Nach dem Bond-Crash – Volatilität bleibt erhöht

Es wurde viel gerätselt über den Ausverkauf von Staatsanleihen rund um die Welt. Interessant ist, dass dieser in engem zeitlichen Zusammenhang zu einem (wieder einmal) enttäuschenden Verlauf des US-BIPs stand. In den Jahren zuvor hatten solche Enttäuschungen eher dazu geführt, dass die Benchmark-Rendite der zehnjährigen US-TNotes (TNX) weiter abgab. Jetzt trat genau das Gegenteil ein.

TNX stand am 17. April noch bei 1,85%, am 13.5. wurde das vorläufige Hoch bei 2,28% markiert. Das ist eine Steigerung um gut 23%. Noch extremer trieb es der deutsche Bund. Von einem Tief bei ganzen acht Basispunkten am 20. April ist er in der zurückliegenden Woche bis auf rund 70 Basispunkte hoch geschnellt – eine Steigerung von mehr als 800%. In Kursen ausgedrückt gab es in derselben Zeit einen Rückgang von über 160 bis auf 152 (Chartquelle).

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Solange kein externer Schock die Finanzmärkte trifft, sind solche extremen Bewegungen hauptsächlich technisch veranlasst. Von den dahinter liegenden Gründen reden wir später. Die Faktoren liegen klar auf der Hand. Wie hier dargestellt, hatte der Bund-Kurs in einer sich beschleunigenden Bewegung die Obergrenze eines langfristigen Aufwärtskanals erreicht. Ich hatte in der genannten Quelle auch den Pegel von 152 erwähnt, der tunlichst nicht unterschritten werden sollte. Der wurde am 12.5. intraday nahezu erreicht, danach drehte der Kurs wieder nach oben ab.

Die meisten Beobachter sehen die Quelle für die stark erhöhte Volatilität bei Staatsanleihen in Europa, die von dort z.B. in die USA ausgestrahlt ist. Das wird durch den Verlauf des TNX bestätigt. Er hatte sich zum Zeitpunkt der BIP-Veröffentlichung relativ unauffällig in der Mitte eines seit Herbst 2013 etablierten Abwärtskanal bewegt und nahm erst beschleunigt Fahrt nach oben auf, als der Bund abstürzte (bzw. seine Rendite anzog). Jetzt hat er die Obergrenze des besagten Kanals erreicht und hier am zurückliegenden Freitag dynamisch nach unten abgedreht. Dies legt zusammen mit dem Kursgewinn des Bund seit der Wochenmitte nahe, dass die Volatilität in den Märkten für Staatsanleihen nun erst einmal wieder abflaut, was gleichbedeutend mit sinkenden Renditen ist. TNX (Chartquelle) hat dabei charttechnisch Luft bis 1,75% und tiefer.

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So weit zu den technischen Anlässen der Bewegungen im Bond-Segment. Die Tatsache, dass dabei wichtige Marken respektiert wurden, legt nahe, dass es bei der zurückliegenden Episode ziemlich kontrolliert zugegangen ist. Panik hätte ein anderes Bild erzeugt. Das wird auch unterstützt durch den Verlauf des Spreads zwischen TNX und Hi-Yield Unternehmensanleihen in den USA. Er bewegte sich in den zurückliegenden Wochen weiter nach unten – kein Hinweis auf abnehmende Risikoneigung.

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Also alles nur technisches Rauschen? Aktuell ja. Trotzdem stehen dahinter strukturelle Ursachen, die in der Liquiditätsflut der großen Notenbanken und anderen marktfremden manipulatorischen Eingriffen begründet sind.

Die EZB hat nach 2008 die Banken mit billigen Krediten gemästet. Mit den zwei LTRO-Chargen Ende 2011 und im Frühjahr 2012 haben Banken verstärkt Staatsanleihen gekauft, Versicherungen und Fonds folgten in ihrem Windschatten. Deren Kurse stiegen deutlich an, die Renditen fielen.

Im März hat die EZB ein QE-Programm im Volumen von über einer Billion Euro gestartet, das bis September 2016 laufen soll. Den Finanzinstitutionen werden diese Papiere mit den zwischenzeitlich aufgelaufenen hohen Kursgewinnen nun nach und nach abgekauft. Zuletzt wollten aber in zu kurzer Zeit zu viele Akteure gleichzeitig verkaufen, es gab auf der Gegenseite keine Marktteilnehmer, die bereit waren, schnell einzuspringen. Das wiederum ist auch eine Folge der Nullzinspolitik, die den Zinsunterschied zwischen kurzen und langen Laufzeiten bei Anleihen eingeebnet hat. So lassen sich Bestände länger laufender Anleihen nicht mehr profitabel über kurzfristige Kredite finanzieren. Der Rückzug der Banken aus solchen Eigengeschäften liegt nahe, was allerdings insbesondere Unternehmenanleihen betrifft.

Wie die EZB in den zurückliegenden Wochen in „real-time“ agiert hat, weiß ich nicht. Zu vermuten ist allerdings, dass sie ihre Käufe sehr wohl taktisch dosiert hat. Insgesamt dürfte die zurückliegende Episode auch dazu da gewesen sein, die EZB zu testen, inwiefern es ihr mit ihrem QE-Programm ernst ist. Die Erkenntnis: Es ist ihr ernst.

Mit diesem Programm wird frisches Geld in die Finanzmärkte gepumpt. Das treibt die Asset-Preise weiter hoch. Die Finanzinstitute werden reicher, ebenso die reichen Bevölkerungsschichten, bei denen die Hauptmenge der Vermögenswerte konzentriert ist.

EZB-Chef Draghi hat kürzlich in einer Rede beim IWF erstmals ausführlicher über mögliche kritische Nebeneffekte dieser Geldpolitik gesprochen, die die Vermögensverteilung und die Finanzstabilität betreffen. Aktuell gebe es aber wenig Hinweise auf größere finanzielle Ungleichgewichte. Er sieht keine Immobilienpreisblase und kein ungesundes Kreditwachstum. Eine gewisse Fehlallokation von Mitteln sei nicht zu vermeiden, aber es drohten keine Gefahren für die Finanzstabilität, meint Draghi.

Genauso hatte z.B. die jetzige Fed-Chefin Yellen 2005 argumentiert. Sie hatte sich in einer Rede zur Situation auf dem Immobilienmarkt selbst gefragt: „Wenn die Blase platzt, sind die Auswirkungen auf die Wirtschaft dann sehr groß?“, „Ist es für die Fed unmöglich, die Konsequenzen abzuschwächen?“, „Ist die Geldpolitik am besten geeignet, um Luft aus der Hauspreisblase abzulassen?“. Sie gab sich selbst die Antwort mit einem dreifachen „Nein“. Damals schätzte sie die Auswirkungen des Platzens der Blase sogar als höchstens halb so groß wie die des Platzens der Technologieblase ein.

Die jüngsten Entwicklungen am Bond-Markt werfen dennoch die Frage auf, was passiert, wenn die Zentralbanken ihre Nullzinspolitik beenden. Wenn die Besitzer von Anleihen aus Angst vor Kursverlusten in großer Zahl verkaufen wollen, und Banken nicht willens (und vielleicht auch nicht in der Lage) sind, als Käufer einzuspringen, könnte es zu einem Run auf Rentenfonds kommen, schreibt Thomas Mayer. Dann würden diese und andere Kapitalsammelstellen (Versicherungen z.B.) schnell ins Wanken kommen. So wären es dieses Mal dann nicht die Banken, sondern solche Kapitalsammelstellen, die als „systemrelevant“ Stützung verlangen (und bekommen werden). Somit wäre dann auch hier die Einheit von Entscheidung und Haftung durchbrochen.

So weit ist es noch nicht – trotz allen technischen Rauschens sollten aber die zurückliegenden Wochen am Markt für Staatsanleihen eine Warnung sein vor den unabwendbaren Folgen der planwirtschaftlichen Aktionen der Notenbanken.

Die Politik des billigen Geldes ist bewusst so angelegt, dass die Einkommen derjenigen, die nahe an der Quelle sitzen, deren Einkommen also direkt vom Finanzmarkt beeinflusst werden (z.B. auch Vorstandsgehälter), steigen. Das sagt z.B. eine Broschüre der Bank of England sehr deutlich.

Es dürfte nicht dieser Cantillon-Effekt alleine sein, der die Geldmenge in der Eurozone nach oben treibt. Dr. Martin Hüfner bemerkt dazu, dass die aktuelle Beschleunigung des Geldmengenwachstums wesentlich dynamischer ist und früher begann, als dass dies mit den Effekten des QE-Programms der EZB zu erklären wäre. Beim jetzigen Wachstum der Geldmenge kann die Wirtschaftsleistung real um 2% zunehmen, gleichzeitig könnten die Preise um 2% steigen (Chartquelle). Das ist mehr als derzeit gebraucht wird, der monetäre Mantel ist weit, schreibt er. Er sieht darin ein Zeichen, dass sich die Konjunktur bessert. Die Menschen würden wieder Geld nachgefragen, das sei ein Indiz, dass sie mehr verbrauchen und investieren wollen.

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Allen industrialisierten Ländern ist gemein: Während billiges Geld die Asset-Preise immer höher treibt, wird gleichzeitig immer weniger investiert in Maschinen, Anlagen und Entwicklung. Dadurch steigt die Arbeitsproduktivität kaum noch, die Löhne stagnieren. Und so bleibt das Wirtschaftswachstum anemisch, die Verschuldung überbordend hoch.

Der geldpolitische Mantel ist in der Eurozone momentan sehr weit geschnitten. Zudem werden die Banken durch das QE-Programm der EZB, verbunden mit negativen Zinsen auf Zentralbankkonten förmlich zur Kreditvergabe gedrängt, das Risiko von faulen Krediten steigt. Das sind Ingredienzien für ein konjunkturelles Strohfeuer, das der DAX und andere europäische Aktienbörsen mit ihrer Rallye seit Jahresbeginn in gewissem Umfang vorweg genommen haben.

In den USA hingegen laufen die Wetten schon fast nicht mehr in die Richtung, „wann“ die Fed die Leitzinsen anhebt, sondern „ob“. Unterstützung bekommt dies dadurch, dass die Industrieproduktion nun fünf Monate in Folge sinkende Jahreszuwächse aufweist. Für April wird nur noch ein Zuwachs von 1,9% gemeldet, im Januar waren es noch 4,5%. Konjunktuerelles Ungemach droht von dieser Makrodatenreihe immer dann, wenn der Wert unter den gleitenden Durchschnitt (SMA) fällt. Das ist gegenwärtig noch nicht der Fall, aber Vorsicht ist angebracht.

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Die Weltwirtschaft befinden sich in einer Phase sehr ungleicher konjuktureller und geldpolitischer Entwicklung. Das bleibt nicht ohne Einfluss auf Euro/Dollar und Dollar-Index. Schwache US-Konjunkturdaten schwächen den Dollar tendenziell, das wiederum stützt über die Erwartung besserer Auslandsgeschäfte der US-Multis die US-Aktienkurse. Ein hierdurch festerer Euro (z.B. gegen Dollar) hat auf die europäischen Aktienkurse den umgekehrten Effekt.

Tendenziell verbesserte Konjunkturaussichten in der Eurozone sollten wiederum deren Bondkurse sinken (Zinsen steigen) lassen. Da das QE-Programm der EZB gerade angelaufen ist, ist aber noch genügend "Munition" vorhanden, deutlichen Zinsanstiegen zu begegnen.

In den USA wiederum haben die Renditen noch vergleichsweise viel Luft nach unten (Treasury-Kurse nach oben). Entsprechende Kapitalzuflüsse würden den Dollar festigen und damit Euro/Dollar unter Druck bringen – mit den entsprechenden Folgen (cet. par.) für die jeweiligen Aktienmärkte.

Die aktuelle Gemengelage sorgt für erhöhte Volatilität. Über den Tag hinaus dürfte aber das Liquiditätsregime die Asset-Preise noch weiter treiben.

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