Wie wahrscheinlich ist, dass der Bank-Raub der EU zur Vermeidung von Bank-Rotten in Zypern nur eine Vorübung ist darauf, was auch in anderen Ländern der Eurozone im Zuge von Bank-Rettungen ansteht?
Der erste Hinweis: Die europäische Kommission hat jetzt klar gestellt, die Einlagenversicherung von 100.000 Euro gilt nur für den Fall einer Bankpleite, nicht bei einer Bankrettung. Damit wird sie zur Farce, weil es so immer einen Weg gibt, sie zu umschiffen.
Der zweite Hinweis: Goldman Sachs, London, untersucht die Situation in einzelnen Krisenländern. In Griechenland hätten die risikobewussten Sparer den Großteil ihrer Gelder bereits außer Landes geschafft, noch knapp 170 Mrd. Euro befinden sich auf Sparkonten im Land. Wegen der Nähe und Verflechtung mit Zypern dürfte die Kapitalflucht jetzt weitergehen und nur ein notwendiger Rest im Land bleiben, dessen „Besteuerung“ wenig bringt.
Im Fall Irland sei es nach den erfolgreichen Anstrengungen zur Rekapitalisierung der Banken in 2010 wenig wahrscheinlich, dass die Spar-Einlagen von knapp 200 Mrd. Euro angezapft werden. Die Situation in Spanien wird ähnlich gesehen: In der zweiten Jahreshälfte 2012 sei nach den eingeleiteten Rettungsmaßnahmen für die einheimischen Banken Kapital zurückgekehrt, die Spareinlagen kommen auf gut 1,5 Bill. Euro. Auch in Portugal sei es ähnlich wie in Irland: Das Bankensystem wird einer planmäßigen Sanierung unterzogen, eine Kursänderung ist unwahrscheinlich. Die Kapitalflucht hält zwar noch an, dürfte aber abnehmen, wenn sich Erfolge zeigen (Spareinlagen 210 Mrd. Euro).
In Italien sei die Situation jedoch anders zu beurteilen. Hier wurden bisher keine flächendeckenden Rettungsmaßnahmen für die Banken unternommen. Der Anteil der faulen Kredite nimmt zu. Italienische Sparer dürften sich noch an die Einlagensteuer der frühen 1990er Jahre erinnern. Das schafft Potenzial für Kapitalfluchtbewegungen. Die relativ hohen Spareinlagen von rund 1,5 Bill. Euro laden förmlich dazu ein, zuzugreifen, wenn sich die Situation im Bankensektor weiter verschlechtert und bevor die Kapitalflucht Formen annimmt.
Hinweis drei: Goldman hat kürzlich in einer Studie ausgerechnet, was eine Zwangsabgabe auf Spareinlagen in den PIIGS bringt. Bei einem Prozent sind es fast 36 Mrd. Euro, 8,5% erbrächten über 300 Mrd. Euro.
Hinweis vier: Economic Times meldet, Pimco reduziert seine Ausrichtung auf die Eurozone. Die Entscheidung, Sparer an der Bank-Rettung zu beteiligen, sei nicht nur ein politischer Fehler, sondern Ausdruck davon, dass der Euro als Gemeinschaftswährung nicht funktioniert. Die Sparerbeteiligung sei unfair, sie sei eine signifikante Abweichung von den Gepflogenheiten in anderen Währungsräumen. Mohamed El-Erian, CEO von PIMCO, sieht darin auch einen Weckruf für Investoren, die bisher träumten, die EZB hätte mit ihrer Zusicherung, alles zu tun, um den Euro zu retten, alles im Griff.
Wenn Goldman Sachs solche Studien anfertigt, werden sie gewöhnlich von jemandem in Auftrag gegeben – wer das wohl sein könnte? Wir alle wissen, wie eng das Institut mit der Politik hüben und drüben des Atlantiks verbunden ist.
Der Mannheimer Wirtschaftsprofessor und Berater der EU-Kommission in Finanzfragen, Hans-Peter Grüner, hat das Krisenmanagement der Euro-Retter scharf kritisiert: „Ausgerechnet in einem Land mit überschaubarer Wirtschaftsleistung (Anmerkung: BIP rund 20 Mrd. Euro) droht die Europäische Union den Kurs zu verlieren.” Er fordert, die europäischen Finanzminister müssten klarstellen, dass Aktionäre grundsätzlich vor Gläubigern für Verluste von Banken haften und eine Belastung großer Gläubiger von Banken Vorrang vor der Belastung kleiner Gläubiger hat. Er verweist auch auf die realwirtschaftlichen Konsequenzen, wonach Verluste breiter Bevölkerungsschichten größere Auswirkungen auf die Nachfrage haben als die Belastung großer Einlagen.
Der IWF hat kürzlich den europäischen Bankensektor untersucht (sehen Sie bitte hier). Der zypriotische Bankensektor ist im Vergleich zum BIP mehr als doppelt so groß wie der (aufgeblasene) EU-Durchschnitt. Das sollte nicht zu der Hoffnung verleiten, in anderen Ländern werde es keinen "Sparer-Solidaritätszuschlag" geben. Das europäische Bankensystem ist mit 26 zu eins gehebelt, da reichen schon geringe Preisabschläge bei Assets aus, um es insolvent werden zu lassen.
Nachtrag:
(21.3.13) Guggenheim Investments kommentieren so: "Die europäischen Politiker haben mit der Steuer auf Spareinlagen die Büchse der Pandora geöffnet. Die angepeilte Aktion gleicht einem Haircut, oder schlimmer, einer Wohlstands-Konfiszierung durch die EU. Umfang und Größenordnung der Einlagen-Steuer ist in dieser Krise ohne Beispiel, vielleicht auch in der Geschichte der größeren entwickelten Volkswirtschaften. Eine mögliche Konsequenz ist die Wahrnehmung, keine Spareinlage in der europäischen Peripherie ist sicher, sogar, wenn sie versichert ist.
Das Ansteckungsrisiko per Bank-Runs und Kapitalflucht in den größeren Wirtschaftsregionen wie Spanien oder Italien ist signifikant erhöht und das wird die globalen Märkte für längere Zeit auf dramatische Weise tangieren. Im schlimmsten Fall erweisen sich die jüngsten Entwicklungen in Zypern als das Lehman-Moment Europas. Auch wenn nicht, so hat die EU doch eine Linie überschritten, die niemals hätte überschritten werden dürfen."
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