Seit Wochen (und Monaten) heißt es immer wieder: „Spanien stellt sich bald unter den ESM-Schirm.“ Der spanische Premier hat dazu eine feste Meinung. Die reicht von „gar nicht“ über „wenn die Bedingungen vernünftig sind“ bis „wenn die Kosten der Verschuldung zu lange zu hoch bleiben.“ Aha!
Und der spanische Wirtschaftsminister hat jetzt in London gesagt, Spanien brauche keinen Bailout: „There is a little bit of misunderstanding–Spain doesn't need a bailout at all.“
Was dem spanischen Premier besonders am Herzen liegt: „Europa muss sich in Richtung Bankenunion bewegen. Das wäre eine sehr gute Botschaft hinsichtlich Unumkehrbarkeit des Euro.“
Im Klartext: Die spanischen Banken brauchen den Zugriff auf die Einlagen der übrigen europäischen Banken. Einstweilen benötigen sie erst einmal 60 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung, wie eine Untersuchung der Unternehmensberatung Oliver Wyman ergab. Im Juni hatten die Eurozonen-Finanzminister mal so eben bis zu 100 Mrd. Euro für diesen Zweck in Aussicht gestellt. Noch im Oktober reisen IWF-Beobachter an, um einen Bericht über das Bankenrettungspaket der EU zu erstellen.
Das vor kurzem vorgestellte spanische Budget für 2013 basiert auf der (lächerlich) optimistischen Annahme einer lediglich 0,5%-igen Kontraktion der spanischen Wirtschaft. Das ist der gleiche Forecast wie vor einigen Monaten, seitdem hat sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone deutlich eingetrübt. Die Staatsausgaben sollen in 2013 um 8,9% gekürzt werden, die Steuereinnahmen sollen um 5 auf 175 Mrd. Euro steigen. Damit soll ein Defizit von 4,5% des BIP erreicht werden. In 2011 waren es 9%, das Ziel für dieses Jahr (6,3%) wird aller Voraussicht nach verfehlt.
Die spanische Regierung reklamiert, man gehe bei den den Einsparungen zugrunde liegenden Reformen von den Empfehlungen der EU-Kommission aus. Die lobte im Gegenzug die ambitionierten Pläne des spanischen Premiers Rajoy. Braver Spar-Bub!
Die spanische Zentralbank macht auf Spielverderber: Sie glaubt, die Rezession wird möglicherweise länger dauern und schärfer verlaufen. Sie sieht das spanische BIP 2013 erneut um 1,0 bis 1,5% schrumpfen, also zwei- bis dreimal so viel wie die Regierung in ihrem Haushaltsentwurf für 2013 angesetzt hat. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Spanien auch in diesem Jahr sein Defizitziel nicht erreichen wird, u.a. wegen hoher Belastung durch Renten. Üblicherweise werden die Renten an die Inflation angepasst. Infolge der Mehrwertsteuer-Erhöhung war die Inflationsrate im September auf 3,5% angestiegen. Eine Anhebung der Renten um diesen Wert hätte schwerwiegende Auswirkungen auf das Defizit, heißt es.
Ist diese Kakophonie darin begründet, dass die spanische Regierung aus Hampelmännern besteht? Möglicherweise steckt auch gerissenes Kalkül dahinter.
Der spanischen Regierung geht es darum, das Land zu möglichst weichen Bedingungen unter den ESM-Schirm zu bringen, damit das OMT-Programm der EZB einsetzen kann. Das dürfte auch im Interesse der EU-Kommission liegen, das Land wiegt viel zu schwer im europäischen Schuldenkonzert, als dass man sich hier einen Ausrutscher leisten kann. Das weiß Rajoy genau und deshalb lässt sich gut pokern. Die Politbürokraten in Brüssel erhoffen sich wiederum, dass ein Spanien unter dem ESM-Schirm und im OMT-Programm der EZB wohltuende (Signal-)Wirkungen auch auf andere PIIGS-Länder entfaltet.
Der Gouverneursrat des ESM soll am Rande eines Treffens der Euro-Gruppe am 8. Oktober erstmals zusammentreten und dann seine Arbeit aufnehmen. Dann könnte Spanien an die Türe klopfen. Aber nur, wenn die Bedingungen weich genug sind…
EZB-Chef Draghi sagte, es liege an Spanien, wie es weiter geht: "Es ist nun an Spanien zu entscheiden, ob es Hilfe will. Wir sind jedenfalls vorbereitet, wenn ein solcher Antrag kommen sollte".
Paul Krugman hat in seinem Blog vorgerechnet, dass das spanische Preisniveau auf Basis der Arbeitskosten rund 15% über dem Eurozonen-Niveau liegt. Seine Schlussfolgerung: „Wenn Spanien keine ernsthafte Hilfe durch einen breit aufgestellten Euro-Boom bekommt, insbesondere durch einige Inflation in den Kreditgeber-Ländern, steht es vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe.“
Mittlerweile formiert sich in Spanien und Portugal breiter politischer Protest, dem man damit begegnen will, ihn tot zu schweigen oder ihn -gerne auch mit Provokateuren- in die terroristische Ecke zu rücken. In Portugal haben Polizei und Militär gesagt, sie werden sich nicht zu Aktionen gegen das Volk missbrauchen lassen.
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