S&P 500 kritisch und Euro/Dollar mit Zeitenwende

Window-Dressing der besonderen Art – der S&P 500 hat am letzten Handelstag im April 3,6% verloren. Er steht jetzt 13% tiefer als zu Jahresbeginn, sein vier-Monats-Verlust ist so hoch wie seit 1939 nicht. 1939 – da war doch was… Der NDX kommt auf den größten Monatsverlust seit Oktober 2008.

In seinem starkem Wechsel von Gewinn- und Verlusttagen ähnelt der kurzfristige Verlauf des S&P 500 dem von Anfang März. Der kleine, aber wichtige Unterschied ist, dass seinerzeit der Pegel bei rund 4160 Bestand hatte, jetzt hat der Index darunter geschlossen, bei 4132.

Einen Anlass für den starken Abverkauf kann man bei Amazon sehen, der Kurs brach nach schwachen Q1-Zahlen (Kosten) um 14,1% ein, der Konsumgüter-Sektor (Consumer discretionary) verlor 5,9%. Der NDX zeigte mit –4,5% relative Schwäche, gedrückt auch durch Tesla und Apple. Ein weiterer Anlass dürfte darin bestehen, dass man sich vor dem FOMC-Treffen der Fed in der kommenden Woche eher nicht aus dem Fenster lehnen will. Und schließlich zeigte der von der Fed besonders beachtete PCE-Preis-Deflator (ohne Lebensmittel und Energie) im März mit 5,18% im Jahresvergleich einen weiteren deutlichen Preisanstieg. Der blieb allerdings etwas unter dem Februar-Wert von +5,31%.

Die am Donnerstag veröffentlichte Schätzung des US-BIPs für Q1 ergab mit annualisiert –1,4% eine unerwartete Schrumpfung. Die von mir verfolgten Rezessionsindikatoren zeigen sich leicht erhöht, geben aber bisher keinen unmittelbaren Alarm. Auch bei den Rendite-Merkmalen ist aktuell lediglich der Spread 30yr TBonds zu 10yr TNotes statistisch „auffällig“. Der Schluss daraus ist in Anbetracht der geopolitischen Lage, dass die Warnzeichen nicht transient sind und es wahrscheinlich im weiteren Jahresverlauf zu einer Rezession kommen wird. In Europa, insbesondere Deutschland, ist dies so gut wie sicher, trotz der lächerlichen Wachstumsprognosen der deutschen Bundesregierung. Auch in China dürfte das Wachstum weiter nachlassen, insbesondere dann, wenn die Regierung ihren Null-Covid-Kurs als Beweis für ihre Dominanz beibehält. Die dadurch gestörten Lieferketten drücken das Wachstumspotenzial weltweit.

Finanzmärkte sind kein Ökonomenkongress und so ist nicht ungewöhnlich, dass sie sich immer wieder von der Makro-Lage entkoppeln. Aber die Unsicherheiten sind gegenwärtig so umfassend und so groß, dass es an Phantasie für eine Verbesserung der Lage mangelt. Es ist einfach noch nicht schlecht genug. Kurzfristige Ausreißer nach oben sind bei Aktien immer drin, aber Bestand dürfte das zunächst nicht haben.

Das ist auch die Botschaft, die sich aus der aktuellen Chart-Situation des S&P 500 ergibt. Gut denkbar, dass die Fed am Mittwoch nach der FOMC-Sitzung mildernde Umschläge verteilt, was Aktionäre zu einem Strohfeuer verleiten könnte. Aber alles in allem sieht es im Chart nicht so aus, als würde der Pegel bei 4160 den Abwärtsdrang übergeordnet aufhalten können. Von Bedeutung ist dabei auch, dass die EMA50 der EMA200 erneut wie schon Mitte März nahe kommt. Wenn die EMA50 die EMA200 von oben nach unten schneidet, gilt das als „Death Cross“. Das „Golden Cross“ von Anfang Juni 2020 ist dann Geschichte. Die „EMA“-Lage ist auch deshalb aktuell bedeutend schlechter als Mitte März, als dass der Index damals überzeugend anstieg, während er jetzt ebenso überzeugend fällt (Chartquelle).

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Die Entwicklung des Handelsvolumens stützt die Bullen gegenwärtig ebenfalls nicht. Sowohl die Marktbreite, wie auch die Volumverteilung ist negativ (seit 13. April Distribution). Das einzige, was im Kontra-Sinne etwas bullische Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass das Angst-Niveau mittlerweile recht hoch ist. Häufig entstehen in einer solchen Situation Gegenbewegungen. Wie weit sie tragen, entscheidet sich auf der Volumenseite.

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Ein anderes Thema: Größere Bewegungen und Unregelmäßigkeiten auf der Währungsseite sollten stets beachtet werden. So zeigte das Währungspaar Euro/Dollar seit mehr als vier Dekaden einen auffälligen zyklischen Verlauf. In einem etwa achtjährigen Wechsel zeigte abwechselnd die eine oder die andere Seite relative Stärke in einem breiten aufwärts orientierten Kanal (Chartquelle).

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Diese Regelmäßigkeit hat spätestens Anfang 2021 aufgehört zu existieren. Ich kann dafür keinen einzelnen triftigen Grund benennen. Offenbar haben sich bei den das Währungspaar treibenden Einflussfaktoren gravierende Änderungen ergeben. Denkbar, dass die nach dem Verhalten in der Vergangenheit nicht zu erwartende Stärke des Dollar mit den stark steigenden Preisen für Rohstoffe, insbesondere Energie zusammenhängt. In diesem Zusammenhang sind die Überlegungen hinsichtlich eines Rohstoff-Superzyklus wichtig, der in Zusammenhang mit der „Dekarbonisierung“ der Energieerzeugung steht. Auch das Ende der Finanzsystem-gesteuerten Globalisierung (siehe z.B. den aktuellen Verlauf des Dow Jones Transport Index oder auch hier!) dürfte eine Rolle spielen, etwa in dem Sinne, dass global vagabundierende Dollar-Beträge heim geholt werden. Weitere Gründe? Jedenfalls liefert das Währungspaar Euro/Dollar aus meiner Sicht das Signal einer „Zeitenwende“.

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