Im folgenden soll das Für und Wider eines übergeordneten Aktien-Abschwungs, auch Bär-Markt genannt, diskutiert werden. Der Bull-Run ist in historischen Maßstäben gesehen sehr weit gelaufen. Allein das macht ihn schon anfällig gegenüber externen Einflüssen.
Aus technischer Sicht befindet sich der S&P 500 seit November 2016 meiner Meinung nach gemäß Dow-Theorie in der Phase des bullischen Exzesses (zur aktuellen Einschätzung siehe hier!). In dieser dritten Phase eines Bull-Runs wuchert die Spekulation, Kurse werden v.a. von Hoffnungen und Erwartungen getrieben. Immer mehr uninfomierte Anleger steigen ein. Das "Smart Money" der ersten Stunde verkauft hingegen nach und nach, deshalb spricht man hier auch von einer Distributionsphase. Damit steht die Kursentwicklung immer weniger auf soliden Füßen. In den ersten beiden Dow-Phasen, der Akkumulationsphase (Bodenbildung) und der Partizipationsphase, spielten übergeordnet harte Makrodaten eine größere Rolle bei der Kursentwicklung und bildeten ein mittelfristig solideres Fundament.
Der solchermaßen weit fort geschrittene Bull-Run macht die Aktienmärkte, wie die Finanzmärkte insgesamt, zunehmend anfälliger für externe Schocks.
Für einen in Arbeit befindlichen oberen Wendepunkt spricht die erreichte hohe Bewertung nach Kurs-Gewinn-Verhältnis. Zudem steigen die Renditen. Das lässt Anleihen ab einem bestimmten Punkt der Entwicklung interessanter als Aktien aussehen.
Die Fed erhöht die Leitzinsen beständig und verkürzt zusätzlich ihre Bilanz. Das schränkt die Liquiditätsversorgung tendenziell ein, allerdings auf einem immer noch komfortablen Niveau.
Der Dow Transport-Index liegt aktuell zehn Prozent unter seinem Mitte September markierten Hoch. Der Index gilt nach Dow-Theorie als Bestätigung für die Entwicklung der breiten Aktienmärkte. Das ist durchaus plausibel, weil in einer national wie international immer arbeitsteiligeren Wirtschaft Transportunternehmen immer höhere Nachfrage verzeichnen. Umso bedeutender ist die Indikatorfunktion des Transportgewerbes auch in Zeiten zunehmender Erschwerung des Welthandels.
An externen Einflussfaktoren ist der Handelsstreit zwischen den USA und der VR China zu nennen. Hier wird vermutet, dass die im dritten Quartal etwas niedriger als erwartet ausgefallene Steigerung des chinesischen BIPs (+6,5% statt +6,6%) bereits erste Auswirkungen zeigt. Die Aufmerksamkeit der Akteure an den Finanzmärkten richtet sich in diesem Zusammenhang gegenwärtig besonders auf die chinesischen Makrodaten, wobei zu beachten ist, dass vorgezogene Geschäfte im Vorgriff auf die Verschärfung der Zollauseinandersetzungen das Bild zunächst sogar noch zum Positiven verzerren.
In Europa gibt es einige nennenswerte Krisenherde, die das Zeug haben, sich zu einem Flächenbrand zu entwickeln. Da ist zum einen Italien. Die drittgrößte Volkswirtschaft in Europa ist hoch verschuldet (zweithöchste BIP-Staatsschuldenquote in Europa nach Griechenland) und die Regierung plant weiter ausufernde Schulden. Ihre Zusammensetzung ist (gelinde gesagt) Euro-skeptisch (siehe z.B. hier!), was zusätzlich potenziell destabilisierend wirkt. Der bisher in der Luft hängende Brexit ist die zweite Störquelle. Und zum dritten dürfte Europa, insbesondere Deutschland, von einer im Zuge des Handelsstreits USA-VR China möglichen Abschwächung der chinesischen Nachfrage besonders betroffen sein.
Gegen einen Umschwung Richtung Bär-Markt spricht am aktuellen Punkt, dass die Berichtssaison für das dritte Quartal in den USA bisher gut verlaufen ist. Man erwartet einen Gewinnzuwachs um 21,8% gegenüber dem Vorjahr. Dabei spielen allerdings die hohen Ölpreise, die die Gewinne der Energieunternehmen treiben, eine nicht unerhebliche Rolle. Gleichzeitig melden fast 62% der Unternehmen im S&P 500 für das dritte Quartal Umsätze über den Erwartungen. Das würde das erreichte hohe Bewertungsniveau etwas relativieren. Allerdings muss man auch hier den möglichen Effekt eines Vorziehens von Geschäften im Vorgriff auf eine Eskalation des Zollstreits in Rechnung stellen.
Die Inflation zeigt momentan keine Tendenz zu einem Ausbruch nach oben und liegt mit flach verlaufender Tendenz im Zielbereich der Fed (siehe hier und hier!). Die Inflationserwartungen nach Breakeven-Zins bleiben bisher im Bereich des 2016 markierten Hochs. Auch bei der Verbraucherpreisinflation muss man allerdings den Einfluss des Zollstreits einbeziehen, hohe Einfuhrzölle wirken tendenziell preissteigernd.
Die realen Renditen, bereinigt um die Inflationsrate sind sehr niedrig, auch niedriger als 2016. Die Zinsstruktur ist zuletzt wieder steiler geworden. Eine inverse Zinsstruktur, bei der die langfristigen Renditen niedriger liegen als die kurzfristigen warnt vor einer Rezession. Der Rendite-Spread zwischen Unternehmensanleihen, auch von Junk Bonds, zur Benchmark, der Rendite der zehnjährigen TNotes, ist niedrig. Die Liquiditätssituation ist keineswegs angespannt. Und so gibt es im Umfeld des Geldsystems keine aktuten Warnzeichen. Ich hatte mich hier mit dem Thema beschäftigt, seitdem hat sich nicht viel getan, was die dort getroffene Einschätzung auf den Prüfstand stellen würde.
Das wird unterstrichen durch den St Louis Fed Financial Stress Index, der deutlich unter den beiden jüngsten lokalen Maxima aus Mitte Feb 2016 und Anfang April 2018 liegt (h/t Colin Twiggss – Chartquelle).
Als weiteres Argument in der Reihe der "Wider": Wendet man Entwicklung und kurzfristige Reaktionen der Handels-Volumens bei Aktien an der NYSE auf die aktuelle Situation an, so erscheint eine fortgeschrittene Topp-Bildung noch nicht sehr wahrscheinlich (siehe hier!).
Damit bleibt als Quintessenz: Das Wirtschaftswachstum in den USA scheint gegenwärtig ungebrochen, das gilt auch für die Gewinn- und Umsatzentwicklung der US-Unternehmen. Die finanziellen Risiken sind derzeit gering. Störfeuer könnte am ehesten aus der Eurozone kommen. Dies, verbunden mit der zunehmenden technischen Anfälligkeit der Aktienmärkte, sollte einen vor einer allzu bullischen Attitüde bewahren. Mit dem unmittelbaren Ausbruch eines nachhaltigen Abschwungs bei Aktien ist aber (noch…) nicht zu rechnen. Eine volatile Seitwärtsbewegung bei Aktien erscheint zunächst am wahrscheinlichsten.
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