Bofinger will Bargeld abschaffen

Jetzt fällt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger in den Chor derer ein, die für die Abschaffung des Bargelds plädieren. Der vom Magazin Focus als „Top-Ökonom“ bezeichnete Volkswirtschaftsprofessor hält Münzen und Geldscheine für einen Anachronismus. Außerdem könnten so die Märkte für Schwarzarbeit und Drogen ausgetrocknet werden, sagt er. Bofinger forderte die Bundesregierung auf, das Thema auf die Agenda des G-7-Gipfels in Elmau zu setzen.

Am heutigen Montag diskutieren in London Ökonomen, sowie Vertreter von Notenbanken und Banken auf einer von der Schweizer Notenbank mitveranstalteten Tagung über die Abschaffung von Bargeld.

Die Debatte um die Abschaffung von Bargeld köchelt schon länger vor sich hin. Der US-Ökonom Joseph Salerno hat dafür den Ausdruck „War on Cash“ geprägt. Vordergründig wird argumentiert, Bargeld werde bevorzugt von Schattenwirtschaft und Kriminellen genutzt.

Zu den prominenteren „anti-Cash-Kriegern“ zählt auch der Harvard-Professor Ken Rogoff. Er spricht sich dafür aus, Bargeld als Zahlungsmittel allmählich auslaufen zu lassen. Als ersten Schritt sollten nur noch die kleineren Banknotenstückelungen heraus gegeben werden. Ein großer Anteil der negativen Begleiterscheinung der Bargeldnutzung hänge mit den großen Scheinen zusammen, begründet er.

Darüber hinaus schließt er sich der geldpolitischen Argumentation des früheren US-Finanzministers Larry Summers an. Als der im Herbst 2013 seine (nicht ganz neue) These von der säkularen Stagnation aufstellte, der der Nobelpreisträger Paul Krugman sogleich zujubelte, wies er auch darauf hin, dass es in diesem Zusammenhang notwendig werden könnte, die Zinsen bald auch nominal, also auf dem Papier, negativ zu machen. In diesem Falle würden die Bürger dann aber lieber ihr Geld außerhalb von Banken horten. Um das zu verhindern und negative Zinsen durchzusetzen, muss das Geldsystem von dinglichen Bezügen „befreit“ und damit vollständig manipulierbar gemacht werden. Dazu müsse das Bargeld komplett abgeschafft werden.

Vor kurzem hatte die dänische Regierung angekündigt, den Annahmezwang für Bargeld in Läden, Resaturants und Tankstellen abschaffen zu wollen. Der frühere Abba-Musiker Björn Ulvaeus gibt sich als Gallionsfigur für die “Anti-Cash”-Bewegung her. Er reklamiert, er habe ein Jahr fast ohne Bargeld gelebt, lediglich die Supermarkt-Einkaufswagen wollten noch Geldstücke. Düdeldü.

Der Freiburger Ökonom Lars Feld kritisiert Bofinger: Dieser vernachlässige offenbar die verfassungspolitischen Aspekte. Er gehört wie Bofinger auch als „Wirtschaftsweiser“ dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage an. Für Feld ist Bargeld in Anlehnung an ein Wort des russischen Dichters Dostojewski „geprägte Freiheit“. Bargeld ermögliche es den Bürgern, sich Zugriff und totaler Kontrolle durch den Staat zu entziehen. Dadurch könnten zwar Schwarzarbeit und andere illegale Aspekte begünstigt werden. Aber Schwarzarbeit sei nicht selten für die Betroffenen die letzte Möglichkeit, überhaupt einen Lebensunterhalt zu verdienen.

Auch der ehemalige Chefvolkswirt von Bundesbank und EZB, Otmar Issing, betont, Bargeld als anonymes Zahlungsmittel verhindere die staatliche Überwachung von Zahlungen. Auch für ihn ist Bargeld „geprägte Freiheit“.

Bofinger ist vom Deutschen Gewerkschaftsbund in das Sachverständigen-Gremium der Bundesregierung entsandt worden. Vermutlich spielte dabei eine Rolle, dass er bekennender Verfechter einer Nachfrage-orientierten Wirtschaftspolitik ist. Diese Richtung will die Wirtschaft in erster Linie über die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen steuern. Dabei spielt die Lohnpolitik eine wichtige Rolle. Nicht umsonst machte sich Bofinger frühzeitig für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns stark. Darüber hinaus soll die Wirtschaft, falls erforderlich, durch steigende Staatsausgaben und durch expansive Geldpolitik belebt werden. Bofingers Thesen hört man in der SPD besonders gerne.

Die Gewerkschaften sind historisch entstanden als ökonomische Vertretung der Bevölkerungsschichten in der unteren Hälfte der Einkommensverteilung. Sie hatten in diesem Zusammenhang historisch auch eine gewisse Nähe zu demokratischen Werten. Einer dieser Werte ist die Freiheit. Bargeld ist dafür eine wichtige ökonomische Voraussetzung. Dass Bofinger seine antidemokratischen Thesen von der Abschaffung des Bargelds ohne sofortigen gewerkschaftlichen Aufschrei verkünden kann, wirft auch ein bezeichnendes Licht auf den Charakter dieser Organisationen.

Der „war on cash“ liegt auf der Linie der zentralplanerischen Wirtschafts- und Finanzpolitik, die in den Nachwehen der Finanzkrise in immer stärkerem Ausmaß von den großen Notenbanken betrieben wird. Wir bewegen uns auf eine Art von Totalitarismus zu, der sich nicht nur auf der ökonomischen Ebene abspielt, wie die zunehmende staatliche Regelungswut in alle sozialen Bereiche hinein zeigt. Und wenn nur noch mit Kreditkarte gezahlt werden kann, ist es ein Leichtes, jedermann zu disziplinieren. Irgendein Grund, seine Karte zu sperren, wird sich schon finden und schon ist derjenige finanziell (und damit auch sozial) lahm gelegt. Die Diskussion um die Abschaffung von Bargeld ist ein wichtiges Signal in diese Richtung. Dieser Schritt steht in engem Zusammenhang mit dem Trend zu negativen Zinsen, geht aber letztlich weit darüber hinaus.

Dass eine bis hin zum Individuum zentrale Planwirtschaft nicht effizient funktioniert, ist allerspätestens seit dem Scheitern des Ostblocks klar. Vor solchen Verhältnissen hatte man uns immer vehement gewarnt. Jetzt wird das fehlgeschlagene Experiment wiederholt – wenn auch mit viel raffinierteren Mitteln und viel weitreichenderen Folgen.

Anmerkung:
Zum ordnungspolitischen Aspekt von bis in den negativen Bereich hinein manipulierten Zinsen siehe hier.

Ergänzung:
Helmut Siekmann, in Frankfurt Professor für Geld-, Währungs- und Notenbankrecht, hält die in Europa um sich greifenden Barzahlungsverbote und die Verweigerung der Annahme von Bargeld durch staatliche Stellen für nicht mit dem in der EU und in Deutschland geltenden Recht vereinbar. Der Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU („EU-Vertrag“) erklärt Euro-Banknoten zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel, sagt er. Auch die Praxis deutscher Finanzämter, kein Bargeld zur Zahlung von Steuerschulden anzunehmen, widerspreche den einschlägigen Gesetzen. „Der Annahmezwang für hoheitliche Stellen ist konstituierendes Merkmal eines gesetzlichen Zahlungsmittels“, so Siekmann.

Norbert Häring hat im Februar seine Einzugsermächtigung storniert, die es ARD, ZDF und Deutschlandradio erlaubte, Rundfunkgebühren abzubuchen. Er bat den Beitragsservice um Mitteilung, wo er den Rundfunkbeitrag bar einzahlen kann und argumentiert mit §14 Bundesbankgesetz, wonach „in Deutschland … auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“ sind. Das bedeute, dass die Bezahlung einer Schuld mit diesem unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel nicht abgelehnt werden dürfe. Seither hat er nichts mehr von den Damen und Herren vom Beitragsservice gehört.

Nachtrag:
(1.6.15) Bofinger hat seinen eigenen Angaben zufolge nach seinem Vorschlag einen wahren "Shit-storm" erlebt, wie hier berichtet wird.

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