Wo sind die US-Verbraucher hin?

Die US-Einzelhandelsumsätze sind im März weniger gestiegen als erwartet. Zuvor waren sie drei Monate in Folge gesunken. Das kam seit Start der Zeitreihe 1967 außerhalb von Rezessionsphasen bisher nur zweimal vor.

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Gary Schilling fragt, warum sich die Konsumenten so zurückhalten, obwohl die Wirtschaft Fahrt aufgenommen hat. Zudem scheinen die fallenden Ölpreise, die den Verbrauchern rund 1% mehr anderweitig verfügbare Mittel bescheren, keine beflügelnde Wirkung zu haben.

Die Konsumausgaben machen 70% des US-BIP aus, bei ihnen liegt der Schlüssel dafür, ob der BIP-Zuwachs von zuletzt 2,3% y/y wieder auf Werte von klar über 3% steigt, wie sie vor 2008 üblich waren. Die Umfragen hinsichtlich Verbraucherstimmung zeigen ein optimistisches Bild, so ist das Verbrauchersentiment nach Erhebung der Universität von Michigan so hoch wie in den zurückliegenden zehn Jahren nicht. Allerdings laufen diese Indices der wirtschaftlichen Entwicklung oft hinterher, so dass sich aus ihnen kein verlässliches Zeichen für die Zukunft ableiten lässt. Der
ISM-Stimmungsindex der Fertigungsindustrie zeigt hingegen seit Monaten Schwäche, er ist verlässlicher, läuft der tatsächlichen Entwicklung oft einige Monate voraus.

Der “consumer discretionary” Sektor im S&P 500 schließt Einzelhändler, Kfz-Hersteller und die Medien-Industrie ein. Er ist in den zurückliegenden sechs Monaten um rund 19% gestiegen, während der S&P 500 nur um zehn Prozent zugelegt hat. Viele der in diesem Sektor angesiedelten Unternehmen sind mit ihrem Geschäft auf das US-Inland konzentriert, die Dollar-Stärke tangiert sie daher wenig. Die Bewertung dieses Sektors ist in etwa so angewachsen wie sein Kurs zugelegt hat, die hier produzierten Gewinne scheinen also kaum gestiegen zu sein.

Wenn die Frage auftaucht, was Konsumenten zurückhält, wird gerne das Wetter angeführt. Dann hätten optimistische Verbraucher aber die online-Umsätze kräftig angekurbelt – und das war nicht der Fall. Eine Erklärung für die Konsumschwache liegt im Arbeitsmarkt. Im März wurden lediglich 126.000 neue Jobs geschaffen, vorher waren es Schnitt der zurückliegenden elf Monate 284.000. Aber die meisten neuen Arbeitsplätze entstanden eher in Niedriglohn-Branchen, so dass ihr Effekt eher mäßig ist (siehe hier und hier!). Hinzu kommt, dass die US-Firmen bei flacher Umsatzentwicklung weiterhin Kosten reduzieren und das betrifft letztlich die Entlohnung. Ein beliebtes Mittel ist dabei die Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung. Und so kommt es zu einer lediglich flachen Reallohn-Entwicklung.

Viel von den im Rahmen der QE-Maßnahmen gedruckten Dollars ging in den Aktienmarkt. Die Fed hat sich davon stets einen Wohlstandseffekt versprochen, was den Konsum ankurbeln und mehr Arbeitsplätze schaffen sollte. Allerdings werden Aktien vor allem von den oberen Einkommensschichten gehalten, deren Konsumquote relativ gering ist und sich auch relativ wenig ändert. Die Hauspreise sind seit der Jahresmitte 2014 kaum noch gestiegen, sie notieren immer noch 17% unter der Spitze aus 2006. Auch von hier aus kommt kein deutlicher Wohlstandseffekt mehr zustande.

Hinzu kommt, dass die Sparquote seit November 2014 Monat für Monat angestiegen ist und mit 5,8% im Februar deutlich über dem Niveau der Jahresmitte 2014 liegt. Gut möglich, dass dies weitergeht und die Extra-Mittel aus dem Ölpreisverfall auch dazu genutzt werden, Schulden zurück zu führen. Demographische Verschiebungen dürften ebenfalls dazu führen, dass die Sparquote erhöht bleibt. Mitte 2005 hatte sie ein Tief bei 1,9% markiert.

Möglicherweise trägt auch das Niedrig-Inflations-Umfeld dazu bei, dass Verbraucher zögerlicher sind beim Einkauf von Gütern, die sie nicht unmittelbar benötigen. Vergleiche mit Japan drängen sich auf. Allerdings sollte das nicht überbewertet werden. In Japan war die jährliche Veränderung der Konsumausgaben auch in den „verlorenen Dekaden“ stets positiv und vergleichbar etwa mit der Deutschlands, obwohl die Inflationsrate dort immer wieder den negativen Bereich tangierte.

Die Erwartung, dass die sinkenden Ölpreise wie ein großes Konjunkturprogramm wirken, hat sich bis jetzt nicht bestätigt.

Ergänzung:
Zur Vermögensverteilung hat der US-Senator Bernie Sanders kürzlich festgestellt, dass die reichsten 14 Amerikaner ihr Netto-Vermögen von 2013 bis 2015 um mehr als 157 Mrd. Dollar steigern konnten.

Nach aktueller Forbes-Liste verfügen 67 Menschen auf der Welt über die Hälfte des Vermögens der Menschheit. Eine aktuelle Oxfam-Studie geht von 85 Personen aus.

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