QE: Schlafmittel für Wachstum

Die US-Banken erhöhen ihre Sicherheitsanforderungen für kommerzielle und industrielle Kredite. Per Saldo ist der Anteil der Banken mit restriktiveren Vergaberichtlinien jetzt so hoch wie seit Ende 2009 nicht mehr. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass der wirtschaftliche Ausblick unsicherer geworden ist oder sich sogar verschlechtert hat.

Der folgende Chart zeigt die Situation.

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Die globale Liquiditätssituation ist angespannt. Die Merrill Lynch Lquidity Tracker zeigen seit Mitte 2015 ein angespanntes Bild. Der für Japan ist zuletzt regelrecht abgestürzt. Beide Charts sprechen dieselbe Sprache – die großen Akteure auf den Finanzmärkten sind zurückhaltend, die Risikoneigung ist gering.

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Auch der Cleveland Financial Stress Index zeigt eine deutliche Anspannung. Es gibt eine Anzahl weiterer Indikatoren zum Thema „Verschlechterung der Situation in den Finanzmärkten“ – die meisten warnen mittlerweile deutlich vor möglichen Verwerfungen. Siehe z.B. auch hier!

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Wie das? Die Zentralbanken haben doch alles getan, um die Folgen der Finanzkrise vergessen zu machen. Sie haben das gemacht, was sie immer tun, wenn sie das Wachstum ankurbeln wollen – sie haben die Zinsen gesenkt (bis zur Unkenntlichkeit…). Mit niedrigeren Zinsen sollten gesparte Gelder mobilisiert werden, um entweder Ausgaben zu tätigen oder zu investieren. Gleichzeitig sollte das Kreditgeschäft belebt werden. Sinkende Zinsen schwächen zudem den Außenwert der Währung, was Exporte stimuliert und so ebenfalls zum Wachstum beiträgt.

Eine solche Geldpolitik führt normalerweise letztlich über die allgemeine Belebung der Wirtschaftstätigkeit zu Preissteigerungen, wobei die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik Zeit brauchen – man rechnet mit rund neun Monaten, bis eine Senkung des Leitzinses voll wirksam wird.

Dieses Mal hat es nicht geklappt, Inflation ist nicht in Sicht. Warum?

Ein gutes Maß für die Wirtschaftsaktivitäten ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Der folgende Chart zeigt, dass diese seit 1990 von 8,6 auf jetzt 1,3 zurückgegangen ist. In diesem Zeitraum hat sich das hier betrachtete, die Versorgung mit liquidien Mitteln widerspiegelnde Geldmengenaggregat MZM um den Faktor 6,5 aufgebläht. Das nominale BIP ist im selben Zeitraum um den Faktor 3,1 gewachsen. MZM hat also mehr als doppelt so stark zugelegt wie das BIP, seit 2005 beschleunigt, damit wäre lediglich eine Halbierung der Umlaufgeschwindigkeit zu erklären. Ein anderer Teil der Erklärung betrifft das allgemein gesunkene Zinsniveau; so rentierten zehnjährige US-Staatsanleihen Anfang 1990 noch bei 8%, aktuell sind es 1,7%.

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Im Chart ist deutlich zu erkennen, dass die auf Expansion angelegte Zinspolitik am Ausgang von Rezessionen jedes Mal den gewünschten Effekt hatte, die Umlaufgeschwindigkeit stieg jeweils zeitverzögert an. Gleichzeitig ist auch zu erkennen, dass der Multiplikator der betrachteten Geldmenge bezogen auf das Basisgeld (u.a. Bargeld und Reserven der Geschäftsbanken bei der Fed) in solchen Phasen nicht anstieg, bzw. sank, obwohl die Geldmenge jeweils deutlich anstieg. Das ist ein Hinweis darauf, dass liquide Mittel investiert wurden.

Realwirtschaftlich prosperierende Phasen zeichnen sich demnach durch steigende Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und flachen bis sinkenden Verlauf des Multiplikators aus. Nach Ende der Finanzkrise stieg die Umlaufgeschwindigkeit im Zuge der Reflexerholung nach dem Einbruch der Weltwirtschaft tatsächlich zunächst an. Ab 2011 kennt sie aber nur noch eine Richtung, die nach unten. Der Geldmengen-Multiplikator tendiert im größeren Zusammenhang mit der extremen Geldflut-Politik ebenfalls nach unten, seit Ende 2014 zeigt sich nach dem Auslaufen der QE-Maßnahmen in den USA eine Stabilisierung.

Mit niedrigen und weiter sinkenden Zinsen steigt die Neigung, Geld zu horten. Die seit den frühen 1980er beständig sinkenden Zinsen erklären zum Teil die langfristig nach unten tendierende Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Dies verstärkt sich, wenn die Zinsen nahe Null sind, erst recht, wenn sie negativ werden. Das ist in Japan deutlich zu sehen: Die japanischen Konsumenten horten Cash in Form großer Geldscheine, die Verkäufe von Safes für Privathäuser ziehen kräftig an, Bargeld wird dem Bankensystem entzogen. Seit dem Schritt der BoJ zu negativen Zinsen Ende Januar ist zudem ein Run japanischer Investoren auf höher rentierliche ausländische Anleihen festzustellen (Chartquelle).

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Sinkt die Geldumlaufgeschwindigkeit, steigt der Deflationsdruck, also pumpen die Zentralbanken noch mehr Geld in das Bankensystem, um Wachstum zu generieren. Entwickelt sich aber eine deflationäre Spirale, stellen Verbraucher Ausgaben zurück, weil sie künftig niedrigere Preise erwarten. Staatliche und geldpolitische Anreize bleiben dann ohne Wirkung, das Wachstum wird gedrückt. Deflation steigert die realen Zinssätze, das steigert den Außenwert der betreffenden Währung. Dadurch werden Exporte tangiert, das kostet weiteres Wachstum.

Die Nebenwirkungen der Null- bis Negativzinspolitik sind also genau das, was die Zentralbanken vermeiden wollten: Es kommt zu deflationären Tendenzen, die Währungen werden gestärkt, das Wachstum lässt nach. Auch hier gibt Japan wieder ein leuchtendes Beispiel ab: Dollar/Yen hat auf die Einführung negativer Zinsen Ende Januar mit einer Talfahrt (=Yen-Stärkung) von 121 auf aktuell unter 109 reagiert – bei rund 115 liegt eine Schmerzgrenze für die japanische Exportindustrie.

Hinzu kommt, dass die QE-Maßnahmen die langfristigen Zinsen drücken und damit den Spread zu den kurzfristigen verkleinern. Genau dieser Spread ist aber das, woran die Banken im Kreditgeschäft verdienen. Wenn der Spread sinkt, sinkt folglich die Neigung, Kredite auszureichen. Auch das bremst das Wachstum.

Die Zentralbanken reagieren auf die nicht beabsichtigten Konsequenzen ihrer Politik damit, dass sie den eingeschlagenen Irr-Weg stur weiter gehen. BoJ und EZB erweitern den Kreis der Anleihen und sonstigen Wertpapiere, die sie im Rahmen ihrer QE-Politik kaufen. Die BoJ kauft praktisch alle neu ausgegebenen japanischen Staatsanleihen auf. Mit den massiven QE-Programmen der Zentralbanken trocknen die Märkte für die Titel aus, die in ihrem Fokus stehen. Wenn hier nicht genug Nachschub kommt, bleibt nur der Weg zu noch negativeren Zinsen. Zudem erhofft man sich davon, dass die Banken über den Umweg der Vermeidung solcher "Strafzinsen" ihre Kreditvergabe doch ausweiten, auch wenn solche Kredite wenig profitabel und angesichts der schlappen Wirtschaftsaktivitäten auch besonders riskant sind.

Eine weitere, unerwünschte Nebenwirkung der „modernen“ Geldpolitik zeigt sich in Japan ebenfalls: Dort ist der Nikkei seit Einführung negativer Zinsen um 9% eingebrochen.

US-Staatsanleihen stechen heraus mit deutlich höheren Renditen über das gesamte Laufzeitenspektrum. Auf der Jagd nach höherer Rendite sind solche Titel insbesondere für japanische und europäische Investoren interessant. Das gibt dem US-Dollar cet. par. Auftrieb (bzw. dämpft Schwächetendenzen). Gleichzeitig drückt das das Zinsniveau (Chartquelle).

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Wenn die EZB ihren Über-Nacht-Zins von aktuell -0,4% weiter senkt, etwa auf –1%, dürfte die Rendite der zehnjährigen Bunds in den negativen Bereich gehen. Zehnjährige US-Treasuries dürften dann 1% oder weniger Rendite bringen (akuell 1,7%).

[Unter Verwendung von Material von "The Global Liquidity-Trap Turns More Treacherous"]

Der Kurs der Geldpolitik mit Null- bis Negativzinsen ist nicht wachstumsfördernd, genauso wenig wie die aktuelle staatliche Finanzpolitik. Beides zusammen ergibt eine gefährliche Mischung und vertieft die globale Liquiditätsfalle.

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