Am kommenden Wochenende treffen sich die Zentralbanker dieser Welt wie seit 1978 jährlich Ende August in Jackson Hole. Einer kommt nicht – EZB-Draghi sagte seine Teilnahme kurzfristig wegen hoher Arbeitsbelastung ab und wird auch nicht vertreten. Bundesbankpräsident Weidmann hingegen nimmt teil.
Vor zwei Jahren hatte Fed-Präsident Bernanke beim einem solchen Symposium eine zweite Runde quantitativer geldpolitischer Lockerung (QE2) angekündigt. Viele Investoren, bzw. Liquiditäts-Junkies, erwarten von Bernanke, dass er erneut Anleihekäufe zur Stimulierung der Wirtschaft ankündigen wird.
Spekulationen, die Zentralbanken werden mehr zur Stärkung des Wirtschaftswachstums tun, haben die Kurse von Aktien und Rohstoffen zuletzt die Höhe getrieben. Der S&P 500 hat seit Anfang Juni zehn Prozent zugelegt, Gold steht mittlerweile wieder deutlich über dem wichtigen Widerstand bei ~1620, Rohöl notierte zuletzt auf einem Viermonats-Höchststand.
Im Protokoll der FOMC-Sitzung vom 31. Juli und 1. August ist vermerkt, die Mehrheit der Teilnehmer sei bereit, „ziemlich bald” neue Stimuli zu schaffen, falls keine Konjunkturerholung bevorsteht. Bernanke schrieb am 22. August in einem Brief an ein Kongress-Mitglied, er sehe "Raum für weitere Maßnahmen”.
Da kaum jemand daran zweifelt, dass Bernanke in Jackson Hole QE3 ankündigen wird, ist eine Enttäuschung vorprogrammiert.
Und es gibt gute Gründe, warum die Hoffnungen auf QE3 verfrüht sind.
Der erste und naheliegendste Grund ist, dass Aktien nahe einem vier-Jahres-Hoch notieren. Die Fed hatte immer wieder auf den Wohlstandseffekt hoher Aktienkurse hingewiesen. Das gilt jetzt erst recht, wenn die „Baby-Boomer“-Generation allmählich in Rente geht. Viele haben ihr Wohlergehen im Alter mit Aktien-Portfolios unterfüttert. In einer Situation hoher Aktienkurse (erst recht vor dem Hintergrund einer eher mauen Wirtschaftsentwicklung) hält die Fed lieber ihr Pulver trocken.
Der zweite Grund kann darin gesehen werden, dass mit der großen Dürre in den USA die Lebensmittelpreise stark steigen. Zudem sind die Ölpreise im Aufwind. Das führt dazu, dass ein wachsender Teil des Einkommens für solche notwendigen Güter ausgegeben werden muss. Die Möglichkeiten sonstiger Konsumausgaben hingegen werden eingeschränkt – mit negativen Folgen für die Wachstumsmöglichkeiten der Wirtschaft. Im Mai 2011 hatte Bernanke diesbezüglich rückblickend auf das Anfang November 2010 gestartete QE2-Programm gesagt, dass dessen Konsequenzen in Gestalt höherer Kosten für Nahrungsmittel und Energie dessen Vorteile in Gestalt höherer Aktienkurse konterkariert haben.
Drittens: Angesichts der Präsidentschaftswahl im November riskierte die Fed mit einem weiteren großen QE-Programm und seinen preistreibenden Folgen, dass der Obama-Widersacher Romney entscheidende Punkte sammeln könnte. Der hatte schon angekündigt, dass Bernanke nicht der richtige Mann an der Fed-Spitze ist.
Viertens: Die 10-jährigen US-Renditen hatten erst vor Kurzem mit 1,43% ein neues Allzeittief markiert. Das lag mehr als einen halben Prozentpunkt unter dem Tief aus Dezember 2008. Aktuell liegt die Rendite bei 1,65%. Im November 2010, zum Start von QE2, lag sie bei rund 2,6%. Auch mit dem aktuellen Zinssatz lässt sich ein neues QE-Programm kaum rechtfertigen – erklärtes Ziel solcher Aktionen war ja stets, die Zinsen niedrig zu halten.
Per Juli hat die Fed fast 2,8 Bill. Dollar an Anleihen in ihre Bücher genommen, hauptsächlich Staats- und Hypothekenanleihen. Im August 2008, vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise, waren es nur 872 Mrd. Dollar. (Chart-Quelle)
Der fünfte Grund: Staatsanleihen dienen Banken als das sicherste und damit wichtigste Asset, um ihre Handelsaktivitäten abzusichern. Die großen US-Banken, jene, die gemeinhin als „too big to fail“ gelten, haben ein Volumen von 7 Bill. Dollar an diesen Papieren in ihren Büchern. Dem steht z.B. ein Volumen von 200 Bill. Dollar an Derivaten gegenüber. Ein weiteres großes QE-Programm liefe darauf hinaus, dass die Banken Sicherheiten in Gestalt von Treasuries gegen Cash tauschen. Cash haben sie aber mehr als reichlich – die Überschussreserven des US-Finanzsystems liegen bei rund 1,5 Bill. Dollar.
Nicht umsonst hatte Bernanke kürzlich gesagt: „Ich denke, es gibt eine theoretische Grenze für QE, da die Fed nur Staatsanleihen oder Hypothekenanleihen kaufen kann (…) Wenn die Fed zu viel davon besitzt, würde das dem Markt schaden.“ (Siehe z.B. bei Zerohedge). Dies gilt umso mehr, als der US-Staat bald anfangen muss, seine Verschuldung zurückzufahren.
Bei einem solch niedrigen Zinsniveau wie aktuell lässt sich mit Staatsanleihen als strategische Halteposition nicht mehr viel verdienen. Umso wichtiger sind sie als sichere „Unterlage“ für das Handelsgeschäft der Banken, um Gewinne zu produzieren. Und darin sieht die Fed nach wie vor einen der wichtigsten Wege, die Banken aus der Schulden-Falle zu holen und damit die Wirtschaft vor einer Deflations-Spirale zu bewahren. Mit einer Neuauflage eines großen QE-Programms würde sie sich da selbst auf die Füsse treten.
Die alles entscheidende Frage ist: Gibt es eine nachhaltige Belebung des Wirtschaftswachstums? Dabei dürfte die Entwicklung des US-Arbeitsmarktes die wichtigste Rolle spielen. So lange von hier aus keine negativen Signale ausgehen, erscheint die Wahrscheinlichkeit eines weiteren großen QE-Programms gering.
Wenn sich dann aber eines Tages die Zeichen mehren, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht, dürfte die Fed gezwungen sein, geldpolitische Anreize in einem solchen Umfang loszutreten, der alles vorher Dagewesene in den Schatten stellt. Denn ein durch Fiat-Geld in Gang gesetzter Boom lässt sich nur durch immer mehr Kredit und Geld, begleitet von immer tieferen Zinsen, aufrechterhalten. Und wie die "Märkte" dann reagieren werden angesichts der bisherigen, mehr oder weniger realwirtschaftlich verpufften QE-Programme, steht auf einem anderen Blatt.
Gut möglich, dass die taktische Überlegung der Fed aktuell die ist: Die „Märkte“ werden zwar enttäuscht darauf reagieren, dass das kurzfristig erhoffte QE-Programm ausbleibt, gleichzeitig aber stellt die Fed eine weitere Konjunkturaufhellung in Aussicht – insbesondere gekoppelt an Hoffnungen aus wie auch immer gearteten „Interventionen“ der EZB bei PIIGS-Bonds. Eine Abmilderung der Eurokrise würde umgehend als Wegfall von die Weltkonjunktur belastenden Momenten interpretiert – und wahrscheinlich in entsprechende Kursgewinne bei Aktien umgesetzt.
Hierbei ist die zeitliche Reihenfolge von zentralen Terminen wichtig: Am 6. September wird die EZB Konkreteres zu ihren angekündigten „Interventionen“ beschließen. Einige Tage danach, am 12. September, tagt das FOMC der Fed. (Weitere wichtige Termine: Siehe hier.)
Nachtrag:
(3.9.12) Fed-Chef Bernanke hat am zurückliegenden Freitag in seiner mit Spannung erwarteteten Rede auf dem Zentralbanker-Symposium in Jackson Hole die Hoffnungen auf ein weiteres QE-Programm zwar warm gehalten, wurde aber nicht konkret. Er drückte tiefe Besorgnis über den Zustand des stagnierenden US-Arbeitsmarkts aus. Die Zentralbank stehe bereit, die Wirtschaft zu stärken, falls erforderlich, sagte er. Die Finanzmärkte reagierten zunächst enttäuscht, dann stiegen Aktien, Rohstoffe und Edelmetalle an, der Dollar-Index verlor an Wert. Zum US-Handelsschluss gaben Aktien einen Teil ihrer Gewinne ab, Edelmetalle und Öl-Preise blieben fest.
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