Blockupy, Polizei und die Demokratie

Wer am zurückliegenden Samstag in der Innenstadt von Frankfurt unterwegs war, konnte aufgrund des massiven Polizeiaufgebots an einen Katastropheneinsatz glauben oder eben an eine der zahlreichen Einsätze gegen Bürger, die ihre Rechte wahrnehmen. Wobei das auch eine Katastrophe zu sein scheint – zumindest aus Sicht der staatlichen Organe.

Etwa 10.000 Menschen waren dem Aufruf der Blockupy-Bewegung gefolgt und wollten zur EZB ziehen. Sie erreichten ihr Ziel nicht. Die Polizei trennte etwa 900 von ihnen ab, sie wurden stundenlang eingekesselt. Wie die FAZ berichtete, löste die Polizei die Veranstaltung am Abend schließlich auf, indem Hundertschaften in die Menschenmenge drängten und die Teilnehmer herauszogen.

Zur Begründung gab der Frankfurter Polizeipräsident an, das Verhalten einiger "Störer" habe seinen Leuten keine andere Wahl gelassen. Außerdem hatten sich Teilnehmer u.a. mit Regenschirmen vermummt. Die Polizei war auf eine solche Aktion gut vorbereitet – in Minutenschnelle waren Batterien von Toilettenhäuschen beigeschafft. Auch mit der Notdurft von Demonstranten muss es schließlich seine Ordnung haben.

Schon 2012 war die Frankfurter Polizei ähnlich unverhältnismäßig gegen antikapitalistische Proteste vorgegangen. Das Land Hessen war daraufhin verurteilt worden, Teilnehmern der damaligen Blockupy-Proteste je 500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, weil die Demonstranten zu Unrecht stundenlang in Gewahrsam genommen worden waren. "Antikapitalismus" hatte die Polizei im Formblatt als Anlass zur Festnahme eingetragen.

Ein entsprechender Paragraph findet sich im Strafgesetzbuch nicht – aber das kann noch kommen. Schließlich haben wir ja auch schon einen Bundespräsidenten, der alle antikapitalischen Regungen in Bausch und Bogen als eine Art Spinnerei abgetan hat.

Menschen nehmen ihre Grundrechte wahr und werden deswegen erst einmal vorsorglich weggesperrt – zumindest aber werden sie namentlich und auch erkennungsdienstlich erfasst. Sie werden kriminalisiert. Und wenn das im Einzelfall einmal zu weit geht, findet sich zumindest heute noch manchmal ein Gericht, das dem Einhalt gebietet, aber zugleich den Preis festsetzt für die Ausübung eines Grundrechts. Mal sehen wie hoch der Preis beim nächsten Mal noch sein wird.

Für den Staat, der eigentlich unser Staat sein müsste, ist mittlerweile offenbar jeder Demonstrant eine Gefahr. Gehorsam ist die erste Bürgerpflicht – so hieß es zu Kaisers Zeiten. Die Demokratie, die wir angeblich haben, lebt hingegen von individueller und kollektiver Verantwortung. Die daraus folgenden Meinungen und Aktionen müssen nicht notwenigerweise auf dem gesellschaftlichen Mainstream liegen. Das muss toleriert werden.

Das muss sogar gefördert werden. Demokratie erfordert Vielfalt. Vielfalt ist das Reservoir, aus dem jegliche Entwicklung schöpfen kann und muss. Die Evolution bringt nur dann überlebensfähige und an neue Bedingungen angepasste Spezies hervor, wenn sie auf eine große Vielfalt von Varianten zurückgreifen kann. Das gilt im übertragenen Sinne auch für die menschliche Gesellschaft.

Die herrschende Kaste unserer Gesellschaft von sozialdemokratisch über grün bis schwarz hat sich u.a. mit ihrer "Rettungspolitik" von Banken, Staaten und Euro längst darauf festgelegt, dass der Kapitalismus, insbesondere in seiner finanzkapitalistischen Ausprägung, zu bewahren ist. Wenn sich dieser in der Tat alternativlosen "Dinosaurier"-Politik an der Spitze unseres Landes 10.000 Menschen entgegenstellen, wird das als Bedrohung angesehen. Das zeugt nicht von innerer Stärke und Gelassenheit, schon gar nicht von demokratischer Gesinnung derjenigen, die zur Zeit das Ruder in der Hand haben.

Ihre Stimme, bitte.
Please wait...
blank