S&P 500 – Jahresendrally?

Die Fed hat auf ihrer FOMC-Sitzung am vergangenen Mittwoch beschlossen, ihre QE-Maßnahmen graduell zurückzufahren. Gegenwärtig kauft sie monatlich für 120 Mrd. Dollar Anleihen und Hypothekenpapiere. Beginnend mit November soll dieser Betrag monatlich um 15 Mrd. Dollar sinken. Ein solcher Schritt war erwartet worden. Gleichzeitig wurde beteuert, dass man seitens der Geldpolitik die wirtschaftliche Entwicklung weiter unterstützen werde.

Die Rückabwicklung von QE4 verläuft etwa doppelt so schnell wie die beim QE-Programm davor in 2014. Das sogenannte Tapering endet im Juni 2022. Die Bilanz der Fed wird dann neun Bill. Dollar lang sein. Interessiert das jemanden? Offenbar nicht.

Am zurückliegenden Freitag wurden die US-Arbeitsmarktdaten für Oktober bekanntgegeben. Die Zahl der Arbeitsplätze stieg stärker als erwartet, ebenso die Löhne und Gehälter, sie legten im Jahresvergleich um 4,9% zu. Am späten Abend kam eine Einigung zwischen den Parteien über ein Infrastrukturprogramm in Höhe von 1,9 Bill. Dollar zustande. Das wird natürlich Kredit-finanziert.

Die Berichtssaison für Q3 erreicht ihren Zenith. Ein Analyst bei JPMorgan fasst den Verlauf wie folgt zusammen: Von den Unternehmen im S&P 500, die bis jetzt berichtet haben, haben 81% die Gewinnerwartungen geschlagen. Das EPS-Gewinnwachstum dieser Firmen kommt auf +41% im Jahresvergleich. Zu Beginn der Berichtssaison waren rund +30% erwartet worden. Rohstoff- und Industriewerte zeigten ein besonders starkes Gewinnwachstum, fünf der acht übrigen Sektoren zeigten zweistellige Zuwachsraten. Das Umsatzwachstum erreichte +18%, es waren +15% erwartet worden. 67% der Unternehmen haben die Erwartungen in dieser Hinsicht übertroffen. Kann es noch besser werden?

Die BofA sieht basierend auf ihrem globalen EPS-Modell eine Verlangsamung des Gewinnwachstums auf 12% per Januar 2022. Berücksichtigt werden in diesem Modell v.a. wirtschaftliche Faktoren aus Asien, resp. China, die weltweiten PMIs und die US-Zinsstruktur (Chartquelle).

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Die ISM-Zahlen für die jährlichen Veränderungen bei neuen Aufträgen drehen ins negative. Hier besteht ein enger Zusammenhang zur Entwicklung des Halbleiter-Indexes SOX. Die Botschaft aus beiden Charts: Die Zeiten stürmischen Wachstums bei Profiten und Umsätzen scheinen erst einmal vorbei zu sein (Chartquelle).

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Wer die neuen Staatsschulden kauft (s.o.), muss sich noch zeigen. Die Rendite der 10yr-TNotes ist zum Wochenende recht dynamisch unter die EMA50 gefallen. Sie notiert jetzt mit 1,453% an einem Unterstützungspegel und nur noch knapp über einer bis 1986 zurückreichenden Abwärtslinie. Was geschieht an diesem Punkt? Sinkt die Rendite weiter, signalisiert das Kaufbereitschaft im Anleihegeschäft. Das dürfte bei den erreichten Kurshöhen für das Aktiengeschäft eher eine schlechte Nachricht sein.

Auch von anderen Renditemerkmalen kommen weniger günstige Nachrichten. Der Spread am langen Ende der Zinskurve sinkt unterhalb des kritischen Wertes von 0,5% weiter ab. Auch der Spread zwischen der Rendite der 10yr-TNotes und der der 3m-TBills nimmt ab, er vor kurzem unter 1,5% gesunken. Kurzfristig bedeutsamer ist die fallende Tendenz bei den 2Yr-TNotes. Alles deutet auf wirtschaftlichen Tempoverlust hin.

Guggenheim zeigt die „3-Year Forward 3-month/10-year Swap Curve“. Wenn diese in den zurückliegenden drei Dekaden unter 26 Basispunkte fiel, trat gut zwei Jahre später eine Rezession auf.

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Der von mir beachtete, auf Rendite-Merkmalen basierende Rezessionsindikator ist noch ein Stück davon weg, vor einer Rezession zu warnen. Er hatte die jüngsten drei Rezessionen korrekt signalisiert. Der Chart kann fortlaufend aktualisiert hier eingesehen werden. Auch aus Makrodaten ableitbare Rezessionswarnungen zeigen zwar Reibungsverluste, mehr aber auch nicht. Der Chart kann fortlaufend aktualisiert hier eingesehen werden.

Der Abstand zwischen der Performance des S&P 500 und der invertierten Rendite der 10yr-TNotes ist mittlerweile so groß wie lange nicht mehr. Er hatte sich zwischen dem 11. Oktober und dem Monatsende sogar noch weiter vergrößert, aktuell sorgen die sinkenden Renditen (steigendes „fair PER“ – "faires KGV") für eine leichte Korrektur des Abstands von der Zinsseite her.

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Zusammengefasst deutet die Renditeseite aus meiner Sicht darauf hin, dass der Bull-Run bei Aktien zunächst pausieren wird. Eine abwärts gerichtete Konsolidierung ist wahrscheinlich. Das liegt auch deshalb nahe, weil sich die Marktteilnehmer angesichts des Zeniths der Berichtssaison nun wieder eher mit Makrofragen beschäftigen. Hier müssen die sinkenden Wachsrumsaussichten eingearbeitet werden. Darüber hinaus wird in irgendeiner Form die Aussicht auf einen deutlich schlechteren Verlauf der Unternehmensgewinne eingepreist werden müssen – und das angesichts eines Shiller-KGVs von über 39.

Liquidität ist der Treibstoff, der bis jetzt die Aktienkurse hoch getrieben hat. In den zurückliegenden 12 Monaten sind mehr als eine Bill. Dollar in Aktienfonds geströmt, mehr als doppelt so viel wie in der starken Phase um 2018 herum (Chartquelle).

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Das Fenster für Aktienrückkäufe der Unternehmen geht mit dem Abebben der Berichtssaison wieder auf, die wichtigsten Käufer für Aktien kommen zurück. Die Aktienrückkäufe sind schon auf Rekordniveau, bis Jahresende könnten noch 90 Mrd. Dollar dazukommen (Chartquelle).

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Da Versorgung mit frischer Liquidität ist nach wie vor gegeben – die Fed verlangsamt ja nur ihren Geldfluss; die Frage ist nur, inwieweit der Aktienmarkt davon profitieren kann. Die niedrigen Renditen laden die Unternehmen dazu ein, eigene Aktien mit frischen Krediten zurückzukaufen. So lange die Inflation noch so weiterläuft wie in den zurückliegenden Monaten, so lange dürften übergeordnet eher Aktien von der Gemengelage profitieren – so lange die Renditen nicht nach oben ausbrechen. Schreibt man die Signale aus dem Renditebereich allerdings fort, so müsste daraus gefolgert werden, dass die Inflation auf Sicht einiger Monate, womöglich ab dem Frühjahr 2022, an Tempo verliert. Bis dahin dürften Aktien vermutlich keine größere Korrektur sehen.

Der S&P 500 steht mittlerweile wieder an der Untergrenze des Aufwärtskanals aus Herbst 2020, den er Mitte September nach unten verlassen hatte. Die technische Lage ist kurzfristig deutlich überkauft, mittelfristig ist die Lage noch nicht so extrem. Ein erster Support wäre bei 4545 anzusiedeln, darunter liegt die EMA50 (4488). Des weiteren müsste man auf die Pegel 4380 und 4290 achten. Die fett gezeichnete Unterstützungslinie bei knapp 4100 fällt mit dem 23,6%-Retracement des Bull-Runs seit März 2020 zusammen. Würde dieser Pegel erreicht, käme die Bullenveranstaltung in raues Fahrwasser, zumal dann auch die EMA200 (4220) unterboten wäre. Als maximales Ziel an der Unterseite würde ich aktuell etwa 4300 sehen, vermutlich bietet aber schon die EMA50 Halt. Dann kann die Jahresendrally kommen (Chartquelle).

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