USA: Arbeitsmarkt weiter robust

Die US-Arbeitsmarktdaten zeigen für Oktober eine Zunahme der Arbeitsplätze (non-farm) um 250.000. Das ist deutlich mehr als erwartet. Die durchschnittlichen Löhne stiegen im Jahresvergleich um 3,2%, so stark wie seit April 2009 nicht. Die Arbeitslosenquote liegt unverändert bei 3,7%. Die Erwerbsbeteiligungsquote ist leicht angestiegen.

Wer bisher noch glaubte, die Fed könnte auf der nächsten FOMC-Sitzung in der kommenden Woche eine Pause bei ihren Zinsschrittchen einlegen – er wird eines besseren belehrt. Die Fed beginnt gewöhnlich mit einer Steigerung der Leitzinsen bei einem lokalen Minimum der Lohnsteigerung von zwei Prozent oder leicht darüber. Dies gilt zumindest für die Zeit seit Anfang der 1980er Jahre, dieser Zeitpunkt steht auch sonst für eine Zeitenwende in der Notenbankpolitik. Die Marke von rund vier Prozent jährlicher Lohnsteigerung wurde seit dieser Zeit nicht überschritten, u.a. wohl auch, weil die Fed hier bei anhaltenden Steigerungstendenzen aggressiv reagiert hat (Chartquelle).

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Wenn sich die Geschichte übertragen lässt, sind wir jetzt mittendrin in der Episode steigender Leitzinsen. Momentan deutet nicht viel darauf hin, dass die Fed von weiteren Zinsschritten ablässt. Und wenn sie das in der Vergangenheit in einer Situation wie der aktuellen getan hat, war eine Rezession nicht mehr weit.

Der Verlauf der Anteile von Gewinnen und Löhnen an der Nettowertschöpfung der Nicht-Finanz-Unternehmen „schreit“ förmlich danach, dass die beiden Anteile nun aufeinander zu laufen. Die Daten reichen nur bis zum zweiten Quartal, aber es deutet sich in der Entwicklung des Gewinnanteils ein Tempoverlust an, der mit den Zahlen des dritten Quartals weiter Gestalt annehmen dürfte. Der „Verteilungskampf“ zwischen Kapital und Arbeit weist in einer Rezession ein Maximum des Lohnanteils, sowie ein Minimum des Gewinnanteils auf, jeweils bezogen auf den vorangegangenen Konjunkturzyklus (Chartquelle).

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Der aktuelle Konjunkturzyklus ist noch gut unterwegs. Allerdings zeigen sich Risse, die ich in Zusammenhang mit der ersten Schätzung des US-BIPs für Q3 diskutiert habe. Am schwersten wiegt dabei die Investitionstätigkeit, bzw. die Bereitschaft, neu und mehr zu investieren. In der US-Wirtschaft dürfte gegenwärtig die Haltung vorherrschen, nach einem kleinen, durch die Steuerreform unterstützten Investitionsschub zu Beginn des Jahres erst einmal abzuwarten.

Der die Stimmung in der US-Fertigungsindustrie widerspiegelnde ISM-Index hatte in den Monaten September 2017, Februar 2018 und August 2018 jeweils Werte erreicht wie zuletzt in der ersten Jahreshälfte 2004. Im Jahresvergleich liegt er im Oktober zwar mit 57,7 noch komfortabel über der Expansion und Kontraktion trennenden 50%-Marke. Aber verglichen zum Vorjahresmonat liegt er 1,7% tiefer und auch unter dem im Frühjahr 2011 markierten Maximum seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Zudem schrumpft der Subindex für neue Aufträge im Oktober mit 4,4% gegenüber dem Vormonat deutlich. Während nahezu alle anderen Sub-Indices ebenfalls nachgeben, zeigt der Preisindex mit 4,4% Zuwachs gegenüber September deutliche Stärke. Das ISM-Institut führt das auf die den 32sten Monat in Folge steigenden Rohstoff-Preise zurück.

Die nachlassenden Aufträge dürften auch mit dem im dritten Quartal gestiegenen Lagerbestand zusammenhängen (siehe hier!). Insgesamt manifestiert sich in der Stimmung in der Fertigungsindustrie zumindest eine Delle. Vielleicht ist es noch zu früh, hier bereits eine mittelfristige Trendwende hineinzusehen, aber der ISM-Index zeigt mit volatilem Verlauf Schwäche in Bereich des historischen Spitzenwerts bei rund 60.

In einer neuen Studie untersucht die BIS, die „Zentralbank der Zentralbanken“, 32.000 gelistete Unternehmen in 14 entwickelten Ländern daraufhin, ob sie „Zombie“-Status haben. Als Zombies im weiteren Sinne gelten hier Unternehmen, die mindestens zehn Jahre existieren und innerhalb von drei aufeinander folgenden Jahren ihre Kreditzinsen nicht vollständig zahlen konnten. 12% aller untersuchten Firmen gelten demnach als lebende Tote, in den USA sind es sogar 16%. Die Zahlen gehen bis 1987 zurück und zeigen einen steigenden Anteil der Zombies. Hierin dürfte sich widerspiegeln, dass sie einen immer geringeren Druck spüren, ihre Schulden zurückzuführen und ihre Aktivitäten einzuschränken. Diese Entwicklung beschleunigte sich allerdings nicht erst mit den Nachwirkungen der Finanzkrise, sondern bereits vor 2000. Im Zeitablauf zeigt sich auch eine steigende Wahrscheinlichkeit, dass Zombies Zombies bleiben. Das ist bei Zombies engerer Definition (mit zusätzlich einem Verhältnis ihres Asset-Werts zu Wiederbeschaffungskosten unterhalb des Medianwerts ihres Sektors) besonders ausgeprägt, hier steigt der Wert seit 2009 beschleunigt (Chartquelle).

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Zombie-Unternehmen kosten Produktivität. Das ist das eine. Ihre zunehmende Existenz zeigt auch die zunehmende Leichtfertigkeit von Kreditgebern. Das wiederum geht zurück auf die immer locker werdenden monetären Rahmenbedingungen. Der Startschuss hierfür fiel in den 1980er Jahren, als mit Greenspan eine Zentralbankpolitik Einzug hielt, die mit jeder Krise die Geldschleusen öffnete und damit verhinderte, dass schwache Unternehmen verschwanden.

Die finanzielle Deregulierung Ende der 1990er Jahre setzte noch einen drauf und führte letztlich zur Finanzkrise 2008, die von den Zentralbanken wiederum zum Anlass genommen wurde, alle Probleme in Liquidität zu ertränken. Und so stehen stehen wir heute vor der größten Schuldenblase aller Zeiten. Und auch wenn die BIS die Überlebenswahrscheinlichkeit der Zombie-Unternehmen stetig steigen sieht, so würde ich mich bei dem mittlerweile erreichten Wert hierfür lieber auf die andere Seite stellen.

Vermutlich werden die meisten dieser Firmen in einer Handvoll Jahren nicht mehr existieren. Zwar wäre es wünschenswert, wenn das Zombie-Sterben nach und nach („wohlgeordnet“) geschieht. Aber das ist angesichts des Ausmaßes der Verschuldung absolut und relativ etwa zum BIP, sowie der Verzahnung der Märkte äußerst unwahrscheinlich. Schon eine leichte Schieflage im Kreditgebäude dürfte ausreichen, um eine heftige Krise auszulösen. Und weil die Realwirtschaft mit ihrem hohen Zombie-Anteil ein nicht eben stabiles Fundament liefert, könnte sich die zurückliegende Finanzkrise dann als Kindergeburtstag darstellen.

Hinzu kommt, dass die staatliche Verschuldung mit ihren offiziellen Zahlen längst nicht die ganze Wahrheit ist. Bezieht man die nicht-bilanzierten Verbindlichkeiten (z.B. für Pensionsansprüche) ein, kommt man per 2024, auf rund 30 Bill. Dollar Staaatverschuldung (siehe hier!) – ohne Rezession. Kommt es in diesem Zeitrahmen zu einer solchen (was nahezu sicher ist), steigen Verschuldung (um die Konjunktur zu stützen) sowie Verschuldungsgrad (aufgrund des schrumpfenden BIPs) noch stärker.

Seitens der Inflationsentwicklung scheint es zu einer Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau zu kommen. Das gilt für den CPI, den PPI und auch den PCE-Preis-Index (ohne Nahrungsmittel und Energie), den die Fed besonders im Auge hat. Die „Underlying Inflation Gauge“ (UIG) der Fed von New York hat im September gegenüber dem Vormonat leicht abgenommen und kommt auf 3,12%, der Sub-Index der Preise ging um 0,14% auf 1,95% zurück. Wenn der UIG eine vorlaufende Rolle spielt, dürfte die Entwicklung der Inflation noch nicht zu Ende sein.

Der Kupferpreis ist ein guter vorlaufender Preisindikator. Er hat kürzlich 50% des Aufwärtsimpulses seit September 2016 korrigiert und steht gegenwärtig bei dessen 38er Retracement, sowie knapp über der flach verlaufenden EMA200. Mit einem weiteren Anstieg kann man rechnen, wenn der Pegel von 454 im Index (entsprechend knapp 6500 Dollar im Kupferpreis pro Tonne) überwunden wird. Wie weit der trägt, ist angesichts der Chartkonstellation fraglich. Denkbar ist der Eintritt in eine Seitwärtsspanne oberhalb des genannten Pegels (Chartquelle).

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Aus dieser Sicht wäre zu erwarten, dass die Verbraucherpreis-Inflation von den Rohstoffpreisen nurmehr leichten Aufwind beziehen kann. Die Ölpreise könnten hier eine größere Rolle spielen, aber sie wirken auf den Konsum eher wie eine Art Steuer. So bleibt die Lohnentwicklung. Die Inflationsillusion dürfte daraus noch ein wenig Phantasie beziehen, bevor Zweitrundeneffekte unübersehbar werden.

Wir sitzen auf einem Pulverfass an Krediten. Das Fundament der Realwirtschaft wird (auch mit Zombie-Firmen) brüchiger. Die Lohnentwicklung legt nahe, dass der Anteil der Löhne an der Nettowertschöpfung der Unternehmen nun ansteigt. Der dann sinkende Gewinnanteil dürfte hochfliegende Hoffnungen auf entsprechende Aktienkurse dämpfen. Dem könnte die Inflationsillusion noch etwas entgegenwirken.

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