Unter einer „Risk on“-Situation wird ein Set bestimmter Intermarket-Beziehungen verstanden, die darauf hindeuten, dass die Risikoneigung der Anleger zunimmt. Liegt eine solche Situation heute vor?
Die Bedingungen im einzelnen:
(1) Der Dollar (Dollar-Index) verliert an Wert
(2) Aktien entwickeln sich besser als Bonds
(3) Investment-grade und High-yield-Anleihen entwickeln sich besser als Treasuries
(4) Ausländische Aktien (Emerging Marktes u.a.) entwickeln sich besser als US-Aktien
(5) Rohstoff-Preise entwickeln sich fest
(6) Rohstoff-Währungen entwickeln sich fester als andere, insbesondere der Dollar
(7) Zyklische Aktien-Sektoren (Technologie, "Consumer Discretionary"/Nicht-Grundbedarfsgüter, Roh-Material, Energie) entwickeln sich besser als "defensive" ("Consumer Staples"/Grundbedarfsgüter, Versorger, Health-Care)
Es liegt auf der Hand, dass die genannten Bedingungen eine makroökonomische Situation widerspiegeln, die von Wachstum geprägt ist. Zyklische Werte werden bevorzugt, ein zunehmender Rohstoffbedarf zeugt von steigender industrieller Produktion. In dem Modell von Murphy/Pring sind v.a. die Phasen 3 und 4 prädestiniert für „Risk on“-Situationen. In Phase 5 zeigen sich Rohstoffpreise noch fest, aber es beginnt der konjunkturelle Abschwung, der sich in den Phasen 6 und 1 weiterentwickelt bis in der Phase 2 der konjunkturelle Boden erreicht wird.
Die Bedingung (1) ist seit Anfang Februar nicht mehr gegeben, der Dollar-Index zeigt Stärke. Der Euro begann seine Schwächephase gegen Dollar sogar schon einige Tage vorher.
Die Bedingung (2) ist seit Anfang November, abgesehen von einer kürzlichen Entkopplungsetappe, gegeben. Im Chart wird bei „SPX vs TYX“ die Korrelation in einem 22 Tage breiten, gleitenden Fenster zwischen dem S&P 500 und der 30-jährigen TBond-Rendite dargestellt. Die Rendite verhält sich invers zum Kurs, eine positive Korrelation zwischen ihr und dem S&P 500 ist eine gegenläufige Beziehung zwischen Bond- und Aktienkursen. Der Chart wird täglich aktualisiert und ist über das Pop-up „Chart-Galerie“ zugänglich.
Die Bedingung (3) ist erfüllt.
Die Bedingung (4) ist nicht erfüllt, wie sich an der Gegenüberstellung von zwei ETFs (Kurse in Deutschland) ersehen lässt. Der eine basiert auf einem Basket von Energing Markets Aktien (WKN A0HGZT), der andere basiert auf dem MSCI_USA (WKN A0JMFG).
Die Bedingung (5) ist nicht erfüllt, der in Dollar notierte CRB-Rohstoff-Index stand Anfang Mai 2011 bei 365, heute notiert er bei 295. Immerhin hat er sich vom Tief bei rund 270 in der zweiten Hälfte Juni 2012 wieder etwas abgesetzt, aber als Stärke würde ich das nicht bezeichnen. Auch dieser Chart wird täglich aktualisiert und ist über das Pop-up „Chart-Galerie“ zugänglich. Von besonderer Schwäche wird gegenwärtig der Preis von Öl Brent heim gesucht, das dürfte ein Zeichen für die Konjunkturschwäche in Europa sein.
Die Bedingung (6) ist/war partiell erfüllt. Der australische Dollar hat z.B. zwischen Mitte Januar und Ende Februar gegen US-Dollar Stärke gezeigt, weist jedoch seit Anfang Februar bereits gegen Euro Schwäche auf.
Die Bedingung (7) ist nicht erfüllt. Der Nasdaq-Technologie-Index NDX entwickelt sich z.B. relativ schwächer als der S&P500, wie die beiden folgenden Charts zeigen. Auch diese werden täglich aktualisiert und sind über das Pop-up „Chart-Galerie“ zugänglich.
Die Schlussfolgerung: Eine „Risk on“-Situation ist eher nicht gegeben. Die relative Stärke des S&P 500 (und anderer breiter Aktienindices) wird durch die meisten Intermarket-Bedingungen für eine „solide“, weil wachstumsseitig unterfütterte Risikoorientierung nicht gestützt. Es ist anzunehmen, dass das Motiv für steigende Aktienkurse im Szenario „QEternity“ liegt – die Anleger wetten auf den "ewigen" Fortgang der Liquiditätsschwemme. Siehe hierzu auch US-Geldbasis vs S&P 500 – die perfekte Korrelation?.
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