Inflation – noch entspannt sich die Lage

Die Inflation bleibt im Fokus der Finanzmärkte und der Wirtschaftspolitik. Nachdem die Fed die ersten Anfänge der Inflation noch als vorrübergehend eingestuft hatte, um von ihrer Verantwortung abzulenken, musste sie alsbald zurückrudern. Aktuell spricht viel dafür, dass der inflationäre Schub weiter an Energie verliert. Noch…

Die von der US-Notenbank Fed bevorzugte Messgröße für die Inflation, der Kern-Preisindex für persönliche Konsumausgaben (PCEPILFE), ist von 5,6% im Februar 2022 auf 3,5% im Oktober zurückgegangen. Der PCE-Indikator mit Berücksichtigung der Preise für Nahrung und Energie hatte sein jüngstes Hoch im Juni 2022 bei 7,1%, jetzt kommt er auf 3,0%. Der viel beachtete US-CPI (CPIAUSL) hat nach einem Hoch im Juni 2022 bei 8,9% auf 3,2% abgegeben. Die CPI-Variante unter Ausschluss von Nahrung und Energie hatte ihr jüngstes Hoch im September 2022 bei 6,6% und notiert aktuell bei 4,0%.

Die Kernpreise sind nicht abgeschottet, sie werden natürlich indirekt auch von den volatilen Segmenten Nahrung und vor allem Energie beeinflusst – aber eben erst mit mehrmonatiger Verzögerung. Wenn die „Headline"-Inflation nach einem Höhenflug mehr oder weniger auf die Kern-Inflation zurückgeht, lässt sich das so interpretieren, dass der inflationäre Schub durch die gesamte Wirtschaft gelaufen ist.

Wie das folgende Bild zeigt, verläuft die Inflations-Entwicklung seit Mai neutral gegenüber dem längerfristen Trend, nachdem sie sich von Mai 2021 an steiler als der Trend gezeigt hatte (rote Linie am oberen Rand).

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Das Council of Economic Advisers (CEA) des Weißen Hauses argumentiert anhand eines von der damaligen Vorsitzenden der Fed, Janet Yellen, 2015 entwickelten Modells, dass die hohen Preise hauptsächlich auf Unterbrechungen der Versorgungskette zurückzuführen waren. Jetzt hätten sich die Engpässe aus der Pandemiezeit insbesondere seit der Öffnung der Wirtschaft in China vor fast einem Jahr verringert, folglich ginge die Inflation zurück, so das CEA.

Der schlimmste Inflationsschub seit den 1970er Jahren soll demnach nur zu einen kleinen Teil auf den pandemiebedingten Nachfrageschock zurückgehen? Normalerweise würde man umgekehrt argumentieren: Die Überschussnachfrage, das Ergebnis des im März 2020 und später direkt in die Realwirtschaft geflossenen finanziellen Stimulus, hat die Wirtschaft über ihr produktives Potenzial hinaus und damit die Preise hoch getrieben. Die Inflation hat immer zuerst monetäre Ursachen.

Aber diese Sicht passt der Regierung natürlich nicht, das CEA spricht bequemerweise die Wirtschaftspolitik und die Fed von der Verantwortung für die Inflation frei.

Die Analyse des CEA lehnt implizit die so genannten Phillips-Kurven-Modelle der Inflation ab. Sie stellen mit unterschiedlichen Makrodaten eine Beziehung zwischen Arbeitsmarkt und Inflation her. Die Korrelationen nit den unterschiedlichen Messgrößen für die Verfassung des Arbeitsmarktes haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert oder sind ungültig geworden.

Das haben Kritiker genutzt, um die Phillips-Kurve grundsätzlich infrage zu stellen. Das nutzt wiederum denen, die eine fortgesetzte staatliche Stimulierung der Wirtschaft rechtfertigen wollen. Sie argumentieren, eine solche Politik habe keine unmittelbare Auswirkung auf den Arbeitsmarkt und damit auch nicht auf die Inflation. Die Verfassung des Arbeitsmarktes bestimmt jedoch wesentlich über die Kaufkraft der Konsumenten, die wiederum für rund 70% des BIP zuständig ist. Daher ist es plausibel, dass der Arbeitsmarkt einen bedeutenden Einfluss auf die Inflation hat. Das mag zeitweilig von anderen Faktoren überlagert werden, ändert aber nichts an dem grundlegenden Zusammenhang.

Die Fed von Kansas City hat eine Zeitreihe entwickelt, die 24, für den Arbeitsmarkt besonders relevante Datenreihen zusammenfasst. Der Labor-Market Conditions Index (LMCI) ist bei Werten um Null bezüglich Inflation neutral und fällt dann mit einer Inflationsrate von etwa 1,7% zusammen. Das statistische Bestimmheitsmaß R² einer polynomischen Regression kommt auf knapp 0,7, knapp 70% der Inflation (PCEPILFE) können mit dem LMCI erklärt werden. Dies gilt für den Zeitbereich von 2007 bis heute. Vorherige Phasen zeigen kein akzeptables Bestimmtheitsmaß.

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Der Chart zeigt klar, dass die Inflation oberhalb von LMCI-Werten von 0,7 beschleunigt ansteigt. Das ist plausibel, wenn man z.B. an die Lohn-Preis-Spirale denkt. Unter 0,5 ist der Zusammenhang relativ flach, Änderungen des LMCI wirken sich nur wenig auf die Inflation aus.

Wie es bei Statistik so ist – Kausalitäten kann sie nicht aufdecken. Sie stellt Zusammenhänge her, mehr nicht. Aber solche Zusammenhänge können Annahmen über Ursache und Wirkungen untermauern oder gegen solche sprechen. Da das Bestimmheitsmaß für vor 2007 liegende Daten allmählich unzureichend wird, sollte man keinen Absolutheitsanspruch stellen. Aber seit mehr als 15 Jahren gibt es offenbar vor dem Hintergrund der konkreten wirtschaftlichen Umstände einen engen Zusammenhang von Arbeitsmarkt-Bedingungen (nach LMCI) und Inflation.

Im Rahmen der aktuellen Rahmenbedingungen ist offenbar der Arbeitsmarkt mit einem aktuellen LMCI von 0,80 ein die Inflation noch stützender Umstand. Das folgende Bild zeigt aber, dass sich der LMCI von einem Wert bei 1,42 im Februar 2022 aus stetig abwärts bewegt. Das wiederum gibt der Fed Anlass, zu behaupten, dass ihre Geldpolitik wirkt und weitere aggressive geldpolitische Schritte zunächst nicht erforderlich scheinen (Chartquelle).

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Für die in dieser Woche anstehende Veröffentlichung von US-Inflationsdaten für November ist nach Datenlage kaum mit Überraschungen zu rechnen. Die CPI-Kernrate wird mit 4,0% unverändert erwartet, der Headline-CPI soll um 0,1% auf 3,1% zurückgehen. Für das FOMC-Treffen der Fed am Mittwoch wird kein Zinsschritt erwartet. Hier wird man allerdings genau auf die Zwischentöne achten.

Die Biden-Regierung will die Inflation auf Pech und Kräfte außerhalb ihrer Kontrolle zurückführen und lenkt gezielt von ihrer Politik des Helikoptergeldes als eine wesentliche Ursache für die jüngste Inflationswelle ab. EZB-Chefin Lagarde geht noch weiter im Zurückweisen von Verantwortung, sie schreibt der amerikanischen Finanzpolitik eine Schlüsselrolle bei der Inflation in Europa zu.

Das Ablenkungs-Manöver der US-Regierung dürfte in Vorbereitung für die nächste Maßnahme dieser Art geschehen. Auch bei der Fed wurde ein neues Verhaltensmuster etabliert: Vor 2020 bewegten sich alle ihre Krisen-Maßnahmen nur im Finanzbereich der Wirtschaft, seit 2020 eben nun auch im Realbereich.

Auf die nächste große gesellschaftliche Störung wird noch mehr Rettungsgeld folgen. Darauf wird allmählich vorbereitet. Und damit wird noch direkter und umfassender in die Realwirtschaft eingegriffen, was ähnliche, wahrscheinlich größere inflationäre Folgen haben wird als das, was wir jetzt gesehen haben. Abgesehen davon wirkt die „Dekarbonisierung der Energieerzeugung“ und die damit einhergehende De-Industrialisierung anhaltend preistreibend. Den folgenden Chart sollte man im Hinterkopf behalten.

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[Unter Verwendung von Material aus „Maybe We Just Spend Too Much“, anderes ist im Text verlinkt]

Ergänzung
(…) werden die Zinssätze in den nächsten zehn Jahren wahrscheinlich höher bleiben als in den zehn Jahren nach der Finanzkrise 2008. Darin spiegeln sich verschiedene Faktoren wider, darunter die steigende Verschuldung, die Deglobalisierung, höhere Verteidigungsausgaben, der grüne Wandel, populistische Forderungen nach Einkommensumverteilung und die anhaltende Inflation. Sogar die demografischen Veränderungen, die oft als Begründung für dauerhaft niedrige Zinssätze angeführt werden, könnten sich in den Industrieländern anders auswirken, da sie ihre Ausgaben erhöhen, um die schnell alternde Bevölkerung zu unterstützen.

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