Der 1957 geschaffene Rohstoff-Index CRB ist der älteste Rohstoffindex, auf den Finanzprodukte emittiert werden. Der Index hat mittlerweile zehn Revisionen hinter sich, die jüngste stammt vom 17.6.2005. Seitdem heißt er „Reuters/Jefferies CRB Index“ (“RJ/CRB”). Seine Zusammensetzung gibt einen guten Querschnitt über wichtige Rohstoffe und Rohwaren (siehe unten!). Der Index sollte damit theoretisch als Indikator für die Kostenentwicklung in der Industrie und damit auch als Früh-Indikator für die Entwicklung der Verbraucherpreis-Inflation gelten können.
Bei einem soliden, von der Realwirtschaft getragenen wirtschaftlichen Wachstum ist davon auszugehen, dass sich Aktien und Rohstoffpreise in einem recht engen, phasenverschobenen Zusammenhang entwickeln. Aktien bilden einige Monate vor den Rohstoffpreisen ein Tief aus und nehmen auch das Konjunkturtief um einige Monate vorweg. Dementsprechend beginnen Aktien schon vor dem Konjunktur-Hoch mit dem Abstieg, während Rohstoffe noch über das Konjunktur-Hoch hinaus steigen. Dieser im nachfolgenden Bild gezeigte idealtypische Zusammenhang war bis zur Mitte der 1990er Jahre auch empirisch recht gut zu beobachten.
Mittlerweile gilt das nicht mehr so ohne weiteres. Das dürfte, wie hier diskutiert wird, im wesentlichen damit zusammenhängen, dass zu dieser Zeit die Finanzialisierung auch bei den Rohstoffen Einzug gehalten hat. Waren davor Rohstoffe in erster Linie den Unternehmensgewinn beeinflussende Kostenfaktoren, so wurden sie nun zu eigenständigen finanziellen Assets. Ihre Preise wurden nicht mehr nur von industrieller Nachfrage, sondern auch von eigenständigen Spekulationsmotiven getrieben.
Gegenwärtig sehen wir eine lange ausgeprägte Phase, in denen Aktien (am Beispiel des S&P 500) steigen, während Rohstoffpreise nach CRB fallen. Startpunkt dieser Entwicklung war das Spätjahr 2011. Im folgenden Chart (Mittelteil) sind die originalen Indexverläufe gezeigt, die Auswertung im oberen Teil unterstreicht die Entwicklung durch Anstieg des roten neutralen Bandes.
Zeitliche Divergenzen zwischen beiden Zeitreihen im Bereich von sechs bis neun Monaten wären wie oben dargestellt nicht weiter verwunderlich: Niedrige Rohstoffkosten stützen die Unternehmensgewinne, die wiederum die entscheidende Triebkraft für Aktienkurse ist. Andererseits sind niedrige Rohstoffpreise ein Anzeichen für tendenziell geringere Nachfrage und damit auch ein Zeichen konjunktureller Schwäche mit schwächeren Ausichten für Aktien. Lösen sich die widerstrebenden Aspekte zugunsten einer konjunkturellen Belebung auf, sollten beide Indices phasenverschoben steigen. Umgekehrt gilt das gleiche, ein Abschwung lässt beide Zeitreihen zeitverzögert sinken.
Nachhaltigere Divergenzen allerdings sollten zu denken gegen. Ein extremes Beispiel hierfür ist die Zeit zwischen Spätjahr 2007 und August 2008. Im Oktober 2007 haben Aktien ihr damaliges Allzeithoch markiert, der CRB-Index stieg, getrieben v.a. von seinen Ölkomponenten, bis Juli 2008 extrem an. Das wird in der Auswertung durch das deutlich fallende und sich stark verbreiternde neutrale Band (rot) deutlich.
Jetzt blicken wir auf weit mehr als zwei Jahre divergente Entwicklung zwischen Aktien und Rohstoffen zurück. Die Geldflut der Zentralbanken hat in dieser Zeit, erst recht ab Mitte 2012, v.a. Aktien angetrieben. Die spannende Frage ist, ob wir uns nun einer Phase wie im Oktober 2007 nähern, als Aktien ihr Topp bildeten und Rohstoffe angetrieben wurden, nachdem diese zuvor, zwischen August 2006 und August 2007, relative Schwäche gezeigt hatten (siehe im Chart!). Immerhin lässt sich seit der zweiten Hälfte Januar eine Aufwärtstendenz beim CRB ausmachen.
Vorsichtig sollte man bei solch lang anhaltenden Divergenzen in jedem Falle werden.
Der nach wie vor bestehende Liquiditäts-Überfluss drückt durch niedrige Zinsen die Kosten der Lagerhaltung für Rohstoffe – das verzerrt die Preise und fördert die Lagerhaltung aus spekulativen Gründen. Denkbar, dass Liquidität in neue Betätigungsfelder strömt, wenn Aktien in eine Bewertungsblase laufen und ihr Kurzpotenzial von den großen Playern als ausgereizt angesehen wird. Ein Ziel könnte dann der Rohstoffbereich sein.
Anhang:
Aktuelle Zusammensetzung des CRB-Index:
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