Die EZB und die Super-Ministerin

Am zurückliegenden Donnerstag hat die EZB beschlossen, ihr in der Pandemie begonnenes Aufkaufprogramm PEPP planmäßig Ende März 2022 auslaufen zu lassen. Hierüber wurden seit März 2020 über 1,56 Bill. Euro für den Ankauf von Anleihen ausgegeben. Ist das ein erstes Anzeichen für eine geldpolitische Normalisierung in der Eurozone?

Nicht so ganz. Das ältere Programm APP soll von aktuell 20 auf 40 Mrd. Euro monatlich aufgestockt werden. Netter Trick.

Wie sieht es denn überhaupt aus mit unserer EZB? Ende 2020 belief sich das Volumen der auch die Aktiva und Passiva der nationalen Zentralbanken der Eurozone umfassenden konsolidierten Bilanz des Eurosystems auf 6.979 Mrd. Euro. Die Zunahme gegenüber dem Vorjahr (2019: 4.671 Mrd. Euro) betraf hauptsächlich den gestiegenen Umfang der Refinanzierungsgeschäfte infolge der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III), sowie der Wertpapierankäufe im Rahmen des PEPP und des APP.

Die Bestände des Eurosystems an zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Wertpapieren erhöhten sich um 1 063 Mrd. Euro auf 3.695 Mrd. Euro (2019: 2.632 Mrd. Euro). Die Bestände der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere stiegen um 330 Mrd. Euro auf 2.909 Mrd. Euro, und die Ankäufe im Rahmen des PEPP beliefen sich auf 754 Mrd. Euro.

Was verbirgt sich hinter den Abkürzungen?

Über „Gezielte Langfristige RefinanzierungsGeschäfte“ (GLRG III, englisch TLTRO III) bietet die EZB Banken längerfristige kostengünstige Kredite an, wenn diese ihrerseits Kredite an Unternehmen und Privatpersonen im Eurogebiet vergeben. Sie müssen mittlerweile erst nach vier Jahren zurückbezahlt werden.

PEPP steht für „Pandemic Emergency Purchase Programme“. Im Rahmen des im März 2020 aufgelegten Programms kann die EZB verschiedene Arten von Vermögenswerten an den Finanzmärkten erwerben um die Wirtschaft dadurch zu unterstützen, dass Privatpersonen, Unternehmen und Regierungen günstiger Kredite aufnehmen, bzw. ihre Schulden bedienen können. Das Volumen wurde auf insgesamt 1.850 Mrd. Euro festgelegt, es soll bis März 2022 laufen, Reinvestitionen des Nennbetrags fälliger PEPP-Wertpapiere erfolgen bis mindestens Ende 2023.

Im Januar 2015 kündigte die EZB ein erweitertes Programm namens APP zum Ankauf von Vermögenswerten an. Damit dehnte die EZB ihre Ankäufe auf Anleihen aus, die von im Euroraum ansässigen Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen begeben werden. Zwischen Januar und Oktober 2019 erfolgen keine Nettokäufe mehr, jedoch wurden die Beträge aus fälligen Anleihen reinvestiert. Seit November 2019 werden wieder Nettoankäufe in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd. Euro durchgeführt.

Die Bilanz des Eurosystems kommt damit per 2020 auf über 61% des BIPs der Eurozone. Zum Vergleich: Die Fed hat per Ende 2020 eine Bilanzsumme von 7,4 Bill. Dollar gemeldet, bezogen auf das BIP in Höhe von 20,89 Bill. Dollar sind das 35%.

Man kommt nicht umhin, die EZB hat damit ein enormes wirtschaftliches Gewicht. Und man könnte schon auf die Idee kommen, die EZB-Chefin Lagarde als heimliche Superministerin der Finanzen und der Wirtschaft in der Eurozone anzusehen.

Macron, heute Frankreichs Präsident, hatte schon 2015 gefordert: „Die Eurozone braucht neue Institutionen, denen die nationalen Regierungen mehr Souveränität übertragen, vor allem eine starke Wirtschaftsregierung mit eigenem Budget. Diese Regierung (…) könnte finanzielle Transfers sicherstellen, wenn ein Land eine Krise durchlebt.“ Der damalige EU-Kommissionspräsidenten Juncker war dafür, die damalige deutsche Bundeskanzlerin Merkel war dagegen: „Eine Transferunion, so wie ich sie verstehe, wäre ein automatischer Finanzausgleich. Und die darf es nach meiner Überzeugung nicht geben.“ Der damalige Finanzminister Schäuble sah das genauso: „Wir wollen keinen europäischen Superstaat.“

Die Abmachung, von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin und Lagarde der EZB voranzustellen, lief aber exakt darauf hinaus, aus der ehemaligen französischen Finanzministerin und späteren IWF-Chefin eine solche europäische Superministerin zu machen. Macron hat sein Ziel erreicht, von der Leyen spielt mit ihrem „Green Deal“ die zweite Geige.

Lagardes Kompetenzen, besser gesagt, Möglichkeiten, sind gewaltig, sie darf praktisch unbegrenzt Geld drucken und in weiten Grenzen Staats- und Unternehmensanleihen kaufen. Alleine in der im November 2019 begonnenen Amtszeit von Lagarde wurden mehr als zwei Bill. Euro hierfür ausgegeben. Die EZB kauft nach bestimmten Quoten europäische Staatsschulden, was in der Realität eine der EZB „eigentlich“ verbotenen Staatsfinanzierung darstellt. Per 2020 hielt die EZB so z.B. über 21% der italienischen Schulden, die wegen der dortigen unbändig soliden Staatswirtschaft auf dem freien Markt unverkäuflich wären. Und so kommt es, dass sich niemand ernsthaft über die Staatsschuldenquote von 156% des BIP in Italien grämt. Nur Griechenland ist „besser“ dran mit 206%. Aber das schafft Italien auch noch. Die Eurozone insgesamt kommt auf 98%.

Nach dem Rücktritt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann und der Berufung der Geldflut-Bekennerin Schnabel gibt es keine erwähnenswerte interne Opposition mehr im EZB-Direktorium. Lagarde kann schalten und walten wie sie will, sie muss sich keinem Parlament, sondern lediglich Macron gegenüber verantworten. Die Schuldenquote von Frankreich ist übrigens auch schon recht beeindruckend – 116%.

Beeindruckend ist natürlich auch immer wieder die Präzision der Vorhersagen der EZB. Schon unter Draghi hat man die Inflationsprognosen meistens ausgewürfelt. In dieser Tradition hatte die EZB Anfang diesen Jahres 0,9% Teuerung angekündigt. Wo stehen wir jetzt? Bei 4,9%. Und so schmilzt das Barvermögen der Deutschen von fast drei Bill. Euro dahin.

Eine Erhöhung der Leitzinsen ist in Europa nicht in Sicht. Die EZB hält an einem Leitzins von null Prozent fest, Banken, die Geld bei der EZB parken, zahlen weiterhin einen Negativzins von 0,5%. Geldpolitische Normalisierung? Fehlanzeige.

Die Bank of England geht anders vor, sie hat in der zurückliegenden Woche einen ersten Znsschritt angekündigt – als Reaktion auf die überbordende Inflation. Auch die Fed hat nun drei Zinsschritte in 2022 in Aussicht gestellt und will ihr laufendes QE-Programm im April vorgezigen auslaufen lassen. Die Inflation wird sich dadurch aber wohl nicht besonders beeindrucken lassen.

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