Isabel Schnabel, Professorin und seit 2014 Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, nimmt die jüngsten Börsenturbulenzen zum Anlass und warnt vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Banken. Sie findet die Ereignisse laut Welt sehr beunruhigend. Besonders bedrohlich sei der Anstieg der Zinsen auf sogenannte nachrangige Anleihen. Hieraus könnten sich selbstverstärkende Preisspiralen entwickeln, die die Solvenz der Banken bedrohen, meint die Wirtschaftsweise.
Dieses Szenario hat dazu beigetragen, dass viele, v.a. europäische Bankaktien zweistellige Kursverluste hinnehmen mussten. Vielleicht eine Übertreibung, aber es gibt zahlreiche Faktoren, die die Profitabilität der Banken beeinträchtigen. Frau Schnabel nennt die schwache Weltkonjunktur und die Kreditrisiken aus dem Ölgeschäft, darüber hinaus stellten aber v.a. die Niedrigzinsen die Geschäftsmodelle der Banken infrage. Es handelt sich um die Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik. Das traditionelle Bankgeschäft besteht darin, Mittel zu kurzfristigen Zinskonditionen aufzunehmen und zu langfristigen zu verleihen. Durch die Geldflut sinkt dieser Spread aber immer weiter. Wen wundert es, dass die Banken auf die Vergabe von Krediten nicht besonders erpicht sind.
Zudem werden die Spielräume der Zentralbanken nach Jahren der Geldflut und Niedrigzinspolitik immer kleiner. Die Professorin hält ein weiteres Absinken der bereits jetzt in der Eurozone negativen Zinsen für sehr problematisch. Die Zentralbanken könnten zwar weiterhin stabilisierend eingreifen, aber damit werden die bestehenden strukturellen Probleme nicht gelöst.
Das ist alles nicht neu. Eine Untersuchung des Milken-Instituts aus dem Jahre 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass die EU die Region auf der Welt mit dem größten finanziellen Risiko ist. Die US-Banken zeichnen sich zwar kumuliert durch eine hohe Derivateausrichtung aus, ihr Anteil am BIP ist aber vergleichsweise gering.
Das Verhältnis der Bank-Assets zum BIP kommt für die EU auf 2,2, die USA erreichen gerade einmal 0,96. Das EU-Bankensystem ist demnach völlig überdimensioniert. „Völlig überdimensioniert“ heißt „besonders gefährlich“. Frankreich ist innerhalb der Eurozone besonders krass: Das Bankensystem des Landes kommt von seiner Größe her auf Platz fünf weltweit nach Großbritannien. Es ist 3,02 mal größer als sein BIP. Das Bankensystem Großbritanniens, Mitglied der EU, nicht aber der Eurozone, ist 3,81 mal größer als das BIP. In Italien liegt das Verhältnis bei 1,71.
Deutschlands Bankensystem ist vom Anteil an den gesamten weltweiten Bankensassets halb so groß wie der Frankreichs. Das deutsche Verhältnis Bank-Assets zu BIP erreicht 1,15. Deutschland sticht als Heimatland der zu den weltweit größten Banken gehörenden Deutschen Bank heraus, ihre Ausrichtung auf das Derivategeschäft ist nach wie vor rekordverdächtig. Gleichzeitig zählte ihre Kapitalausstattung seinerzeit zur weltweit schwächsten Gruppe. Das dürfte auch heute noch so sein.
Die Untersuchung des Milken-Instituts stammt von 2013. An ihrer qualitativen Aussage hat sich seitdem jedoch nicht viel geändert haben. Vermutlich liegt das Verhältnis Bank-Assets zu BIP für die EU aktuell näher an 2,0 als an 2,2.
Wie wenig Zutrauen Anleger in die im EuroStoxx50 enthaltenen Banken haben, zeigt der Kursverlauf eines ETF auf ebendiese Gruppe. Anfang Juni 2007 notierte dieser bei 50 Euro, fiel dann bis Mitte März 2009 auf gut neun Euro. Von dort startete eine Reflexerholung auf fast 24 Euro per Ende Oktober 2009. Ende Juli 2012 war der ETF dann nur noch 7,40 Euro wert – kurz bevor EZB-Draghi sprach, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. Das hauchte neue Phantasie ein, der ETF erreichte Mitte 2014 und noch einmal Mitte 2015 das Niveau von 16,40 Euro. Seitdem geht es bergab, in der zurückliegenden Woche wurden wieder die neun Euro vom März 2009 angesteuert. Der Absturz seit Jahresbeginn betrug in der Spitze 28%.
Ein Gedankenspiel: Gehen wir mal davon aus, dass die Banken demnächst beginnen, negative Zinsen auf Bank-Einlagen zu erheben. Unterstellen wir dabei, die EZB wird im März in diese Richtung weiter voranschreiten (der Hauptrefinanzierungssatz liegt gegenwärtig noch bei 0,05%). Sagen wir mal, das beginnt mit -0,25%. Die Einlagen von Ansässigen im Euro-Währungsgebiet beliefen sich per Dezember 2015 auf rund 17 Bill. Euro (Quelle). Dann kommen für neun Monate in 2016 schon mal rund 32 Mrd. Euro zusammen (bzw. 95 Euro pro Einwohner der Eurozone). Kapital und Rücklagen der Eurozonen-Banken summieren sich per Ende 2015 auf 2,45 Bill. Euro. Das wären also 1,3% Sanierungsbeitrag der Sparer für „ihre“ Banken… Bei einem Verhältnis von Kapital und Rücklagen zu Bilanzsumme (30,8 Bill. Euro) von aktuell 8%.
Ergänzung:
Auf ein komplettes Jahr gerechnet sieht es so aus: Die Gesamtsumme an "Subventionierung" kommt auf fast 43 Mrd. Euro oder gut 126 Euro pro Einwohner der Eurozone. Bezogen auf Kapital und Rücklagen der Eurozonen-Banken liegt der Sanierungsbeitrag über Negativzinsen bei über 1,7%.
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