Fallender Ölpreis – ein Konjunkturprogramm?

Der Verfall der Ölpreise ist nach wie vor im Gange. Nach 115 Dollar, die Mitte Juni für ein Barrel Brent Rohöl gezahlt werden mussten, sind aktuell noch knapp 66 Dollar fällig. Die entsprechend niedrigeren Kosten stellen ein gewaltiges Konjunkturprogramm dar, meinen Beobachter.

Der folgende Chart ist recht aufschlussreich – er stellt die prozentualen Auswirkungen auf das jeweilige Länder-BIP dar, die sich ergeben, wenn man den bisherigen Preisverfall auf das Jahr umrechnet (annualisiert).

Da jedoch die hauptsächlich ölimporierenden Länder alle (in Abhängigkeit vom Außenwert ihrer Währungen) vom niedrigeren Ölpreis profitieren, dürfte sich das im internationalen Vergleich wieder relativieren. Ich vermute, das ist in der Grafik nicht berücksichtigt. Direkte internationale Wettbewerbsvorteile entstehen nicht, bzw. auch wieder nur in Abhängigkeit der Währungsrelationen zum Dollar. Ein dauerhaft schwacher Euro wirkt in diesem Sinne z.B. kontraproduktiv. Genausowenig sind vermutlich die negativen, das BIP belastende Folgen des Ölpreisverfalls z.B. für die Fracking-Industrie in den USA berücksichtigt.

In der Quelle für den Chart ist auch eine Tabelle enthalten, die die numerischen Ergebnisse darstellt. Demnach ergibt sich, dass Deutschland, Frankreich und Italien mit einem positiven Effekt von jeweils 0,8% des BIP rechnen können. Portugal erreicht 1,5%, Spanien 1,2%. Japan kommt ebenfalls auf 1,2%. Die USA können sich über plus 0,5% freuen, die das BIP durch sinkende Kosten für Öl und höhere Ausgaben der Verbraucher für andere Güter angekurbelt werden könnte.

Trevor Houser, u.a. Partner bei der Rhodium Group, schätzt, dass die größeren Öl-importierenden Länder mehr als 500 Mrd. Dollar an Importen einsparen, wenn der erreichte tiefe Stand der Ölpreise bis weit in 2015 anhält.

Ich bezweifele, dass der sinkende Ölpreis ein solch gewaltiges Konjunkturprogramm ist, wie behauptet wird. Zweifellos gibt es den positiven Effekt, dass Verbraucher mehr Spielraum bei ihren Ausgaben bekommen und Produkte in der Herstellung billiger werden. Ob der Effekt wirklich so groß ist, wie dargestellt kann bezweifelt werden, weil auch gegenläufige Effekte zu berücksichtigen sind.

Entscheidend scheint mir etwas anderes: Es werden wohl bald Stimmen laut, die der Fed längeres Stillhalten bei den Zinsen zutrauen, weil die sinkenden Ölpreise die Inflationsneigung dämpfen. (Beim deutschen Warenkorb, mit dem die Inflation berechnet wird, entfallen über 10% auf Haushaltsenergie und Kraftstoffe (Quelle)). Genau das aber ist in hochverschuldeten Staaten wenig willkommen, weil es den Schuldendienst real nicht entlastet. Die Liquiditätssüchtigen werden genau daran ihre Hoffnung auf noch größere Geldflut insbesondere seitens der EZB knüpfen.

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