Der DAX glänzt seit dem Einbruch der weltweiten Aktienkurse Ende August wieder durch klare Outperformance gegenüber dem S&P 500. Dies dürfte einerseits damit zusammenhängen, dass die exportorientierte Wirtschaft in Deutschland weiterhin besonders von der anhaltenden Schwäche des Euro profitiert. Andererseits drückt ein gleichzeitig erstarkender Dollar die in US-Währung notierten Rohstoffpreise. Eine nachlassende Nachfrage (z.B. aus China) wirkt in die gleiche Richtung.
Sinkende Rohstoffpreise wirken sich für die deutsche Wirtschaft zunächst positiv aus, sie lassen die Unternehmensgewinne steigen und das treibt die Aktienkurse. In den vergangenen Jahren sind die Emerging Markets immer noch deutlich schneller gewachsen als die industriealisierten Länder. Die Wirtschaftskraft dieser „Kunden“ deutscher Produkte ist jedoch in besonderem Maße von den Preisen der Rohstoffe abhängig, die sie exportieren. Wenn sie wegen der immer weiter sinkenden Rohstoffpreise in eine Krise abrutschen, tangiert das die deutsche Wirtschaft wegen ihrer Exportabhängigkeit. Dies scheint zwar noch nicht der Fall zu sein, aber im Zusammenhang mit der Änderung der Zinspolitik in den USA rückt diese Möglichkeit etwas näher heran.
Zunächst wird an den Finanzmärkten also noch die Karte gespielt, dass sinkende Rohstoffpreise gut sind für die Aktienkurse, inbesondere in Deutschland. Wie lange noch?
Konzentrieren wir uns auf einige ausgewählte Rohstoffpreise.
Da ist zunächst Kupfer. Dieser Rohstoff ist im Zeitalter der Informationstechnologie immer noch von zentraler Bedeutung, daher wird ihm mit Recht eine wichtige Indikator-Funktion für die Entwicklung industrieller Rohstoffe zugeschrieben.
China ist nach wie vor das größte Verbraucherland. Erst gerade wieder hat die schlechter als erwartete Entwicklung der Industrieproduktion im Oktober für Aufsehen gesorgt und den Kupferpreis auf den niedrigsten Stand in mehr als 6-1/2 Jahren gedrückt. Zudem wird das Metall als Sicherheit für Darlehen eingesetzt. Die gleichen Sicherheiten sind jedoch mehrfach hinterlegt worden, was für zusätzliche Unruhe auch am Kupfermarkt sorgt. Nach Bekanntwerden neuer Betrügereien u.a. mit Kredit-Sicherheiten sind chinesische Aktien gestern um 5,5% abgestürzt.
Der langfristige Preis-Chart bei Kupfer zeigt einen Aufwärtstrendkanal, der 2005 auf einem Niveau von gut 1,50 Dollar pro Pfund, entsprechend gut 3000 Dollar pro Tonne nach oben aufgebrochen wurde. Dann erfolgte parallel zur Hauspreisblase in den USA eine explosive Aufwärtsbewegung bis auf über 8000 Dollar pro Tonne (4 Dollar pro Pfund) per Mitte 2006.
Dieses Hoch wurde Mitte 2008 nochmals erreicht, bevor eine scharfe Korrektur bis herunter zu 3000 einsetzte. Hier liegt eine langfristige statische Unterstützung und lag damals die Oberseite der langfristigen Aufwärtskanals. Anfang 2011 wurde bei 10000 Dollar pro Tonne ein weiteres Hoch markiert, seitdem herrschen Abwärtsstrukturen vor. Ziel dieser Bewegung dürfte entweder die Oberseite des besagten Aufwärtskanals (blaue Linie im nächsten Chart) bei gegenwärtig etwa 3700 sein oder der benannte Support-Pegel bei rund 3000. Auf dem aktuellen Niveau von knapp 4600 liegt auch das 76,4%-Retracement des Aufwärtsimpulses von 2009 bis 2011 – ein im allgemeinen wenig tragfähiger Pegel. Unterstellt man, dass die Abstiegsgeschwindigkeit sich so fortsetzt wie bisher, dürfte die Oberseite des benannten Kanals in der zweiten Jahreshälfte 2016 erreicht sein (Chartquelle).
Es ist allerdings typisch für das Endspiel solcher Bewegungen, dass es einen finalen Ansturz gibt. Dann könnten die genannten Ziele auch sehr rasch erreicht werden, wobei unter diesen Bedingungen dem statischen Support bei 3000 als Ziel der Vorzug zu geben wäre. Die Bewegung von Rohstoffpreisen folgt zudem häufig einem sieben bis zehn Jahre währenden Zyklus. Auch das spricht dafür, dass ein finaler Ausverkauf nicht mehr weit sein könnte. Gut möglich, dass der Jahreswechsel bei den jahrelang verprügelten Rohstoffen zu einem Umdenken und zur Neubewertung führt.
Öl (Brent) zeigte sich zuletzt wieder sehr volatil. Berichte über Verständigungen seitens der Ölförderländer hinsichtlich Preispolitik haben Unterstützung geboten, ebenso geopolitische Risiken. Fielen diese Einflüsse dann jeweils kurzfristig weg, kam es zu einem erneutem Einbruch. Aktuell notiert Öl Brent unter 45 Dollar, der langfristige statische Support bei 40 ist nicht mehr weit. Hier dürften viele Stopps liegen, deren Auslösung anzieht. Erreicht werden kann diese Situation nun ziemlich rasch (Chartquelle).
Gold spielt zwar als industrieller Rohstoff keine große Rolle (mehr). Umso wichtiger ist aber das Edelmetall als Seismograph für finanziellen Unbill. Das Chartbild (Wochenchart) lässt nicht erwarten, dass sich bald eine Umkehr in der seit Herbst 2011 bestehenden Abwärtsorientierung ergibt. Der Psychopegel bei 1000 ist jedoch nicht mehr weit. Dort liegen mit Sicherheit viele Stopps, die nur darauf warten, ausgelöst zu werden, wenn die Marke (kurzzeitig) unterboten wird. Etwas darunter verläuft eine Abwärtslinie, die Unterstützung geben könnte. Bei 1000 liegt auch das 76,4%-Retracement des Aufwärtsimpulses von November 2008 bis September 2011.
Wenn es bei 1000 zu einer dynamischen Gegenbewegung kommt, die zügig wieder über 1100 führt und dann rasch die dick gezeichnete rote Abwärtslinie (Mittellinie) überwindet, dann würden vermutlich auch beim Gold nachhaltig andere (bessere) Zeiten für Anleger anbrechen. Aus Sicht der US-Zinsentwicklung spricht nicht viel dafür, aus Sicht der Entwicklung der Zinsen im Euro-Bereich sieht das jedoch anders aus (siehe hier!). Da Gold zudem einen Teil seiner Kurs-Phantasie immer noch aus Inflationserwartungen bezieht, dürften steigende Rohstoffpreise ebenfalls mithelfen bei einer Neuorientierung beim Gold.
Hinter allem steht die Entwicklung bei Euro/Dollar. Wie hier ausgeführt, läuft das Währungspaar auf die Untergrenze eines seit 1985 bestehenden Aufwärtskanals bei aktuell rund 1,0560 zu. Vermutlich wird es in diesem Bereich zu Unterschwingern kommen. Zeitlich harmoniert das recht gut mit der EZB-Sitzung am kommenden Donnerstag. Landauf, landab wird erwartet, dass die EZB ihre QE-Maßnahmen ausweitet. Gut möglich, dass es dann heißt „sell the news“, was Abwärtsdruck vom Euro nimmt. Gleichzeitig dürften aber die Wetten auf einen stärkeren Dollar noch weitergehen – die Fed wird erst Mitte Dezember ihren mit mittlerweile 78% Wahrscheinlichkeit erwarteten Zinsschritt bekannt geben. Dies spricht zunächst für eine volatile Seitwärtsbewegung bei Euro/Dollar.
Die Future-Positionierung in Euro hat zwar noch nicht das Short-Rekordniveau vom März 2015 erreicht, als die EZB ihre QE-Entscheidung verkündete, aber die Entwicklung ist klar auf dem Weg dahin. Dass das Währungspaar der Positionierung „auf den letzten Metern“ noch folgt, ist keineswegs ausgemacht wie sich am Chart ablesen lässt. Es spricht insgesamt einiges dafür, dass ein nachhaltiger Durchbruch bei Euro/Dollar nach unten zunächst nicht zu erwarten ist. Wenn sich aber Euro/Dollar stabilisiert und anschließend überzeugend umkehrt, gibt das den Rohstoffpreisen Schützenhilfe.
Nicht selten gibt es zum Jahreswechsel in den Finanzmärkten neue strategische Ausrichtungen. Das neue Jahr könnte eine Neueinschätzung bei Rohstoffen mit sich bringen. Das könnte auch hinsichtlich Inflationserwartungen zu einer Kehrtwende führen und Gold gewisse Unterstützung geben. Da auch Euro/Dollar an einer wichtigen Wegmarke angelangt ist, stehen die Chancen gut, dass das Währungspaar solche Neupositionierung begleitet und unterstützt. Natürlich benötigt solch ein Strategiewechsel Zeit. Zugleich ist er mit erhöhter Volatilität verbunden.
Was die Outperformance des DAX gegen S&P 500 angeht, so ist damit zu rechnen, dass steigende Rohstoffpreise auch hier zu einer Neubewertung führen. In die gleiche Richtung würde aufkommende Euro-Stärke wirken. US-Aktienkurse dürften dann relativ (!) besser laufen.
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