Die Angst vor der Euro-Aufwertung

EZB-Präsident Draghi sagte in der zurückliegenden Woche, er sei offen hinsichtlich negativer Einlagezinsen bei der EZB, damit die Banken mehr Kredite vergeben. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass ein solcher Schritt einige kontraproduktive Konsequenzen haben könnte.

Die FT hat hierzu einige Argumente zusammengetragen. Viel wichtiger ist vermutlich, wozu Draghi nichts sagte, nämlich welche Auswirkungen das auf den Euro haben könnte.

Jens Larsen von RBC Capital Markets rechnet nicht mit einem baldigen Schritt in diese Richtung. Wenn dadurch nämlich die stärkeren Finanzinstitute in der Eurozone verleitet würden, ihre LTRO-Kredite frühzeitig zurückzuzahlen, dann würde das Liquidität abziehen und so womöglich das Kreditwachstum in der Realwirtschaft gerade behindern. So lange ein solcher Schritt nur im Raum steht, die wesentlichen Akteure aber fest daran glauben, das er kommen könnte, würde das Geldmarktzinsen von sich aus gedrückt halten.

Jonathan Loynes bei Capital Economics sieht in der Bemerkung von Draghi einen Bluff, um den Außenwert des Euro unter Druck zu halten. Er vergleicht das mit dem OMT-Programm, das, ohne bisher implementiert worden zu sein, die Bond-Zinsen der Krisenländer gedrückt hat. Wenn die Wirtschaft allerdings schwach bleibt, wird Draghi agieren müssen, sagt er und erwartet wahrscheinlich im dritten Quartal eine Senkung der Leitzinsen um weitere 0,25%, sowie Einlagezinsen von minus 0,25%. Allerdings würde das den wirtschaftlichen Ausblick der Eurozone auch nicht aufhellen. Das gelänge nur, wenn die EZB zu weiteren unkonventionellen Maßnahmen greift, einschließlich einem ausgewachsenen QE-Programm. In diese Richtung hielten sich Draghi & Co aber weiter bedeckt, klagt Loynes.

Steve Barrow von der Standard Bank ist ebenfalls der Meinung, dass noch viel mehr schief laufen muss in der Eurozone, bevor negative Einlagezinsen kommen. Er rechnet damit, dass das BIP der Eurozone in 2013 um ein Prozent schrumpfen wird und die Inflation auf unter ein Prozent sinkt. Daher sei der angedeutete EZB-Schritt auf mittlere Sicht auch wahrscheinlich, sagt er. Dabei sei die Auswirkung negativer Einlagezinsen auf den Euro kontextabhängig. Wenn ein solcher Schritt eingebettet ist eine Kamapgne zur Schwächung der Währung, dann sei ein solches Resultat auch wahrscheinlich, anderenfalls könnte auch das Gegenteil geschehen.

Carl Christian von Weizsäcker befasst sich in der FAZ mit der Frage, was geschieht, wenn die Eurokrise zu Ende geht. Bei seiner Argumentation muss berücksichtigt werden, dass er zu der Minderheit deutscher Makroökonomen zählt, die den Abbau der Staatsverschuldung kritisch sehen.

Ausgehend von der Frage, warum die Zinsen aktuell so niedrig sind, entwickelt er zwei Szenarien der Wechselkursentwicklung. Das orthodoxe Szenario bezeichnet er als „Friedman-Szenario“, das die Niedrigzinsphase als vorübergehendes Krisenphänomen sieht. Das zweite Szenario bezeichnet er als „Keynes-Szenario“. Hier wird das von den Zentralbanken festgelegte Nominalzinsniveau auf Dauer bei null verharren, um die Konjunktur zu stützen.

Im Friedman-Szenario ist es bei Preisstabilität nicht möglich, ohne erhebliche und permanente staatliche Nettoneuverschuldung Prosperität herzustellen. Wird die Austeritätspolitik der Staatshaushalte jedoch weltweit fortgeführt, können die Realzinsen nicht ansteigen, weil die Zentralbanken gegen den Überhang der Spartätigkeit über die Investitionstätigkeit dauerhaft ankämpfen müssen.

Die Steuerung des Außenwerts der Währung zwischen Rezession und Inflation funktioniert nur, wenn die Zentralbank das Zinsniveau sowohl anheben als auch senken kann. Daher muss das Normalzinsniveau positiv sein, damit es zur Vermeidung von Rezessionen vorübergehend gesenkt werden kann. Es wird jedoch nicht positiv, so lange die Austeritätspolitik beibehalten wird.

Im Keynes-Szenario hofft jedes Währungsgebiet, überschüssige Ersparnisse durch Warenexportüberschüsse im Ausland unterzubringen. Die Zentralbanken werden weltweit hierzu ihre Zinsen so niedrig wie möglich setzen, um die eigene Währung zu schwächen. Es droht ein Abwertungswettlauf und das Zinsniveau bleibt in der Nähe von null. Im Keynes-Szenario verschwinden die Zinsdifferentiale, der Zins verliert seine Steuerungswirkung hinsichtlich Wechselkursen. An dessen Stelle treten Leistungsbilanzsalden. Im Keynes-Szenario ist zu erwarten, dass Währungsgebiete mit Leistungsbilanzüberschüssen eine Aufwertung ihrer Währung erleben, während Länder mit Leistungsbilanzdefiziten einer Abwertung ihrer Währung entgegensehen. Damit werden die Leistungsbilanzsalden allmählich abschmelzen. Im Keynes-Szenario steht der Euro so lange unter Aufwertungsdruck, so lange es die Exportüberschüsse noch gibt.

Welches Szenario ist nun realistischer?

Der Kapitalmarkt zeigt durch eine Nominalrendite für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit bei 1,3%, dass er ein Niedrigzinsumfeld für mindestens sieben bis acht Jahre erwartet, schreibt Weizäcker. Das ist ein Hinweis auf das Keynes-Szenario. Wenn dem so ist, wird mit Überwindung der Staatsschuldenkrise in der Eurozone der Euro so stark aufwerten, dass das die Prosperität des Euroraums zerstört. In diesem Sinne würde alleine ein Fortbestand der Staatsschuldenkrise die Vernichtung der Prosperität (in den Kernländern) verhindern.

Wenn auch noch die Nettoneuverschuldung der Staaten zurückgefahren wird, kann die Prosperität nur aus aus dem Export kommen. Dann stellt sich die Frage, ob ein „japanisiertes“ Währungsgebiet, wie das des Euro mit hoher privater Sparneigung, schrumpfender Bevölkerung, chronisch unterausgelasteten Produktionskapazitäten, hoher Arbeitslosigkeit, schleichender Deflation und damit in der Folge trotz sehr niedriger Nominalzinsen relativ unattraktiven Investitionen der Aufwertungsfalle durch Devisenmarktinterventionen entgehen und hohe Exportüberschüsse „zementieren“ kann.

Während die Nichtkonvertibilität zwischen Renminbi und Dollar die Voraussetzung dafür ist, dass China seine großen Exportüberschüsse aufrecht erhalten kann, steht dieser Weg dem Euroraum nicht offen. Im Rahmen der weltweiten Wirtschaftsdiplomatie ist es undenkbar, dass die Eurozone die Freiheit des Kapitalverkehrs preisgibt.

Jede amerikanische Regierung muss wegen des großen politischen Drucks auf einen ausgeglichenen Haushalt Mittel und Wege finden, wie sie der Bevölkerung Prosperität ohne Staatshaushaltsdefizite verschaffen kann. Die Antwort ist „Re-Industrialisierung“. Der Nachfrageausfall, der durch die Verminderung des bundesstaatlichen Defizits verursacht wird, soll durch Abbau des Importüberschusses kompensiert werden. Vieles, nicht zuletzt die Energiepolitik der USA und die ansteigende Sparneigung der Bevölkerung, spricht dafür, dass das US-Leistungsbilanzdefizit vollständig verschwinden wird. Die „Welt-Konjunkturlokomotive“ USA wird somit wegfallen.

Noch sorgt die Unregierbarkeit Italiens für Unsicherheit über den Fortbestand des Euro. Noch gewährt die „Berlusconomics“ der deutschen Exportwirtschaft mit einem schwachen Euro einen Hoffnungsfaden, an dem das Damoklesschwert eines erstarkenden Euro in der Schwebe gehalten wird.

Wird das Ziel der Euro-Stabilisierung tatsächlich erreicht, muss wegen der Euroaufwertung mit massiven Arbeitsplatzverlagerungen aus Deutschland heraus gerechnet werden. Die Amerikaner und Chinesen werden weiter deutsche Autos kaufen, aber es sind dann nur solche, die in den USA und China hergestellt werden,“ schreibt Weizäcker abschließend.

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