S&P 500 verdaut Gewinne

Die Aktienmärkte schlossen in der zurückliegenden Woche per Saldo kaum verändert. Der Dow ist mit –0,1% auf Wochensicht knapp behauptet, der S&P 500 gibt 0,3% ab, der NDX legt um 0,4% zu, der DAX gewinnt 1,1%. Euro/Dollar ist mit +0,2% kaum verändert, Dollar/Yen und Euro/Yen steigen um jeweils gut +2%. Die Rendite der 10yr-TNotes gewinnt 2,2% auf 3,821%, die der 2yr-TNotes steigt um 2,6% auf 4,630%. Gold in Dollar verliert 1,3%, die Ölpreise fallen um rund 4%, der CRB-Rohstoffindex verliert 4,2%.

Der Dow Jones Industrial Average hat im Vergleich zum S&P 500 den schwächsten Jahresbeginn seit 1934 erlebt, im vergangenen Jahr hatte der Dow 11% besser abgeschnitten als der S&P 500, in diesem Jahr legte er 2% zu, während der S&P 500 7% vorwärts ging. Der NDX bringt es auf eine Jahresperformance von 13%.

2023 geben die US-Verbraucher weiterhin Geld aus, die Arbeitgeber stellen weiter ein, die Wirtschaft bleibt widerstandsfähig. Die Inflation ist für den Geschmack der Fed weiterhin viel zu hoch. Während die jährliche Verbraucherinflation leicht von 6,5% im Dezember auf 6,4% im Januar zurückging, weniger als erwartet, stieg sie auf Drei- und Sechsmonatsbasis an – ein wichtiger Indikator für Ökonomen.

Jeroen Blokland wirft einen interessanten Blick auf das Thema „Inflation“: Der Median des Verbraucherpreisindex stieg im Januar um 0,65%, verglichen mit 0,41% des Kernverbraucherpreisindex. Dies war der drittstärkste Anstieg in der Geschichte und markierte den zweiten Monat einer sich beschleunigenden medianen Preisinflation. Aber das ist noch nicht alles. Die auf das Jahr hochgerechnete mediane 3-Monats-Inflationsrate liegt bei 7,0 %, und der Anstieg gegenüber dem Vorjahr beträgt 7,1%.

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Wenn man diese Inflationsrechnungen berücksichtigt und die starken Löhne, sowie das massive Wachstum der Einzelhandelsumsätze von 3,0% im Januar hinzunimmt – glauben Sie dann, so Blokland, dass sich die FOMC-Mitglieder mehr oder weniger sicher sind, dass die Inflation in absehbarer Zeit wieder auf den Zielwert zurückgehen wird?

Die meisten von ihnen hatten sowieso einen höheren als den mittleren Dot Plot-Spitzenwert von 5,125% als Zielsatz festgelegt. Einige Fed-Vertreter hatten sich in jüngster Zeit besonders aggressiv geäußert, was darauf hindeutet, dass die Fed möglicherweise weitere deutliche Zinserhöhungen in Betracht zieht.

Also kommt Blokland zu dem Schluss, dass die Anleger sich damit abfinden müssen, dass sowohl die Zinssätze als auch die Inflation länger höher liegen dürften, als erwartet. An anderer Stelle sagt er, seiner Meinung nach sind auch 6% als Leitzins-Ziel nicht aus der Welt.

Händler auf dem Fed-Futures-Markt gehen derweil von drei weiteren Zinserhöhungen in diesem Jahr aus, was den Zielzinssatz auf eine Spanne von 5,25 bis 5,5 % bringen würde. Vor der Inflationsmeldung gingen Anleger noch davon aus, dass die Zinsen früher heruntergehen als es Fed-Offizielle nahegelegt hatten.

Große, entwickelte, vernetzte Volkswirtschaften sind „eigentlich“ unfallresistent. Solange sie frei sind. Die Stabilität eines Gesamtsystems ist immer dann besonders hoch, wenn ihre Teilsysteme (oder Bestandteile) instabil im Sinne von „nicht starr“ sind. Denken Sie in diesem Zusammenhang an das traurige Thema Erdbeben. Häuser, die auch starken Beben widerstehen, sind nicht starr gebaut, sondern bestehen aus einer Konstruktion mit vielen „instabilen“ Einzelelementen.

Auf die Wirtschaft umgesetzt bedeutet das, dass ihre Untereinheiten flexibel sein müssen, anpassungsfähig sind, eine flexible Organisationsform haben, nicht auf eine bestimmte Ressource, einen Markt, wenige Kunden, wenige Kapitalgeber, eine Technologie, einen Standort usw. ausgerichtet. Dazu gehören übergeordnet auch freie Märkte (in einem festen Ordnungsrahmen), über den die gesamten Anpassungsprozesse laufen.

Wenn es die Verfassung der Wirtschaft auch noch zulässt, dass große Unternehmen verschwinden, wenn sie neuen Anforderungen nicht mehr gerecht werden, ohne dass mit dem Zusammenbruch des gesamten Systems zu rechnen ist, dann bräuchte es keine Nullzinsen für zehn Jahre. Und umgekehrt… Also ist die heutige Wirtschaft alles andere als „Erdbeben-sicher“, sondern fragil und anfällig für strukturelle Veränderungen und externe Schocks.

Deshalb warnt z.B. Guggenheim Investments, dass der Übergang von QE zu QT besondere Probleme für Risikoanlagen mit sich bringt. Eine sich abzeichnende Wende im Konjunkturzyklus bedeutet, dass der Zinsmarkt Anlegern mit festverzinslichen Wertpapieren Rückenwind geben dürfte, da die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen von derzeit rund 3,8% wieder in Richtung 3% sinken werden.

Die Aktienmärkte, so Guggenheim, dürften im Zuge der prognostizierten Rezessionsphase deutlich unter das heutige Niveau fallen, der S&P 500 dürfte dann einen Tiefpunkt von 3.000 bis 3.200 Punkten erreichen. Auch die am niedrigsten bewerteten Anleihen, wie z.B. CCC-Anleihen, dürften unter besonderen Preisdruck geraten, die Zahl der Zahlungsausfälle dürfte steigen, die Herabstufungen dürften zunehmen.

Mit fallenden Aktienkursen, sowie Renditen von Investment-Grade-Anleihen und strukturierten Krediten auf einem attraktiven Niveau sei nach Guggenheim jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit einer defensiven Allokation zu beginnen und die Kreditqualität zu erhöhen. Die Anleger sollten sich auch in diesem Jahr auf eine holprige Fahrt einstellen.

Es gibt FOMO – Fear of missing out, die Angst etwas zu verpassen. Es gibt auch JOMO – Joy of Missing Out, die Freude, etwas zu verpassen. Der Vanguard Money Market Fund VMFXX kommt jetzt auf 4,5% Rendite. Ein in Deutschland gehandelter US-Geldmarkt-ETF steht heute sogar 8,5% höher als vor einem Jahr. Der S&P 500 hat im gleichen Zeitraum 5,2% verloren.

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Wenn JOMO die Oberhand gewinnt, könnte es zu Aktien-Verkäufen im Umfang von bis zu rund 3 Bill. Dollar kommen. Die jüngsten Daten über Zuflüsse in Geldmarktfonds belegen, dass dieser Trend bereits im Gange ist, so „The Marketear“.

Tom McClellan schreibt, beim SP500 sehe es nach einer Pause aus. Aber es wird zugrundeliegende Schwäche deutlich, wenn man auf andere Bereiche blickt. Anlagen, die am anfälligsten für Liquiditätsprobleme sind, die hochverzinslichen HY-Anleihen (oder Ramsch-Anleihen) werden eher wie Aktien, nicht wie Staatsanleihen gehandelt. Sie sind der gleichen zu- und abnehmenden Finanzmarktliquidität unterworfen. Die A-D-Linie für HY-Anleihen (Zahl steigender zu Zahl fallender Anleihekurse) ist ein besserer Kanarienvogel in der Kohlemine ist als die zusammengesetzte A-D-Linie der NYSE.

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Die A-D-Linie der HY-Anleihen zeigte seit Ende 2021 eine starke bärische Divergenz. Sie hat die heftige Marktschwäche des S&P 500 von 2022 korrekt vorhergesagt. Aktuell gibt es keine bärische Divergenz der A-D-Linie an der NYSE zum Verlauf des S&P 500, aber die A-D-Linie für HY-Anleihen ist plötzlich schwach. Sie erreichte ihren Höchststand am 2. Februar 2023, zeitgleich mit dem SP500. Seitdem ist sie fast täglich gefallen und hat nun ihren 5%-Trend unterschritten. Ein Unterschreiten dieses exponentiellen gleitenden Durchschnitts (EMA) ist bei Preisabwärtstrends üblich und bestätigt.

Die Botschaft lautet, dass die Liquidität auf den Finanzmärkten das Haus verlässt. Zuerst sind die kleinen Jungs dran, eben die HY-Anleihen. Die großen, die Aktienmärkte, könnten noch etwas weiter laufen, aber schließlich trifft es auch sie, meint McClellan. Und so zeigt der Chart von McClellan auch, dass zeitweilig ein erheblicher Vorlauf der A-D-Linie der HY-Anleihen bestehen kann, bis der S&P 500 reagiert.

Meine AD-Linie, die Auswertung der täglichen Zahl steigender Aktien zur Gesamtzahl der Aktien an der NYSE, zeigt aktuell einen bärischen Zustand an.

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4079,09 geschlossen. Bemerkenswert ist, dass er sich jetzt unterhalb des Trendkanals befindet, der sich im Laufe dieses Jahres gebildet hat. Auch der kurzfristige gleitende 21-Tage-Durchschnitt wurde unterschritten. Nicht zu übersehen ist auch die Abwärtslücke, die beim Bruch des Aufwärtskanals gerissen wurde. Das sieht für die Bullen erst einmal nicht gut aus. Immerhin zeigt ein langer unterer Docht an, dass am Tagestief wieder Kaufinteresse aufkam (Chartquelle).

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Wenn der Index nicht rasch die Rückkehr in den Aufwärtskanal schafft, dürfte der Weg weiter nach unten vorgezeichnet sein. Schafft er den Weg zurück, wartet bei ~4160 ein starker Widerstand. Schafft er es nicht, steht zunächst rund 4010 auf der Tagesordnung, hier liegen die EMA250 und die EMA50 gleichauf, knapp darunter verläuft eine langfristige Aufwärtslinie. Darunter kommt die Abwärtslinie aus Anfang 2022, sowie der Support bei 3900 ins Visier.

Ich favorisiere bei der kommenden Bewegung des S&P 500 die Unterseite, eventuell mit einer vorgeschalteten Bullenfalle. Beachtenswert sind dabei auch die Retracements des Aufwärts-Impulses vom Jahresbeginn.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis legen ebenfalls nahe, dass es bei Aktien kontraktiv weitergeht. Lineare und zyklische Merkmale sind etwa gleich stark ausgeprägt. Bärische Merkmale steigen auf relativ niedrigem Niveau an, bullische nehmen ab. Der Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert.

Am kommenden Mittwoch wird das Protokoll der zurückliegenden FOMC-Sitzung veröffentlicht. Dies dürfte stark beachtet werden angesichts der stärker als erwarteten Inflation im Januar, sowie der überraschend starken Daten für den Arbeitsmarkt und den Einzelhandel, die alle erst nach dem jüngsten FOMC-Treffen herauskamen.

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