Griechenland die Löhne weiter zu drücken oder auf andere Art die Produktivität stärker zu steigern als z.B. in Deutschland. Das sind die vier Wege, andere Alternativen gibt es nicht.
Es gibt Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung. Der östliche Teil kam mit einer überbewerten Währung dazu. Über Nacht hatten sie dort praktisch deutsches Lohnniveau aber polnische Produktivität. Milliarden an Subventionen waren nötig und eine hohe Arbeitsmobilität. Die Entscheidung war politisch, nicht ökonomisch motiviert. Es gab einen starken politischen Willen, die Einheit hinzubekommen. Aber immer noch ist die Arbeitslosigkeit im Ostteil höher als im Westen – was zeigt, dass man die Schwierigkeiten bei solchen internen Anpassungsprozessen nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.
In der Eurozone gibt es nur geringe Mobilität und es gibt wenig Subventionen. Die nördlichen Länder scheinen nicht gewillt, zu inflationieren bei gleichzeitig geringer Preissteigerung in Griechenland, und so bleibt nur der vierte Weg, die griechischen Löhne zu drücken oder aber die Produktivität des Landes auf andere Art zu steigern.
Nach einigen Jahren Griechenland-Krise ist die Lücke zu den nördlichen Ländern nun auf diesem vierten Weg etwa zur Hälfte geschlossen. Ist es aber realistisch, zu erwarten, dass Griechenland jetzt eine zweite Große Depression aushalten soll, bis die Ungleichgewichte vollends beseitigt sind?
Entweder entscheiden Länder wie Deutschland, dass es wichtig ist, die ganze Eurozone zusammen zu halten und sie finden einen Weg anhaltender (nicht-öffentlicher) Subventionen oder es gibt alle sechs Monate eine neue Krise, bis irgendwann irgendwer sagt, es geht nicht mehr. Es ist jedenfalls unmöglich, die Griechenland-Krise innerhalb des Zeitrahmens zu lösen, den sich die “Gläubiger” vorstellen.
Einige glauben, das Ganze sei ein Problem Griechenlands. Jetzt sehen diese die Möglichkeit, das Problem loszuwerden, Griechenland aus dem Euro zu kicken oder pleite gehen zu lassen oder so etwas – Hauptsache, weg. Das ist aber falsch und kurzsichtig, sagt Goolsbee. Wenn Griechenland geht, wird innerhalb der nächsten Jahre ein anderes Land in dieselbe Situation kommen. Eventuell ist das Portugal oder Italien oder wer auch immer.
Die kritische Frage ist, wie es Griechenland ergeht, wenn es erst einmal draußen ist. Wenn das Land seine eigene Währung einführt, abwertet und dann schließlich wieder wächst, was vielleicht zwei Jahre braucht, dann könnte die Lektion für den Rest der Eurozone eine ganz andere sein, als es jetzt scheint.
Momentan scheinen es die Regierungen der Gläubiger-Länder Griechenland so schmerzvoll wie möglich machen zu wollen, damit niemand anderes auf die Idee kommt, zu versuchen, den Euro aufzugeben. Vielleicht gelingt ihnen das auch zunächst. Aber möglicherweise erweist es sich in zwei Jahren eben nicht als so schlecht, wie es heute hingestellt wird. Dann könnte es Nachahmer geben.
Mit den vier Wegen bringt es Goolsbee auf den Punkt. Im Kern geht es in der Griechenlandkrise darum, ob die Eurozone (mit oder ohne Griechenland) den "deutschen" Weg über eine deflationäre Anpassung weitergeht. In der Tat könnte ein Grexit die permanente Eurokrise mittelfristig erheblich zuspitzen, wenn sich erst zeigt, dass Griechenland in einigen Jahren außerhalb der Eurozone besser dasteht als jetzt innerhalb.
Ergänzung:
Goolsbee steht nicht alleine – eine klare Mehrheit der US-"Top/Mainstream"-Ökonomen spricht sich für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone und plädiert (erneut) für ein Ende, zumindest aber für eine deutliche Lockerung der Austeritätspolitik.
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