Der aktuelle Degussa-Marktreport befasst sich mit dem Thema „Zentralbankpolitik und Goldpreis“. Eine gute Ergänzung zum Artikel „Was treibt Gold?“, in dem es um die Frage geht, welche Finanzmarkt-Assets bei der Entwicklung des Goldpreises eine entscheidende Rolle spielen.
Mit Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zeigte sich ein recht enger Gleichlauf zwischen dem Ausweiten der Zentralbankbilanzen, bzw. der (Basis-)Geldmengen, und dem Goldpreis, heißt es einleitend im Degussa-Marktreport. Nachfolgend bringen wir eine gekürzte Fassung.
Seit etwa Anfang 2012 scheint sich der Gleichlauf zwischen den anwachsenden Zentralbankbilanzen und dem steigenden Goldpreis gelockert zu haben. Was könnte der Grund sein?
Angesichts der expansiven Geldpolitiken hatten vermutlich viele Investoren die Sorge, es könnte zu einer (Hoch-)Inflation kommen. Dies trieb den Goldpreis im September 2011 in der Spitze auf über 1.900 Dollar je Feinunze. Danach änderte sich die Markteinschätzung, die Investoren schienen nunmehr zu erwarten, dass es den Zentralbanken gelingen wird, die neu geschaffene Geldmenge wieder „einzufangen“ und so eine Inflation zu verhindern. Das ließ den Goldpreis überbewertet scheinen. Der fiel daraufhin unter erheblichen Schwankungen auf ein deutlich tieferes Niveau.
Im Zuge dieser veränderten Erwartungen scheint sich auch die Beziehung zwischen der Ausdehnung der Zentralbankbilanzen und der Entwicklung des Goldpreises gelockert zu haben. Das trifft allerdings nicht auf den Euroraum und die USA zu. So ist die Bilanzsumme der EZB von Juli 2012 bis Februar 2013 um etwa 10,7% geschrumpft, in dieser Zeit gab der Goldpreis in Euro gerechnet um gut sieben Prozent nach. In den USA ist die Bilanzsumme der Fed seit Frühjahr 2012 bis Januar 2013 nicht mehr angewachsen. Der Goldpreis in USD liegt aktuell nach Schwankungen auf dem Niveau vom Mai 2012.
Wird sich die Ausweitung der Zentralbankbilanzen fortsetzen? Einige Überlegungen sprechen dafür:
(1) Es scheint ein öffentlicher Konsens zu sein, dass die weltweite (Über-)Verschuldungskrise nicht in einer großen Rezession enden darf. Um das zu verhindern, werden „ungewöhnliche“ Maßnahmen der Zentralbanken als akzeptabel angesehen – wie vor allem eine Niedrigzinspolitik und das Ausweiten der (Basis-)Geldmengen.
(2) Die Geldpolitiken der Zentralbanken, durch die Zahlungsausfälle von Staats- und Bankschuldnern abgewendet werden sollen, haben das Preisgeschehen auf den Finanzmärkten bereits maßgeblich beeinflusst. Ein abrupter Ausstieg aus dieser Geldpolitik würde vermutlich beträchtliche, wirtschaftspolitisch nicht gewollte Marktverwerfungen nach sich ziehen. Es ist ein folglich großer Anreiz entstanden, die eingeschlagenen Geldpolitiken fortzuführen.
(3) Die „Krisenbekämpfungspolitiken“, allen voran eine unkonventionelle, expansive Geldpolitik, wird vielfach als Heilmittel angesehen, mit dem die Volkswirtschaften zurück auf den Wachstumspfad gebracht werden können: Von niedrigen Zinsen und einem Ausweiten der Geldmenge erhofft man sich höhere Produktion und Beschäftigung.
Vor diesem Hintergrund werden die Zentralbanken vor allem darauf hinwirken müssen, den gesamten volkswirtschaftlichen Bankensektor – bestehend aus Geschäftsbanken und Zentralbank – vor dem Schrumpfen zu bewahren. Denn die Volkswirtschaften haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten an immer mehr Kredit und Geld, bereitgestellt zu immer tieferen Zinsen, „gewöhnt“.
Würde der Zufluss der Liquidität, für den bislang die Zentral- und Geschäftsbanken gesorgt haben, plötzlich (ganz) versiegen, drohen die Konjunkturen in schweres Fahrwasser zu geraten. Es könnte eine Rezession, vielleicht sogar eine gefürchtete Depression geben – also stark rückläufige Produktion, Preisverfall auf breiter Front, Kreditausfälle und hohe Arbeitslosigkeit. Damit die Geschäftsbanken weiter neue Kredite vergeben, ermöglichen ihnen die Zentralbanken Zugang zu sehr niedrig verzinslichen Krediten und kaufen ihnen zudem auch Wertpapiere ab.
Im Euroraum hat der EZB-Rat dadurch die gesamte Bilanzsumme des Bankensektors weiter erhöht, vor allem auch im Verhältnis zum BIP des Euroraums. Ende 2012 betrug die Bilanzsumme des Euro-Bankensektors rund 32,700 Bill. Euro, die Eurosystem-Bilanz etwa 3,000 Bill. Euro. In den USA hatte die Notenbank hingegen die Bilanzsumme des Bankensektors bisher „nur“ konstant gehalten. Sie ist seit Ende 2008 im Grunde nicht mehr weiter angestiegen. Ende 2012 betrug die Bilanzsumme des US-Bankensektors knapp 13,0 Bill. Dollar, die Fed-Bilanz etwa
2,8 Bill. Dollar.
Wenn die Zentralbanken diese Geldpolitik fortsetzen, wäre ein Anwachsen der Zentralbankbilanzen die Folge. Die Fed hat bereits angekündigt, die Basisgeldmenge durch Anleihekäufe um bis zu 85 Mrd. Dollar pro Monat zusätzlich auszudehnen – auf das Jahr 2013 hochgerechnet entspricht das einem Anwachsen der Fed-Bilanzsumme um knapp 36%. Das Ausweiten der EZB-Bilanz könnte sogar noch stärker ausfallen – der Bankensektor im Euroraum ist weitaus größer und vermutlich auch in weitaus schlechterer finanzieller Verfassung als der in den USA.
Eine solche Entwicklung würde dem Goldpreis in Euro und Dollar gerechnet vermutlich wieder Auftrieb geben. Die aktuelle „Lücke“ zwischen Goldpreis und Zentralbankbilanzen würde dann wohl wieder geschlossen, so die Erwartung.
Wenn Regierungen und Zentralbanken die Zinsen aus politischen Erwägungen (künstlich) absenken, geraten volkswirtschaftliche Ersparnis und Investition aus dem Gleichgewicht. Wird die (Papier-)Geldmenge ausgeweitet, sieht das zunächst so aus, als ob die Ersparnisse gestiegen sind, die für Investitionen zur Verfügung stehen. Unternehmer beginnen daraufhin ihre Produktionskapazität auszubauen. Es entsteht ein „Schein-Aufschwung“. Der sorgt dafür, dass knappe Ressourcen in Verwendungen gelenkt werden, die sich als unprofitabel erweisen. Die neuen Investitionen entpuppen sich früher oder später als Fehlschläge. Der durch eine künstliche Zinssenkung angestoßene Aufschwung geht in einen Abschwung über.
Das Ausweiten der Geldmengen durch die Zentralbanken erhöht die Ersparnis nicht, aus der neue Investitionen bestritten werden können. Denn eine Geldmengenausweitung ist inflationär, auch wenn die Preissteigerungen nicht immer sofort und unmittelbar in Erscheinung treten.
Zudem halten die Zinssenkungen der Zentralbanken eine volkswirtschaftliche Produktions- und Beschäftigungsstruktur aufrecht, die unter aktuellen Marktbedingungen keinen Bestand mehr hat. Künstlich niedrige Zinsen erlauben es vor allem den Staaten, kreditfinanzierte Ausgaben zu tätigen, mit denen dann üblicherweise eben diese fehlgeleitete Produktions- und Beschäftigungsstruktur subventioniert wird. Das kann zwar kurzfristig eine Rezession abwenden, verlagert aber das Problem nur in die Zukunft und vergrößert die Anpassungskosten in Form einer künftig noch schärferen „Bereinigungsrezession“.
Daraus folgt in der inneren Logik dieser Politik, die Geldmenge immer noch weiter auszudehnen… Die Fehlallokationen nehmen zu, die überkommene Produktions- und Beschäftigungsstruktur wird weiter zementiert … usw. usf.
Die Zinsmanipulation führt nicht zu einem selbsttragenden Aufschwung, die Zinsen müssen immer weiter künstlich gedrückt werden, um die letztlich unvermeidlichen verheerenden Konsequenzen der Liquiditätsflut herauszuzögern – ein Teufelskreis. Wie im Artikel „Was treibt Gold?“ gezeigt, ist dabei der Realzins ein wichtiger, den Goldpreis bestimmender Faktor. Der Realzins beinhaltet beides – das niedrige und weiter sinkende Zinsniveau als Ausdruck der Geldflut und die „Ist-Inflations“-Komponente als Ausdruck der daraus resultierenden Preisverzerrungen. Der Inflationsdruck ist momentan jedoch nicht ausgeprägt, wie die aktuellen CPI- und PPI-Daten zeigen. Das ist ein Teil der Erklärung für die momentane Goldpreisschwäche.
Die Erwartung im Degussa-Marktreport, die Lücke zwischen Goldpreis und Zentralbankbilanzen werde sich wieder schließen, ist nicht unbegründet. Hierzu ist allerdings erforderlich, dass sich das Anleger-Sentiment wieder ändert. Zu berücksichtigen ist, dass dem September 2011 mit seinem vorläufigen Goldpreis-Peak im Juli/August ein Ausufern der US-Staatsschuldenkrise vorausgegangen war.
Die Sentiment-Änderung nach September 2011 war nicht nur durch veränderte Inflationserwartungen bedingt, wie es im Marktreport heißt, sondern auch durch eine veränderte Haltung hinsichtlich „safe haven“-Absicherung. Der zuletzt genannte Punkt hat in der Vergangenheit immer wieder eine bedeutende Rolle bei der Goldpreisbildung gespielt und das wird auch künftig so sein. Sollte dieser Faktor nicht zurückkommen und statt dessen (weiter) allumfassender Optimisten-Auftrieb gespielt werden, fehlt ein wichtiger Punkt der Phantasie für den Goldpreis.
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Sicherlich gibt es gute Gründe für diese Argumentation. Andererseits zeigen sich Analysten und Marktbeobachter zunehmend darüber besorgt, was die weitere Entwicklung des Goldpreises angeht. Noch vor dem ersten Quartalsabschluss 2013 ist der längste Abwärtstrend beim Goldpreis seit Anfang 1997 zu beklagen.
Das Goldpreisfixing und damit die weitere Wertentwicklung wird bereits seit Wochen von einem unterschwelligen Verkaufsdruck bestimmt, die Marke von 1.600 US-Dollar für die Feinunze wird permanent unterschritten, die Tage der Begeisterung mit einer Höhe von 1.920,25 USD für die Unze scheinen mittlerweile in eine unerreichbare Ferne gerückt zu sein. UBS-Experten erwarteten für die Feinunze eine Preisspanne, die zwischen 2.000 und 2.200 US-Dollar liegen sollte, einige US-Analysten gingen sogar noch darüber hinaus. Davon ist aber schon längst keine Rede mehr.
Die Märkte und Investoren setzten derweil verstärkt auf Aktien, um die hohe Liquidität, die durch die Notenbanken (vor allen Dingen die Federal Reserve in den Vereinigten Staaten) in die Märkte gespült werden, in eine interessante Asset-Klasse zu parken. Selbst wenn es derzeit im ersten Quartal 2013 noch verfrüht erscheint, von einer Aktien-Hausse zu sprechen, ist jedenfalls Gold längst nicht mehr die erste Wahl.
Die Nachfrage nach Gold in Asien und den Schwellenländern hat merklich nachgelassen, ein Wiedererstarken der Schmucknachfrage auf Grund der Hochzeits- und Feiertagssaison in Indien ist ausgeblieben, Vietnam und anderen Staaten in Asien unterbinden den Goldschmuggel und haben Maßnahmen zur Stabilisierung ihrer Währungen betroffen. Die VR China verfolgt das Ziel der strategischen Beteiligung durch Zukäufe oder auch Aufkäufe von bedeutenden Industrie- und Hightech-Unternehmen in der ganzen Welt. Ganz oben auf der Wunschliste von chinesischen Investoren (im Regelfall sind es Staatskonzerne der VR China) steht aktuell die Energiebranche und das damit verbundene technische Know-how.
Alternative Investmentprodukte wie Gold-ETFs (Exchange Traded Funds) könnten allerdings zum Problem ausarten und den Goldpreis herunterreißen. „Sollten langfristig orientierte ETF-Investoren tatsächlich ihre Bestände reduzieren, könnte dies für all jene ein Problem werden, die auf steigende Goldnotierungen im Stil der letzten 10 Jahre setzen“, prognostiziert Analyst Daniel Brebner (Deutsche Bank London). Immerhin zählt zu denen, die zuletzt ihre Anteile am SPDR-Fund senkten, beispielsweise Großinvestor George Soros, kommentiert aktuell „Handelsblatt“ (Titel: Warum Investoren ihr Gold verkaufen).
Viele Milliarden Dollar sind in den Indexfonds auf Edelmetalle geflossen. Besonders profitiert hat davon der SPDR Gold: Allein im dritten Quartal 2012 wuchs das verwaltete Vermögen in dem weltweit größten Gold-ETF auf 75,4 Milliarden US-Dollar.
Für Analysten und Märkte bedeutet dies für die Bestimmung des Trends für den Goldpreis 2013: Seitwärts oder sogar Abwärtsbewegung.
Um den Goldpreis, der sich ungeachtet des Seitwärts- oder Abwärtstrends weiterhin auf einem hohen Niveau hält, zu stabilisieren, soll die Produktion (Förderung) von Gold durch die Minenbetreiber heruntergefahren werden, was sich ebenfalls als Problem darstellt. Diese Unternehmen, wie etwa Eagle Mountain Gold Corp aus der Branche Rohstoffförderung (Diamanten/Edelmetalle), sind oftmals börsennotiert. Goldcorp, der zweitgrößte Goldproduzent in Kanada, hatte bereits seine Produktionsprognose für das vergangene Geschäftsjahr senken müssen. Diese Unternehmen haben in den letzten Monaten (ggfs. Jahren) erhebliche Kosten für ihre Explorationen aufgewendet und vorfinanziert. Deshalb ist eine bestimmte Höhe einer vorher kalkulierten Jahresproduktion (Jahresausstoß von Unzen)Grundlage für einen profitablen Betrieb einer Goldmine. Fahren also die Minenbetreiber ihren Jahresausstoß tatsächlich herunter, besteht der Konflikt, nicht mehr profitabel zu wirtschaften. Das kann ein Überangebot von Gold an den Märkten zu einem weiteren Kursverfall führen.
Die Goldverkäufe seien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5 % zurückgegangen, bilanzierte der Branchenverband World Gold Council (WGC) im Geschäftsjahr 2012 und sieht diesen Trend des Rückganges ungebrochen. Allein im Monat Februar 2013 sank der Preis für Gold um etwa 5 Prozent.
Derweil entsteht ein Verkaufs- und Vertriebsdruck bei den Banken. „Angesichts der Tatsache, dass die nordamerikanischen Edelmetallproduzenten am unteren Ende des Sechsjahreswerts des Verhältnisses von Kurs zu Netto-Asset-Wert gehandelt werden, erscheinen zumindest die Aktien des Sektors unterbewertet“, argumentieren einige Banken mit dem Ziel, um das Goldnachfrage weiter anzuheizen. „Neue Käufer sollen auf den Goldmarkt kommen“, fordert die Bank of America – Merrill Lynch (BofAML), mit dem Wunsch nach einer „multiplen Neubewertung dieses Sektors.“
Ferner ist die Beobachtung des Markumfeldes wichtig. Viele Analysten warnen vor anhaltendem Gegenwind für weiteres Wachstum, da das Umfeld für zyklische Assets, darunter auch Industriemetalle, weiterhin schwierig bleibe. Die Einschätzung der BofAML, das die Buntmetallpreise fallen werden, hat sich bewahrheitet, wie beispielsweise die Entwicklung des Kupferpreises gezeigt hat. Sandro Valecchi, Berlin