Eurozone: Die gefährlichsten Banken

Der Finanzstabilitätsrat hat seine Liste der gefährlichsten Banken aktualisiert. Oben an stehen Citygroup, Deutsche Bank, HSBC und JP Morgan Chase. Grundlage der „Systemrelevanz“ sind u.a. Größe und Vernetzung im internationalen Finanzsystem. Die Mitglieder der Spitzengruppe müssen von 2016 an einen zusätzlichen Eigenkapitalpuffer von 2,5% aufbauen und bis 2019 auf eine Mindestausstattung von 9,5% an Grundkapital und Gewinnrücklagen kommen. Die Deutsche Bank kann bisher nur weniger als sieben Prozent ausweisen. "Von 2016 an“? Bis dahin sind anscheinend keine Krisen vorgesehen.

Eigentlich gehört nicht nur die Deutsche Bank, sondern der gesamte aufgeblasene Bankenapparat der Eurozone in die Spitzengruppe der gefährlichsten Banken. Dessen aggregierte Bankbilanz kommt per Jahresmitte auf gut 34 Bill. Euro oder mehr als dreieinhalbfache des Eurozonen-BIP. Der US-Bankensektor kommt demgegenüber nur auf eine Summe der Bilanzen von rund 12 Bill. Dollar, was etwa 80% der US-BIPs ausmacht. Nehmen wir die US-Verhältnisse als Richtschnur, müsste sich das Bankensystem in der Eurozone in etwa vierteln.

Das deutsche Beispiel zeigt, dass die Bilanzsumme der deutschen Banken nahezu doppelt so hoch ist wie das BIP (siehe Chart). Das nimmt sich im europäischen Maßstab richtig bescheiden aus und zeigt, wo die eigentlichen Problemfelder liegen, in der südlichen Peripherie und in Irland.

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Im Vorjahr hatten die Banken der Eurozone angekündigt, ihre Bilanzen um mehr als 950 Mrd. Euro oder etwa drei Prozent ihrer akkumulierten Bilanzsumme zu verkleinern. Doch statt dessen sind sie per Jahresmitte um sieben Prozent gewachsen. Vorne mit dabei sind BNP Paribas, Banco Santander und UniCredit, die größten Banken in Frankreich, Spanien und Italien.

Der LTRO-Geldsegen der EZB half, eine kurzfristige Kreditklemme abzuwenden. Die EZB gratuliert sich selbst: Die unterstützende Wirkung der LTROs hätte eine abrupte und ungeordnete Auflösung von Aktiva verhindert, hieß es in ihrem September-Bericht. Nikolaos Panigirtzoglou, Analyst bei JPMorgan Chase & Co. in London, schätzt, dass allein Bondkäufe die Bankbilanzen um rund 500 Mrd. Euro haben anschwellen lassen. Dadurch könnten Banken jährliche „risikolose“ Erträge von etwa 12 Mrd. Euro erwirtschaften, etwa zehn Prozent ihrer gesamten Erträge.

Mit dem EZB-Geldsegen sind die Banken von der Notenbank noch abhängiger geworden. Ihre strukturellen Probleme werden nicht gelöst – im Gegenteil. Auch die gegenseitige Abhängigkeit von notleidenden Staaten und ebensolchen Banken wächst.

Die Ausleihungen der Banken an Privathaushalte und Unternehmen in der Eurozone hielten sich zur Jahresmitte noch bei 18,7 Bill. Euro (incl. MFI – ohne 11,2 Bill. Euro). Die summarische Betrachtung verdeckt aber den Blick z.B. auf Spanien, hier ist die Kreditvergabe zwischen Januar und Juli um fünf Prozent zurückgegangen. Im Laufe des dritten Quartals sind Kredite (an privaten Sektor incl. MFI) und Bilanzsumme der Banken der Eurozone nun aber deutlich rückläufig – ein Warnzeichen (siehe Chart!).

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Da eine Bereinigung der Bankbilanzen besonders in Spanien und Italien nicht stattfindet, liegt nahe, dass bald eine weitere Spritze der EZB kommen muss, um die Kredite aus der ersten Tranche zu überwälzen.

Das zugrunde liegende Problem wird auch damit nicht gelöst – die Eigenkapitaldecke europäischer Banken ist einfach zu gering. Das europäische Bankensystem ist auf Basis berichteter Verschuldung mit 26 zu 1 gehebelt, das der USA mit 13 zu 1 nur halb so stark. Das erzeugt permanenten latenten Druck, Risikoaktiva, Kredite, Wertpapiere usw., abzubauen. Eine Zurückführung von Bankkrediten würde zu schrumpfender Geldmenge führen.

Daraus entstünde eine deflationäre Spirale: Die Kalkulation kreditfinanzierter Investitionen ginge nicht mehr auf, Unternehmensgewinne sinken, Löhne und Gehälter würden folgen. Schuldenlasten würden real steigen, immer mehr Kredite würden „faul“. Das ließe die Verluste der Banken ansteigen, in der Folge sänke die Bereitschaft weiter, neue Kredite auszugeben. Damit würde der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik außer Funktion geraten und die Möglichkeiten der Notenbank zur Steuerung der Kredittätigkeit verschlechterten sich (und das diente dann als Argument für die Notenbank, die Geldschleusen noch weiter aufzureißen).

Hinzu kommt: Das ab 2013 greifende Regelwerk Basel III soll dafür sorgen, den Kapitalaufbau bei Großbanken voranzutreiben. Ganz bewusst wurden viel zu lange Fristen festgelegt – in der Hoffnung, die Banken wären in den nächsten sechs bis sieben Jahren imstande, mit den in dieser Zeit erzielten Gewinnen Lücken bei ihrer Ausstattung mit Eigenkapital zu schließen. Die Banken sind gegen Basel III, der Zwang zu mehr Eigenkapital würde ihre Kapitalkosten erhöhen. Schon warnen sie wieder vor einer Kreditklemme. Sie greifen lieber auf billig verfügbares Fremdkapital der Notenbank zurück.

Die „Märkte“ sehen die Lage noch wenig kritisch. Nach wie vor wird davon ausgegangen wird, dass die Staaten bei Banken-Schieflagen einspringen. Das erklärt z.B. auch, dass die CDS-Kurse von Banken aktuell auf dem Niveau von Mitte 2011 liegen. Zwischenzeitlich lagen sie deutlich höher (siehe Chart!).

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Doch je aufgeblasener das Bankensystem, je höher es gehebelt ist, je labiler ist die Lage. Auch kleinere exogene Schocks können den Koloss auf tönernen Füßen dann schnell aus dem Gleichgewicht bringen.

Die EZB wird getreu ihrer Linie, alles und jeden zu retten (zumindest im Finanz- und Staatsbereich), auch hier gegensteuern, z.B. mit neuen LTROs oder –nicht unwahrscheinlich- eines Tages auch mit dem direkten Ankauf von Bankanleihen; als Sicherheiten für Kredite werden diese unter bestimmten Bedingungen ja schon akzeptiert. Zudem steht die Bankenrettung via ESM auf der politischen Agenda.

EZB und Politik versuchen, den Bankenapparat so aufgeblasen zu halten wie er ist, weil man glaubt, gerade jetzt im Angesicht der weiter erlahmenden Konjunktur in der Eurozone könne man sich strukturelle Reformen nicht erlauben. Also wird auch die Schrumpfung des europäischen Bankenapparats auf später verschoben, auf den St.-Nimmerleins-Tag. Statt dessen wird versucht, die Inflation anzuschieben – koste es, was es wolle.

So lange dabei die zunehmende Geldmenge im Finanzsektor bleibt, wirkt sie dort inflationär und treibt die Preise z.B. von Aktien, Anleihen und Rohstoffe. Steigende Rohstoffpreise wirken aber über Kostensteigerungen inflationär, wenn Unternehmen diese weitergeben. Und: Die Geldmenge schwappt direkt in den Realbereich, wenn von Nicht-Banken gehaltene Assets direkt oder indirekt mit frischen Zentralbankgeld angekauft werden. Ein weiterer Weg: Wenn Finanzinstitute mit frischem Zentralbankgeld ausländische Assets kaufen, z.B. in den USA, dann schwächt das den Euro. Hierdurch wiederum kann Inflation per in Dollar notierenden Rohstoffen importiert werden.

Möglicherweise ist die aktuelle Euroschwäche bereits ein Anzeichen dafür, dass die EZB-Geldschwemme ihren Weg nach draußen findet. Der langfristige Chart von Euro/Dollar zeigt das Währungspaar an einem äußerst kritischen Punkt (Aufwärtslinie aus 2001). Mit der Euro-Schwäche ist auch der Goldpreis deutlich unter Druck gekommen.

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Die Eurozone ist mehr als jeder andere Währungsraum angewiesen auf die Schwächung der eigenen Währung. Anderenfalls müssten die PIIGS in besonders starkem Ausmaß intern deflationieren, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig werden. Das führt letzten Endes aber zu einer Verschärfung der Staatsschuldenproblematik und zum Ruin, wie in Griechenland zu sehen.

Der Zwang zu besonders starker Inflationierung in der Eurozone und Euro-Schwäche gehören zusammen. Dabei allerdings werden die anderen Staaten nicht tatenlos zusehen und so besteht die längerfristige Gefahr eines Abwertungswettlaufs, an dessen Ende nur Verlierer stehen. Am meisten aber dürfte dabei das Vertrauen in das Fiat-Geldsystem leiden.

Nachtrag:
Aus einem Interview mit Hans-Werner Sinn (23.11.2012, Einsichten – das Forschungsmagazin, Nr. 2, S. 16):
"Es ist eine Sache, anderen Staaten bei ihren Staatsschulden zu helfen – da reden wir über 3,6 Billionen. Es ist etwas ganz anderes, jetzt auch noch die 9,2 Billionen Bankschulden in irgendeiner Form absichern zu wollen."

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