Die EZB-Sitzung am Donnerstag dürfte eine der wichtigsten in diesem Jahr werden. Die Erwartungen der Beobachter sind mehrheitlich auf eine weitere Zinssenkung um 0,25% auf dann 0,25% ausgerichtet.
Das muss nicht so kommen, obwohl die EZB Gefahr läuft, mit einer Enttäuschung der „Märkte“ eine Abwärtsbewegung bei Aktien loszutreten. Die Meinung innerhalb der EZB dürften gespalten sein, daher ist das Ergebnis keineswegs sicher. Es gibt jedoch zahlreiche Stimmen, die auf die Stärke des Euro und die damit verbundene Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Währungsraums verweisen. EZB-Draghi hatte Juli nochmals bekräftigt, dass die Leitzinsen niedrig bleiben, so lange die Wirtschaft keine Fahrt aufnimmt.
Der Eonia-Zins, auch als “Über-Nacht-Euribor” bezeichnet, notiert aktuell bei 0,092%, der drei-Monats-Euribor bei 0,227%. Damit dürfte ein EZB-Zinsschritt auf 0,25% bestenfalls noch symbolische Wirkung entfalten. Der Euro/Dollar hat die Entscheidung eines Zinsschritts wohl bereits ebenfalls weitgehend eingepreist – er ist in den zurückliegenden fünf Handelstagen von 1,38 auf aktuell 1,35 gesunken, nahe der Unterstützung bei 1,3450.
Da die Märkte normalerweise nur kurz auf symbolische, sprich politische Zeichen reagieren und sich erst mit handfesteren Signalen nachhaltiger in Bewegung setzen, stellt sich die Frage, ob sie mit einer Zinssenkung „zufrieden“ sind. Eher nicht, vermute ich. Man erwartet in jedem Fall eine aktive Fortsetzung der Geldflut, die Zinssenkung dürfte nicht als adäquates Mittel gelten – eher geht es um Maßnahmen analog zu den beiden LTROs aus Dezember 2011 und Februar 2012. Aber auch dies stößt auf Widerstand innerhalb der EZB.
Banken haben längst begonnen, im Rahmen der alten LTRO-Programme erhaltene Kredite zurückzuzahlen, erkennbar an der beständig abnehmenden Überschussliquidität der EZB (aktuell unter 200 Mrd. Euro – Chart von Reuters). Die Interbanken-Zinsen notieren an historischen Tiefs – viel Platz zur Null-Prozent-Grenze ist nicht mehr. Da besteht eher das Risiko, dass bei einer, in welcher Form auch immer, ausbleibenden handfesten Liquiditätsspritze der EZB, die Zinsen zu steigen beginnen und eine Kreditklemme in der Euro-Peripherie anstoßen.
Das will keiner und deshalb kommt es auch nicht so – vorerst. Weitere Geldflut kann durchaus am aktuellen Punkt ein weiteres Strohfeuer entfachen. Sie wird aber die strukturellen Probleme, von denen die Staatsverschuldung nur eines ist, nicht lösen und auch nicht verhindern, dass eines Tages der ultimative Ruf kommt: "Zur Kasse, bitte"!
In jedem Fall dürfte eine wie auch immer geartete Intensivierung der Geldflut der EZB dazu führen, dass sich die Sparkonditionen weiter verschlechtern. Die Deutschen haben über zwei Bill. Euro auf Spar-, Sicht-, Termineinlagen und als Bargeld angelegt, auf Aktien und Fonds entfallen hingegen nur 259, bzw. 420 Mrd. Euro (per Q1/2013). Ein EZB-Schritt in die beschriebene Richtung dürfte daher auch den (gewollten) Nebeneffekt haben, die Sparer in riskantere Anlagen zu treiben (DAX – 10000!) und/oder in verstärkten Konsum.
Die Finanztransaktionssteuer, die laut Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD kommen soll, könnte nach Schätzungen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) Anleger und Mittelständler mehr als sieben Mrd. Euro jährlich kosten. Wenn die Bürger aus lauter "Anlage-Verzweiflung" mit sinkenden Sparzinsen in Aktien flüchten, steht der Staat schon da: "Zur Kasse, bitte!"
Eine dieser riskanteren Anlagen dürfte auch Immobilieneigentum sein, riskant deswegen, weil die Preise hier bereits deutlich gestiegen sind. Riskant aber auch deshalb, weil die SPD in den aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen fordert, die Mieter besser gegen überhöhte Mieten zu schützen. Die Merkel-Riege ist dem nicht abgeneigt. Allerdings dürfte der Druck auf die Immobilienpreise nur sehr begrenzt ausfallen, eher dürfte er momentan als Kaufgelegenheit angesehen werden. Und wie ernst das mit dem Mieterschutz in der Praxis gehandhabt wird, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Schließlich sind die Mietspiegel nicht in Stein gemeißelt, sondern folgen der Entwicklung mit einigen Jahren Verzögerung. Und steigende Mieten und Hauspreise sind durchaus im Interesse der Kommunen – zur Kasse, bitte!
Auch der IWF hat kürzlich wieder „zur Kasse, bitte“ gerufen. Er fordert nun unter Berufung auf seinen Staatsschuldenbericht eine „Sparer-Steuer". Privates Vermögen, das die eigenen Schulden übersteigt, soll mit einem einmaligen Steuersatz von 10% belastet werden. Der IWF will so die Verschuldung in der Eurozone bekämpfen mit dem Ziel, den Schuldenstand auf das Niveau von 2007 zurück zu führen. Der lag seinerzeit bei 66% des BIP, 2012 war er auf knapp 91% gestiegen, die Schulden der Euro-Staaten sind von knapp sechs auf fast 8,9 Bill. Euro angewachsen.
Der Maastrichter Vertrag, der längst in den Brüsseler Schubladen verschimmelt, schreibt vor, dass die Staatsschulden innerhalb der Eurozone auf nicht mehr als 60% des BIP steigen dürfen. Dem folgend müssten die Schulden um mehr als drei Bill. Euro (rund 30%) abgebaut werden, in Deutschland um mehr als 575 Mrd. Euro.
Dass die Schuldensteuer des IWF auf absehbare Zeit kommt, ist eher unwahrscheinlich. Sie hätte bei der Politik wenig Chancen – zu sehr wäre die Wiederwahl der einen solchen Schritt tragenden „Volksvertreter“ gefährdet. Zudem würde das den seit Jahresbeginn sorgsam gepflegten Eindruck zunichte machen, die Eurokrise sei gelöst. Eher versuchen die politischen Kräfte auch in der EZB den Weg zu gehen, sich durch Ankurbelung der (schwachen) Wirtschaftskräfte an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Das wird genauso wenig gelingen wie seinerzeit bei Münchhausen. Aber ohne extreme akute Not bleibt ein solcher Schritt eher unwahrscheinlich, zudem die EZB ihr Pulver aus dem OMT-Programm noch nicht einmal angerührt hat.
Die Diskussion um die Schuldenstseuer hat denn auch eher den (absolut gewollten) Zweck, Sparer aus ihren Anlagen heraus- und in Sachwerte jeglicher Art hineinzutreiben. Auf dass die Konjunktur anspringe…
In dieselbe Richtung geht es bei den deutschen Koalitionsverhandlungen. Die FAZ schreibt dazu zu Recht: „Politiker verteilen gern das Fell des Bären, den sie nur angeschossen haben. Nebst Mindestlöhnen und weniger Zeitarbeit sollen jetzt Mietpreisbremsen und "Internet für alle" die Deutschen glücklicher machen. Mehr Regulierung, mehr staatliche Wohltaten – obwohl Ökonomen vor Defiziten der Sozialkassen warnen.“
Von Schuldenabbau ist auch auf europäischer Ebene immer weniger die Rede, statt dessen wird versucht, die Schulden auf die eine oder andere originelle Art herunter zu rechnen.
Nicht vom Tisch, eines nicht allzu fernen Tages, der richtig große Zahltag für all die Bürger ohne Großunternehmen oder eigene Bank, denen nicht schon vorher durch den einen oder anderen Ruf "zur Kasse, bitte" das Geld ausgegangen ist. Und sagen Sie jetzt nicht, die "Sozis" sind schuld!
Nachtrag:
(7.11.13) Die EZB senkt den Leitzins um 0,25 auf 0,25% und sorgt bis Mitte 2015 für unbegrenztes Billiggeld bei den Banken. Sparer verlieren real noch mehr.
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