Die EZB hat in ihrem Monatsbericht für März ehrgeizige Strategien für einen Schuldenabbau angemahnt und kurz und knackig festgestellt: „An einer rigorosen Haushaltskonsolidierung führt kein Weg vorbei.“ In den Ländern, die große Konsolidierungslücken aufweisen, müssten dringend zusätzliche strukturelle Konsolidierungsmaßnahmen umgesetzt werden, mit denen das nominale Haushaltsdefizit nachhaltig auf unter 3% des BIP zurückgeführt werden kann, heißt es weiter.
Die EZB verweist dabei auf zwei Punkte, die die Lage in mehreren Industrieländern mit in Friedenszeiten selten erreichtem Verschuldungsniveaus zusätzlich verschärft. Zum einen zeigten sich die Märkte hinsichtlich den aus der Bevölkerungsalterung resultierenden umfangreichen impliziten Verbindlichkeiten zunehmend besorgt. Zum anderen wird auf den negativen Effekt eines hohen öffentlichen Schuldenstands auf das langfristige Wachstum verwiesen, der insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn die Schuldenquote einen bestimmten Schwellenwert überschreitet.
Die EZB gesteht zwar zu, dass die Frage in der theoretischen Literatur nicht einheitlich beantwortet wird, ob die Staatsverschuldung die Höhe oder das Wachstum des Pro-Kopf-BIP beeinträchtigt. Mit den folgenden Grafiken und Hinweisen auf neuere Fachliteratur kommt sie jedoch zu dem Schluss, dass die öffentlichen Schuldenstände reduziert werden müssen. Sie lobt, „mit welcher Umsicht der Maastricht-Referenzwert für das Schuldenstandskriterium auf 60% des BIP festgelegt wurde. Ziel der EU-Mitgliedstaaten sollte es sein, ihre Schuldenquoten auf diesen Referenzwert zurückzuführen.“
Ich frage mich, wo diese vorgebliche Konsequenz der EZB war, als die Staaten begannen, die Maastricht-Kriterien zu verletzen, also die europäischen Verträge zu brechen. Hat die EZB da aufgeschrien und verlangt, umgehend auf den "Pfad der Tugend" zurückzukehren?
Hinsichtlich Umsetzung dieser Vorgaben seien in jüngster Zeit beachtliche Fortschritte erzielt worden, schreibt die EZB. Der Fiskalpakt sei am 1. Januar 2013 in Kraft getreten und nun müssten seine wesentlichen Bestandteile bis spätestens 1. Januar 2014 in nationales Recht umgesetzt werden. Herausgehoben wird dabei die Regel des ausgeglichenen Haushalts auf nationaler Ebene mit einem automatischen Korrekturmechanismus. Der jetzt verabschiedete „Zweier-Pack“ sei ebenfalls ein wichtiger Baustein, insbesondere die Möglichkeit der Europäischen Kommission, einen korrigierten nationalen Haushaltsentwurf zu verlangen, wenn dieser nicht im Einklang mit den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts steht. Auch die erweiterten Überwachungsanforderungen für Länder mit einem übermäßigen Defizit werden genannt. Schließlich wird auch die Schaffung der Bankenunion herausgestellt. Hierzu sucht die EZB gerade 800 neue Aufseher, wie das Wall Street Journal berichtet.
Anmerkung:
Einen Einblick in die Brutto-Gesamtverschuldung einzelner Länder gibt der folgende Chart von Absolute Return Partners. Der Verfasser stellt dazu fest: "Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass die Gesamtverschuldung entscheidend ist."
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Die Kausaltität der EZB-Abbildung C ist nun nicht gerade eindeutig! Ist das Wachstum so hoch, weil der Schuldenstand so niedrig ist, oder ist der Schuldenstand so niedrig, weil das Wachstum so hoch ist?
Ich finde die zweite Erklärung wesentlich sinnvoller. Die Schuldenstände sind in den letzten Jahren ja v.A. aufgrund der schlechten Wirtschaftslage hochgeschnellt (automatische Stabilisatoren, Rettungspakete,…). Grundsätzlich kommt ja erst der Wachstumseinbruch, dann erst die Verschuldung.
Die Abbildung C stammt inhaltlich von Rogoff & Reinhart. Sie soll das Ergebnis von deren historischen Studien zeigen, dass eine Staatserschuldung über 90% mit gedrücktem Wachstum einhergeht. Die Abfolge ist so, wie Sie schreiben: Die Schulden erreichen (wodurch auch immer, z.B. durch staatliche schuldenfinanzierte Maßnahmen) eine kritische Größe und das drückt die langfristigen Wachstumsmöglichkeiten überproportional.